Biodiversität

I. Naturwissenschaftliche Aspekte

Biologische Vielfalt, oder kürzer: Biodiversität, wird in der maßgeblichen Konvention über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) definiert als „[...] die Variabilität unter lebenden Organismen jeglicher Herkunft […] und die ökologischen Komplexe, zu denen sie gehören; dies umfasst die Vielfalt innerhalb der Arten, zwischen den Arten und die Vielfalt der Ökosysteme [darunter unter anderem Land-, Meeres- und sonstige aquatische Ökosysteme].” Biodiversität umfasst aus biologischer Perspektive demnach nicht nur reine Artenvielfalt, sondern auch die Sortenvielfalt (z. B. von Nutzpflanzen), sogenannte genetische Ressourcen, sowie die Vielfalt von ökologischen Prozessen. 

Das Konzept der Biodiversität erfasst die Variabilität des Lebendigen auf drei Ebenen der Vielfalt:

  • die Artenvielfalt (Pflanzen, Tiere, Mikroben, Pilze),
  • die Vielfalt genetischer Informationen, die in Lebewesen enthalten sind,
  • die Vielfalt von Ökosystemen oder Lebensräumen.

Die Biodiversität ist als Vielfalt des Lebendigen von der mit ihr in Wechselwirkung stehenden Geodiversität abzugrenzen.

Erfassung der Biodiversität

Häufig wird Biodiversität mit der Anzahl verschiedener Arten gleichgesetzt. Zur Untersuchung der Biodiversität über die reine Quantität hinaus, werden qualitative Aspekte der biologischen Vielfalt in einem Gebiet zu folgenden Parametern mit einbezogen: Artendichte, Häufigkeitsverteilung von Arten, Seltenheit, verwandtschaftliche Vielfalt, funktionelle Diversität und damit einhergehende Ökosystemleistungen, bedrohte Arten, nicht einheimische Arten, Nutzwert für den Menschen.
Diese Parameter dienen der Erfassung von Biodiversität und zudem als Anhaltspunkte, um das meist notwendige Priorisieren von schützenswerten Bereichen der Biodiversität, z. B. bei der Wahl schützenswerter Gebiete, durchzuführen.

Angesichts der hohen Variabilität des Lebendigen kann Biodiversität als Ganzes nicht abschließend erfasst werden. Vielmehr eröffnen die Daten zu den obigen Parametern einen Einblick in die jeweiligen Bereiche der Biodiversität. Beispielsweise reichen die Angaben bezüglich der Artenzahlen von 5 bis 30 Millionen Arten von Tieren, Pflanzen und Mikroorganismen. Das Millennium Ecosystem Assessment rechnet auf der Basis heute beschriebener Arten den Artenbestand der Erde auf 13.6 Millionen hoch.

Verteilung der Biodiversität

Als Hotspots der Biodiversität werden Gebiete bezeichnet, die eine besonders hohe Arten- und Ökosystemdichte aufweisen, welche zugleich besonders stark gefährdet sind. Allgemein nimmt die Artendichte von den Polen zum Äquator zu, die größte Vielfalt findet sich in den Subtropen und Tropen, wobei tropische Regenwälder die reichhaltigsten Ökosysteme der Erde sind. Auch der Boden der Tiefsee, der weitgehend unerforscht ist, beherbergt eine unüberschaubare Menge von Tierarten und Mikroorganismen. Tropische Korallenriffe stellen die artenreichsten marinen Ökosysteme dar.

Die folgende Karte (Abbildung 1) zeigt die Verteilung von Gefäßpflanzenarten auf der Erde. Aufgrund verschiedener Korrelationen entspricht diese Verteilung wahrscheinlich auch der Verteilung von Tierarten. Eine vergleichbare Karte für die Fauna ist allerdings noch nicht erstellt worden.

Ökosystemleistungen und -funktionen

Ökosystemleistungen sind Leistungen der Natur bzw. von Ökosystemen, die der Mensch für sich nutzbar machen kann (siehe dazu unten „Ökonomische Aspekte der Biodiversität”). Dazu zählen beispielsweise die Bereitstellung von Süßwasser durch Niederschlag und Bodenfiltration, die Bindung von Kohlendioxid in pflanzlicher Biomasse, die Bestäubung von Pflanzen durch Insektenvölker oder die Klimaregulierung. Aber auch die Primärproduktion von bspw. Pflanzen, die für den Menschen von Nutzen sind, können darunter verstanden werden. Nach dem Millennium Ecosystem Assessment lassen sich Ökosystemleistungen in unterstützende, bereitstellende, regulierende und kulturelle Leistungen unterteilen. 

