Kontrollen in deutschen Transplantationszentren

Das Kontrollsystem im deutschen Transplantationswesen ist im Jahr 2012 ausgeweitet und verschärft worden. Ermöglicht wurde dies durch eine Änderung des Gesetzes über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen und Geweben (TPG), die der Deutsche Bundestag im Juli 2012 beschlossen hat. Die Gesetzesreform hat unter anderem die Kontrollmöglichkeiten der unabhängigen Prüf- und Überwachungskommission von Bundesärztekammer, Deutscher Krankenhausgesellschaft und Spitzenverband der gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen (GKV) neu gestaltet. Kontrollen in Transplantationskliniken sind seitdem nicht nur anlassbezogen, sondern auch verdachtsunabhängig möglich. Künftig sollen alle Transplantationszentren in Deutschland mindestens einmal in einem Zeitraum von 36 Monaten vor Ort überprüft werden. Die Ergebnisse werden von der Prüf- und Überwachungskommission beraten und in einem Kommissionsbericht verabschiedet. 

Anlass für die Verschärfung des Kontrollsystems war im Jahr 2012 das Bekanntwerden von Manipulationen bei der Vergabe von Spenderorganen. Medizinischem Fachpersonal von vier deutschen Lebertransplantationszentren wurde vorgeworfen, Krankenakten manipuliert zu haben, um eine Bevorzugung von Personen in ihrer medizinischen Behandlung bei der Vergabe von Organspenden zu erreichen. Die Prüf- und Überwachungskommission hat daraufhin in allen 24 Lebertransplantationsprogrammen die Lebertransplantationen der Jahre 2010 und 2011 überprüft und im September 2013 ihren Kommissionsbericht vorgelegt. In den Transplantationszentren in Göttingen, Leipzig, München rechts der Isar und Münster stellten die Prüfenden „schwerwiegende Richtlinienverstöße unterschiedlicher Ausprägungen“ fest, die eindeutige Anhaltspunkte für „systematische und bewusste Falschangaben zur Bevorzugung bestimmter Patienten bei der Organvergabe“ lieferten. Die Falschangaben betrafen zum Beispiel Laborwerte oder Angaben zur Notwendigkeit von Dialysen. In den Kliniken in Münster, Leipzig und München rechts der Isar nahmen die jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften Ermittlungen auf.

Anfang Mai 2015 endete der Prozess gegen den ehemaligen Leiter der Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Göttingen mit einem Freispruch in allen Anklagepunkten. Ihm war versuchter Totschlag in elf Fällen vorgeworfen worden, da er durch Manipulation der Krankenakten billigend in Kauf genommen habe, dass andere lebensbedrohlich erkrankte Personen kein Spenderorgan erhielten und deshalb möglicherweise starben. Außerdem war er wegen Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen angeklagt worden. Das Gericht begründete den Freispruch damit, dass alle Verstöße zum Tatzeitpunkt nicht strafbar gewesen seien. Es missbilligte zwar die moralische Haltung des Arztes, ein strafrechtliches Vergehen habe jedoch nicht vorgelegen. Die zuständige Staatsanwaltschaft Braunschweig, die eine Haftstrafe von acht Jahren und ein Berufsverbot gefordert hatte, hat Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt. Dieser bestätigte den Freispruch am 28. Juni 2017.

Auf das Bekanntwerden der Manipulationsfälle wird ein Rückgang der Organspende-Bereitschaft in Deutschland zurückgeführt. Im ersten Halbjahr 2013 haben nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation 459 Menschen nach ihrem Tod Organe gespendet. In den Vorjahren lagen die Zahlen im gleichen Zeitraum zwischen 548 und 667. 

Statistik der Deutschen Stiftung Organtransplantation: Online Version

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