Als ein Teil des Biodiversitätsverlusts hat die Dezimierung von Ökosystemen durch den Menschen teilweise beträchtliche Auswirkungen auf die Funktionsfähigkeit eines Ökosystems, was sich wiederum auf den Menschen auswirken kann. So konnte etwa mit Satellitenbildern gezeigt werden, dass Küstenabschnitte in den Tropen, an denen noch Mangrovenwälder vorkommen, weitaus weniger von der Tsunami-Katastrophe im Jahr 2004 in Südost-Asien betroffen waren als Abschnitte, an denen die Wälder zerstört waren.

Biodiversitätsverlust

Aufgrund der schwierigen Bestimmung von Artenzahlen, aber auch wegen der problematischen Quantifizierbarkeit von Vielfalt (beispielsweise von Ökosystemen), ist die Erfassung des Biodiversitätsverlusts sehr schwierig. Dennoch zeigt sich die weltweite Bedrohung der Biodiversität etwa an der Zerstörung von Ökosystemen (etwa Regenwäldern oder Korallenriffen) oder der Bedrohung von Arten (etwa dem Pandabären oder dem Przewalskipferd). Als zentrale Ursachen für den Rückgang der Biodiversität gelten 1. die Veränderung von Lebensräumen bzw. Habitaten; 2. der Klimawandel; 3. eingeschleppte und gebietsfremde Arten; 4. die Übernutzung (z. B. durch Überfischung) und 5. die Umweltverschmutzung inkl. Überdüngung. Große Bedeutung kommt in dieser Hinsicht der Gestaltung der Landwirtschaft zu: Beispielsweise sind nach Ergebnissen des globalen PREDICTS-Projekts zur Landnutzung 13,6 % des Artenrückgangs in regionalen Ökosystemen auf Abläufe in der Landwirtschaft zurückzuführen. Ergänzend zur Erfassung des gegenwärtigen Biodiversitätsverlusts werden auf der Grundlage der hierfür konstatierten Ursachen Prognosen für den künftig zu erwartenden Rückgang der Biodiversität aufgestellt.

Als Reaktion auf den zunehmenden Biodiversitätsverlust wurde 1992 in Rio de Janeiro auf der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und nachhaltige Entwicklung (UNCED) das Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD) beschlossen. Im Jahr 2015 waren 196 Länder, darunter Deutschland, Vertragsparteien dieses internationalen Naturschutzabkommens.

II. Ökonomische Aspekte

Biodiversität als ökonomisches Gut

Ein Untersuchungsgegenstand der Wirtschaftswissenschaften ist die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse mit knappen Mitteln, welche auf unterschiedliche Weise verwendet werden können. Ziel der Wirtschaftswissenschaften ist es, Nutzungsweisen von ökonomischen Gütern aufzuzeigen, die im Hinblick auf die Bedürfnisbefriedigung effektiv und effizient sind. Biologische Vielfalt kann demnach als ein ökonomisches Gut betrachtet werden, sofern sie (1) geeignet ist, menschliche Bedürfnisse zu befriedigen, (2) ihr Vorkommen knapp ist und (3) sie in unterschiedlicher Weise genutzt werden kann. Im Folgenden soll anhand ausgewählter Beispiele gezeigt werden, inwiefern die genannten Kriterien ökonomischer Güter auf die Biodiversität Anwendung finden können.

(1) Befriedigung menschlicher Bedürfnisse
Biologische Vielfalt eröffnet der Menschheit ausgewählte Nutzungsformen, indem sie wesentliche Ressourcen für eine nachhaltige Sicherung der Ernährung, für die Entwicklung neuer Medikamente und für die Entdeckung und Entwicklung industrieller Rohstoffe bereithält. Weiterhin ist die Biodiversität eine entscheidende Inspirationsquelle in der Wissenschaftsdisziplin der Bionik und eine Voraussetzung für die Methode der Bioindikation. Zudem kommt den sogenannten Ökosystemleistungen eine große unmittelbare oder mittelbare Bedeutung für die landwirtschaftlichen und industriellen Produktionsprozesse zu. Über die vorgenannten wirtschaftlichen Nutzungsarten der biologischen Vielfalt hinaus werden dieser auch nur schwer kommerziell erfassbare ästhetische Werte und Erholungswerte zugesprochen. So wird etwa die Schönheit von Pflanzen und Tieren von vielen Menschen geschätzt, die die Natur als Ausflugs- und Urlaubsraum nutzen. Welche Bereiche der Biodiversität die genannten Nutzungsformen gewährleisten ist allerdings umstritten und nicht vollständig bekannt. Die Maßgabe, Biodiversität möglichst umfassend zu erhalten, begründet das Bestreben, die Befriedigung menschlicher Grundbedürfnisse langfristig abzusichern, etwa über das Stärken der Resilienz und Funktionsfähigkeit von Ökosystemen.

(2) Knappheit und (3) alternative Nutzungsmöglichkeiten
In den Wirtschaftswissenschaften bedeutet die Knappheit eines Gutes grundsätzlich relative Knappheit in Bezug auf andere Güter, wobei unterstellt wird, dass die Güter innerhalb gewisser Grenzen substituierbar sind. Knappheit gestaltet sich vor diesem Hintergrund immer als ein Austauschproblem: Um eine zusätzliche Einheit eines Gutes zu erhalten, muss immer eine bestimmte Menge anderer Güter aufgewendet werden (Geld, Konsumgüter, Zeit etc.). Die Fokussierung der Ökonomie auf das Problem der relativen Knappheit prägt auch die Wahrnehmung der Biodiversität in den Wirtschaftswissenschaften: Relative Knappheit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass die Bereitstellung bzw. Erhaltung von Biodiversität notwendig mit (Opportunitäts-)Kosten verbunden ist. Demnach bedingt die Schaffung zusätzlicher biologischer Vielfalt, etwa durch die Anlegung von Biotopen, den Verzicht auf andere Güter wie etwa Geld oder alternative Nutzungsarten des als Biotop gestalteten Gebiets. Aus dem ökonomischen Zugang zu Biodiversität eröffnen sich Lösungsvorschläge für eine möglichst effizient organisierte Nutzung der biologischen Vielfalt unter der Rahmenbedingung der Güterknappheit.

Der Beitrag der Ökonomie zum Schutz der biologischen Vielfalt

Der in den letzten Jahrzehnten zunehmend ins Bewusstsein der Öffentlichkeit getretene rapide Biodiversitätsverlust hat dazu geführt, die zur Auswahl stehenden Optionen zur Erhaltung der biologischen Vielfalt verstärkt auch mit den Mitteln der Ökonomie zu untersuchen. Da aufgrund natürlicher, wirtschaftlicher, rechtlicher und politischer Zwänge ein umfassender Schutz der bestehenden Biodiversität nicht zu leisten ist, kommt insbesondere der Erstellung wohlbegründeter Prioritätenlisten der zu schützenden Arten eine große Rolle zu. Diese Prioritätenlisten beruhen maßgeblich auf der ökonomischen Inwertsetzung der Biodiversität.

Die ökonomische Inwertsetzung der Biodiversität erfolgt über eine Reihe von unterschiedlichen Werttypen: Auf der obersten Ebene setzt sich der ökonomische Gesamtwert der Biodiversität aus Gebrauchs- und Nicht-Gebrauchswerten zusammen. Gebrauchswerte sind solche, die aus der tatsächlichen oder potentiellen Nutzung eines Wirtschaftsguts entstehen, und lassen sich in den direkten Gebrauchswert und den indirekten Gebrauchswert sowie den Optionswert unterteilen. Nicht-Gebrauchswerte wachsen einem Gut indes unabhängig von etwaigen Nutzungsmöglichkeiten zu und werden in den nachempfundenen Gebrauchswert, den Vermächtniswert und den Existenzwert unterschieden.

Neben der differenzierten Bewertung der Teilbereiche der Biodiversität leisten die Wirtschaftswissenschaften darüber hinaus einen Beitrag zur politischen Umsetzung der Schutz- und Erhaltungskonzepte. Zum einen, indem sie über eine Analyse des jeweiligen Markt- und Staatsversagens den Biodiversitätsverlust erklären können, zum anderen mithilfe von Instrumenten der Anreizsteuerung, welche die Umsetzung von Schutz und Nutzung biologischer Vielfalt unterstützen. Repräsentativ für die Verbindung einer ökonomischen Inwertsetzung der Biodiversität und eines Instrumentes zur Anreizsteuerung steht die von Deutschland und der EU-Kommission initiierte Studie „Die Ökonomie von Ökosystemen und der Biodiversität“ (The Economics of Ecosystems and Biodiversity, TEEB). Die Ergebnisberichte der Studie wurden innerhalb von drei Phasen veröffentlicht und dienten dazu, eine effektive Informationsbasis zu schaffen, um qualitative Entscheidungen zum Schutz der Biodiversität zu gewährleisten. Darüber hinaus eröffnen die Erhebung und Differenzierung von Nutzungsformen und damit verbundener Werte der Biodiversität eine Grundlage, um Prioritäten innerhalb des Biodiversitätsschutzes zu setzen, aber auch, um bei einer Kollision des Ziels der Biodiversitätserhaltung gegen andere gesellschaftliche Zielsetzungen eine Gewichtung anzuleiten.

III. Rechtliche Aspekte

Die rechtlichen Regelungen im Bereich der Biodiversität zielen erstens auf den Schutz der biologischen Vielfalt ab, was sich z. B. in dem Bemühen ausdrückt, durch Artenschutzabkommen eine weltweit einheitliche Regelung über den Handel mit bedrohten Arten zu etablieren. Zweitens wird dieses Schutzziel zunehmend in Verbindung mit nachhaltigen Nutzungsformen der biologischen Vielfalt gesetzt, sodass Schutz und Nutzung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung miteinander in Einklang gebracht werden sollen. Schließlich beziehen sich drittens die rechtlichen Reglungen auf die Problematik der gerechten Aufteilung der wirtschaftlichen Vorteile aus der Nutzung der biologischen Vielfalt zwischen den meist wirtschaftlich schwachen ressourcenreichen Staaten und den meist ressourcenarmen Industrienationen, die sich um den Zugang zu den genetischen Ressourcen bemühen. Da es sich dabei um zwischenstaatliche Angelegenheiten handelt, kommt dem nationalen Recht der einzelnen Staaten bislang eine geringere Bedeutung zu als zwischenstaatlichen Abkommen. 

Internationale Ebene

Washingtoner Artenschutzübereinkommen
Das Washingtoner Artenschutzübereinkommen ist ein Beispiel für das Bestreben, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Verlust der Arten mithilfe internationaler Abkommen aufzuhalten. Die Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (kurz: CITES) wurde im März 1973 bei der Gründungskonferenz in Washington, D.C. von 80 Staaten erstmals unterzeichnet. Bis 2016 haben 183 Länder das Übereinkommen ratifiziert. Die Konvention setzt Regelungen zur Überwachung des Handels mit wildlebenden Tieren und Pflanzen fest und löst das 1933 von neun Staaten unterzeichnete Londoner Artenschutzabkommen ab, welches sich lediglich dem Handel mit afrikanischen Wildtieren widmete. Der CITES-Text führt im Anhang etwa 5.000 Tier und 28.000 Pflanzenarten, die als vom Aussterben bedroht und daher als besonders schützenswert angesehen werden. Hierbei wird zwischen solchen Arten, mit denen der Handel generell verboten ist, und solchen, die besonderen Ein- und Ausfuhrbestimmungen unterliegen, unterschieden. Über Genehmigung oder Ablehnung eines Antrags auf Import oder Export entscheiden staatliche und wissenschaftliche Behörden in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Das ausführende Organ zur Kontrolle über den Import und Export von aufgelisteten Arten und gegebenenfalls der Beschlagnahmung von einzelnen Exemplaren stellt in den jeweiligen Ländern der Zoll dar. Dieser beschlagnahmte 2014 in Deutschland laut des Bundesamts für Naturschutz 73.217 Exemplare gelisteter Tier- und Pflanzenarten beziehungsweise Erzeugnisse aus denselben. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 4.312 Exemplare, von 2012 auf 2013 wurde bereits ein Anstieg um 17.402 Exemplare bzw. Erzeugnisse verzeichnet. Die ständige Aktualisierung der einzelnen Regelungen wird durch die regelmäßig stattfindende internationale Artenschutzkonferenz gewährleistet. In der Europäischen Union wurde im Dezember 1996 die mit dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen in Einklang stehende Verordnung Nr. 338/97 verabschiedet, welche die CITES-Regelungen innereuropäisch bekräftigt und modifiziert. Die EU-Verordnung sieht für die einzelnen Mitgliedsstaaten eine Informationspflicht vor, welcher in Form von Jahresberichten nachgekommen werden soll, die den Umfang der Ein- und Ausfuhr aufgelisteter Arten dokumentieren. Darüber hinaus soll durch eine Meldepflicht über Ablehnungen von Import- oder Exportgenehmigungen der europäische Handel mit wildlebenden Tieren und Pflanzen stärker vereinheitlicht werden.

Convention on Biological Diversity
Erst das 1992 im Rahmen einer Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung (UNCED) verabschiedete internationale Übereinkommen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity, CBD) erfasste die gesamte Biodiversität als Gegenstand der Schutzbemühungen. In diesem Übereinkommen wurde die Biodiversität zu einem "common concern of mankind" erklärt. Es vereint gemäß Art. 1 CBD erstmals das Ziel der Erhaltung der biologischen Vielfalt mit dem der nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile sowie dem der gerechten Aufteilung der sich aus der Nutzung ergebenden Vorteile.

Der Schutz und die nachhaltige Nutzung der Biodiversität werden unter anderem in Art. 8 und 9 (in-situ und ex-situ-Erhaltung) sowie in Art. 10 (Nachhaltige Nutzung von Bestandteilen der biologischen Vielfalt) geregelt. Zentraler Gegenstand der rechtswissenschaftlichen und regulativen Debatten sind jedoch die Regelungen zum dritten Ziel der Biodiversitätskonvention, dem gerechten Vorteilsausgleich aus der Nutzung der biologischen Vielfalt.

  • Gemäß Art 3. CBD kommt den einzelnen Staaten das souveräne Recht zu, in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen und den Prinzipien des internationalen Rechts ihre eigenen Ressourcen nach den Regeln ihrer eigenen Umweltpolitik zu nutzen. Dafür haben sie aber auch die Pflicht, sicherzustellen, dass durch Tätigkeiten innerhalb ihres Hoheitsgebiets oder ihres Einflussbereichs der Umwelt in anderen Staaten oder Gebieten außerhalb ihres Hoheitsbereichs kein Schaden zugefügt wird. Nach Art. 5 CBD soll darüber hinaus jede Vertragspartei so weit wie möglich und zweckdienlich mit anderen Vertragsparteien in Bereichen gegenseitigen Interesses kooperieren, um die biologische Vielfalt zu erhalten und deren nachhaltige Nutzung zu sichern. Näherhin soll zur Umsetzung der oben genannten Ziele jede Vertragspartei so weit wie möglich und zweckdienlich für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der Biodiversität ökonomische und soziale Anreize schaffen (Art. 11 CBD).
  • In Art. 15 CBD wird das grundsätzliche Access and Benefit Sharing System (ABS-System) bezüglich der genetischen Ressourcen der Vertragsstaaten entworfen. Ausgehend vom souveränen Recht des Einzelstaates im Umgang mit seinen Ressourcen wird in Abs. 1 jedem Staat das Recht gewährt, durch seine Regierung im Rahmen der nationalen Gesetzgebung über die Zugangsgewährung zu genetischen Ressourcen zu entscheiden. Jede Vertragspartei hat sich gemäß Abs. 2 zu bemühen, Bedingungen zu schaffen, die den Zugang zum Zweck einer umweltverträglichen Nutzung der Ressourcen für andere Vertragsparteien erleichtern. Die Zugangsgewährung hat gemäß Art. 15 Abs. 4 CBD unter einvernehmlich festgelegten Bedingungen in Übereinstimmung mit den Voraussetzungen des Art. 15 CBD zu erfolgen: So verlangt etwa Art. 15 Abs. 5 CBD, dass der Zugang zu genetischen Ressourcen der vorherigen Zustimmung der Vertragspartei bedarf, die die Ressourcen zur Verfügung stellt, sofern die Vertragspartei nichts anderes bestimmt hat. Unter dem "Land, das genetische Ressourcen zur Verfügung stellt" ist gemäß Art. 2 CBD das Land zu verstehen, das genetische Ressourcen bereitstellt, die aus in-situ-Quellen gewonnen werden, einschließlich von Populationen wild lebender und domestizierter Arten, oder die aus ex-situ-Quellen gewonnen werden, unabhängig von dem Umstand, ob sie ihren Ursprung in diesem Land haben.
  • Nach Art. 15 Abs. 6 CBD soll jede Vertragspartei darauf hinwirken, Forschung auf der Grundlage genetischer Ressourcen unter voller Einbeziehung der Länder, die die Ressourcen zur Verfügung gestellt haben, zu entwickeln und durchzuführen. Gemäß Art. 15 Abs. 7 CBD hat jede Vertragspartei geeignete legislative, administrative und politische Maßnahmen mit dem Ziel zu ergreifen, die Forschungs- und Entwicklungsergebnisse sowie die Vorteile, die sich aus der kommerziellen und anderweitigen Nutzung der Ressourcen ergeben, gerecht mit der Vertragspartei zu teilen, die die Ressourcen zur Verfügung stellt. Die Aufteilung hat dabei unter einvernehmlich festgelegten Bedingungen zu erfolgen. Neben der Partizipation an den unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteilen der Nutzung biologischer Vielfalt sieht die CBD für die Ressourcen zur Verfügung stellenden Länder in Art. 16 CBD auch die Beteiligung an den Technologien vor, die für die Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt von Belang sind, oder die genetische Ressourcen nutzen, ohne der Umwelt erheblichen Schaden zuzufügen (Art. 16 Abs. 1 CBD).

Die Konvention selbst und die konkreten Pläne zu ihrer Umsetzung werden auf der im zweijährigen Turnus stattfindenden Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties, kurz: COP) weiterentwickelt. Meilensteine waren hier etwa das Cartagena-Protokoll von 2003 zur Frage der biologischen Sicherheit und das Nagoya-Protokoll von 2010 zum gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen. Die letzten drei Treffen fanden im Oktober 2012 in Hyderabad in Indien (COP 11) im Oktober 2014 in Pyeongchang, Südkorea (COP 12) und im Dezember 2016 in Cancun, Mexico (COP 13) statt.

Intergovernmental Science Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES)
Seit 2012 wird die Umsetzung der CBD durch eine zwischenstaatliche Plattform für Biodiversität und Ökosystemleistungen begleitet. Die Einrichtung der internationalen Plattform Intergovernmental Science Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES) wurde im Juni 2010 von der internationalen Gemeinschaft bei einer Regierungskonferenz in Busan (Südkorea) beschlossen. IPBES soll als Weltbiodiversitätsrat nach dem Vorbild des Weltklimarats IPCC der wissenschaftlichen Politikberatung dienen. Als zwischenstaatliches Gremium hat es die Aufgabe, wissenschaftliche Erkenntnisse über den Verlust von Biodiversität und Ökosystemleistungen politischen Entscheidungstragenden durch eine unabhängige und verlässliche Plattform zugänglich zu machen. Formal gegründet wurde IPBES am 21. April 2012 in Panama. Kurz darauf wurde die Ansiedlung des Sekretariats des IPBES in Bonn beschlossen. Die im IPBES vertretenen 139 Mitgliedsstaaten (Stand: Juni 2022) sind institutionell durch sogenannte „National Focal Points (NFP)“ mit der Dachorganisation verbunden, mittels derer sie ihre nationalen Vorgehensweisen und Vorschläge austauschen und koordinieren. Die Ergebnisse werden in Form von Berichten (sogenannten „Assessments“) dargestellt und anschließend an die Zuständigen im Bereich der Politik weitergegeben. Auf ihrer zweiten Vollversammlung im Dezember 2013 in Antalya (IPBES 2) verabschiedeten die IPBES-Mitgliedsstaaten das erste umfassende Arbeitsprogramm für den Zeitraum von 2014 bis 2018. Das zweite Arbeitsprogramm wurde während der siebten Plenarsitzung (IPBES 7) verabschiedet und ersetzt das bisherige als strategische Leitlinie bis 2030. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Weiterentwicklung und Anpassung des ersten Arbeitsprogramms, jedoch wurde eine flexibler ("rolling") und partizipativer Ansatz gewählt, um dem sich wandelnden Forschungs- und Informationsbedarf gerecht zu werden.

Europäische und nationale Ebene

Auch die Europäische Union ist seit 1994 eine Vertragspartei der Biodiversitätskonvention. Im Jahr 1998 wurde die EU-Biodiversitätsstrategie erlassen, 2006 folgte ein umfassender Aktionsplan zur Erhaltung der Biodiversität, der die bisherigen Teilstrategien verband. 2011 erließt die EU die Biodiversitätsstrategie 2020. Eng verbunden mit den Zielen der Biodiversitätskonvention ist die europäische Vogelschutzrichtlinie von 1979 und die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, die 1992 in Kraft trat; mit diesen Richtlinien sollen durch die Erklärung und Instandhaltung von Schutzgebieten in Europa bedrohte Zielarten in ihren Habitaten (in situ) erhalten werden.

Die Einzelstaaten haben sich mit der Ratifizierung des UNO-Abkommens zum Schutz der Biodiversität dazu verpflichtet, ihrerseits eine Strategie zu entwickeln, die den Schutz der Biodiversität gewährleistet und vorantreibt. In Deutschland gibt es seit November 2007 eine solche nationale Strategie, in der Schweiz seit April 2012. Im März 2015 hat auch in Frankreich die Nationalversammlung einen Gesetz verabschiedet, mit dem die Schaffung der französischen Agentur für Biodiversität und weitere Maßnahmen zum Erhalt der Biodiversität beschlossen wurden.

Ergänzende Rechtsquellen zum gerechten Vorteilsausgleich

FAO-Vertrag über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft
Am 29.06.2004 ist der "Internationale Vertrag zu pflanzengenetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft" der Organisation für Ernährung und Landwirtschaft der Vereinten Nationen (FAO) in Kraft getreten, der die Umsetzung der in der CBD festgeschriebenen Prinzipien zum Ziel hat. Kern des Vertrags sind die auf der ersten Konferenz der Vertragsstaaten im Juni 2006 festgelegten Regelungen über ein multilaterales Zugangssystem zu genetischen Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft und die Aufteilung der sich aus deren Nutzung ergebenden Vorteile sowie eine Finanzierungsstrategie. Die praktische Relevanz des Vertrags wird indes als gering eingeschätzt.

Andengemeinschaft
Die sogenannte Andengemeinschaft stellt ein wichtiges Beispiel für nationalen Zugang und gewinnteilende Regime dar. Sie hat in der "Cusco Declaration on Access to Genetic Ressources, Traditional Knowledge and Intellectual Property Rights of Like-Minded Megadiverse Countries" im Jahr 2002 Maßnahmen zum Aufbau eines eigenen ABS-Systems und zum Abgleich der nationalen Rechtsordnungen hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse an genetischen Ressourcen beschlossen. Auch in anderen Ländern gibt es mittlerweile Ansätze mit vergleichbarer Zielsetzung.

Individualvertragliche Regelungen
In den letzten Jahren ist vermehrt zu beobachten, dass der Aufbau von ABS-Systemen und der Abgleich der Eigentums- und Patentrechtsverhältnisse an biologischen Ressourcen weniger im Wege nationaler Gesetzgebung oder zwischenstaatlicher Abkommen, sondern häufiger jeweils im Einzelfall auf individualvertraglicher Ebene zwischen den die Ressourcen nutzenden Unternehmen der Privatwirtschaft und staatlichen oder privaten Einrichtungen des die Ressourcen zur Verfügung stellenden Landes geregelt wird. Ein prominentes Beispiel hierfür ist etwa der sogenannte "Merck-InBio-Vertrag" zwischen dem Unternehmen Merck & Company und dem "Institut für Biologische Vielfalt" (Instituto Nacional de Bioversidad, InBio) in Costa Rica.

Patentrecht
Problematisch gestaltet sich der Schutz der Biodiversität im Hinblick auf die nationalstaatlichen Regelungen des Patentrechts, denn sobald einer nutzenden Person einer Ressource ein Patent auf eine bestimmte Verwertung erteilt wurde, ist das Ursprungsland der Ressource im Rahmen des patentrechtlichen Schutzbereichs von der Nutzung ausgeschlossen. 

IV. Ethische Aspekte

Das Konzept der Biodiversität beinhaltet immer deskriptive Aspekte, in denen auf die mess- und beschreibbare Vielfalt z. B. der Arten eingegangen wird. Zugleich wird mit dem Begriff "Biodiversität" aber auch stets die schützenswerte Vielfalt der Natur bezeichnet, womit eine stark normative Konnotation einhergeht. Der Schutz der Biodiversität wird häufig als wertvolles Handlungsziel vorausgesetzt, kann aber unter philosophisch-ethischen Aspekten hinterfragt werden. Zur Diskussion steht dann, wie menschliches Verhalten zur nicht-menschlichen Natur begründet und welcher Wert der Natur beigemessen werden kann. Die moralische Debatte im Feld der Biodiversität bezieht sich damit vor allem auf den Gegenstand des Schutzanspruchs. Worin genau liegt der Wert von Biodiversität? Ist er nur instrumentell und damit im Nutzen für den Menschen zu verorten oder kommt der Natur oder einzelnen Bereichen ein intrinsischer Wert, ein Eigenwert zu?

Natur- und Umweltethische Ansätze

Natur- und umweltethische Argumentationen verlaufen häufig in verschieden Grundtypen, die sich in anthropozentrische, pathozentrische, biozentrische oder holistische Positionen einteilen lassen. Diese vier umweltethischen Ansätze unterscheiden sich hinsichtlich des Umfangs der Objekte, denen ein Eigenwert beigemessen wird und denen gegenüber somit direkte Schutzpflichten bestehen. Allen Ansätzen ist gemein, dass sie anthroporelational sind. Das bedeutet, dass sich der Wert, welcher der Natur zugesprochen wird, in Schutzansprüchen zeigt, die immer auf den Menschen bezogen sind: Nur der Mensch kann Adressat von Schutzpflichten sein, nur er ist fähig, diesbezüglich Handlungsregeln aufzustellen und Verantwortung zu übernehmen.

Anthropozentrismus
Anthropozentrische (nur den Menschen betreffende) umweltethische Theorien besagen, dass der Natur nur insofern ein Wert zukommt, als sie bedeutsam oder wertvoll für den Menschen ist. Damit wird ihr nur ein instrumenteller Wert zuteil, wohingegen intrinsische Werthaftigkeit, Eigenwert, dabei ausschließlich Menschen zukommt. Moralische Pflichten bestehen nur dem Menschen gegenüber, eine direkte Schutzpflicht gegenüber nicht-menschlichen Lebewesen besteht hingegen nicht. Wenn also aus anthropozentrischer Sicht zur Bewahrung der Biodiversität aufgerufen wird, dann nicht, weil der Natur ein Eigenwert zugeschrieben wird, sondern weil andere Menschen von diesen Handlungen betroffen sein können. Vor allem in Hinblick auf den tatsächlichen oder möglichen Nutzen von Biodiversität und die Frage, wer davon in welchem Maße profitiert, ist der Aspekt der Gerechtigkeit zentral in der ethischen Debatte.

Pathozentrismus
Aus pathozentrischer Sicht, kommt denjenigen Lebewesen ein Wert zu, die Schmerz empfinden können und die diesen durch beobachtbares Verhalten, wie etwa Zittern oder Fluchtbestreben, äußern können. Zumindest höher entwickelte Tiere und der Mensch genießen demnach einen Schutzanspruch. Ein Wert der Biodiversität ergibt sich aus pathozentrischen Überlegungen nur indirekt, insofern er aus dem direkten Wert leidensfähiger Organismen folgt. So darf etwa ein Ökosystem nicht zerstört werden, wenn darunter Menschenaffen leiden.

Biozentrismus
Weiter als beim Pathozentrismus geht die Schutzbegründung im Biozentrismus, da sich dieser auf sämtliche Lebewesen bezieht. Die menschliche Verantwortung erstreckt sich dann nicht nur auf Organismen, die von Interesse für den Menschen oder die leidensfähig sind, sondern auf alles Belebte. Dabei wird in der Begründung dieses Ansatzes häufig davon ausgegangen, dass jedes Lebewesen, ob bewusst oder unbewusst, ein "Interesse" am Weiterleben hat, das der Mensch nicht ohne Grund missachten darf.

Holismus
Im Holismus ist die Ganzheit der belebten sowie der unbelebten Natur Träger eines moralischen Eigenwertes. Nicht nur einzelne Lebewesen, sondern die Gesamtheit der Natur wie auch natürliche Systeme (etwa Ökosysteme oder ökologische Nischen) werden dabei berücksichtigt. Der Schutz des Menschen soll sich dieser Argumentation zufolge auf die gesamte Natur beziehen, nicht, weil bzw. insofern sie nützlich, schmerzempfindlich oder belebt ist, sondern einfach, weil sie existiert.

Zitiervorschlag

Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (2022): Im Blickpunkt: Biodiversität. URL https://www.drze.de/de/forschung-publikationen/im-blickpunkt/biodiversitaet [Zugriffsdatum]

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