Studien zur Verbreitung des kognitiven Enhancements

Bereits eine 2011 veröffentlichte Studie von Forschenden des Universitätsklinikums Mainz untersuchte den Umgang von Studierendn und erwachsenen Schulbesuchenden mit Stimulanzien zur kognitiven Leistungssteigerung. Dabei stellte sich unter anderem heraus, dass die Umfrageteilnehmenden häufiger auf illegale Stimulanzien wie Amphetamine oder Kokain als auf verschreibungspflichtige Psychopharmaka zurückgreifen, um ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern (hedonistische Nutzungsmotive wurden durch die Fragestellung sorgfältig ausgeschlossen). So gaben lediglich 0,2 % der Studierenden an, während des Jahres vor der Befragung Medikamente mit Methylphenidat oder Modafinil zum Zweck des kognitiven Enhancements eingenommen zu haben, während fast ein Prozent illegale Stimulanzien konsumiert hatte.

Franke, A. / Bonertz, C. / Christmann, M. / Huss, M. / Fellgiebel, A. / Hildt, E. / Lieb, K. (2011): Non-Medical Use of Prescription Stimulants and Illicit Use of Stimulants for Cognitive Enhancement in Pupils and Students in Germany. In: Pharmacopsychiatry 44 (2), 60–66. doi:10.1055/s-0030-1268417. Online Version (Englisch)

Robert Koch-Institut (2012): Pharmakologisches Neuroenhancement. Online Version

Mit einer ähnlichen entworfenen Umfrage, aber unter Anwendung der Randomized Response Technique (vgl. Modul Randomized Response Technique) zur Gewährleistung maximaler Anonymität, stellte ein anderes Team aus Mainzer Forschenden 2013 fest, dass 20 % der befragten Studierenden im vergangenen Jahr verschreibungspflichtige oder illegale Stimulanzien zum Zweck der kognitiven Leistungssteigerung genommen hatten. Gegenwärtig lässt sich nicht sagen, wie groß der Einfluss des Umfrageverfahrens auf diese dramatisch höhere Einschätzung der Verbreitung des kognitiven Enhancements unter deutschen Studierenden ist. Außer mit einer Verringerung der Dunkelziffer könnte der Unterschied zu älteren Umfragen auch mit der zwischenzeitlich gestiegenen Bereitschaft zum Neuroenhancement zu erklären sein. Weiterhin dürfte der viel höhere Anteil der Studierenden, die sich zum kognitiven Enhancement bekennen, zum Teil darauf zurückzuführen sein, dass in der neuen Studie nun auch Koffeintabletten als Enhancement-Präparate betrachtet werden.  

Dietz, P. / Striegel, H. / Franke, A. / Lieb, K. / Simon, P. / Ulrich, R. (2013): Randomized Response Estimates for the 12-Month Prevalence of Cognitive-Enhancing Drug Use in University Students. In: Pharmacotherapy 33 (1), 44–50. doi:10.1002/phar.1166. Online Version (Englisch)

Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse DAK hat eine erstmals 2008 durchgeführte Umfrage unter ihren Mitgliedern zum Thema „Doping am Arbeitsplatz“ im Jahr 2014 und 2018/2019 mit nahezu identischer Methodik wiederholt. Die Befragung konzentrierte sich auf pharmakologisches Neuroenhancement, wobei gezielt nur nach verschreibungspflichtigen Medikamenten gefragt und neben dem Zweck der kognitiven Leistungssteigerung auch das Interesse an Befindlichkeitsverbesserung berücksichtigt wurde. Während im Jahr 2008 4,7 % der befragten Arbeitnehmenden angegeben hatten, schon wenigstens einmal im Leben pharmakologisches Neuroenhancement in diesem Sinn erprobt zu haben, war der Anteil im Jahr 2014 auf 6,7 % gestiegen, 2018/2019 jedoch wieder auf 5,5 % leicht gesunken. Der Anteil regelmäßig Dopender am Arbeitsplatz blieb von 2008 bis 2018/2019 konstant bei knapp 2 %.

DAK-Gesundheitsreport (2015) Online Version

DAK (2020): Update: Doping am Arbeitsplatz. Online Version

Eine 2012 erschienene Studie „Formen der Stresskompensation und Leistungssteigerung bei Studierenden“ bezieht sich auf die im Rahmen einer Online-Befragung von knapp 8.000 Studierenden erhobenen Angaben. Die Einladung zur Umfrage war an die gut 33.000 Teilnehmenden des repräsentativen HISBUS-Panels geschickt worden. Da die Verfassenden der Studie zu den Zwecken des Hirndopings neben der Leistungssteigerung auch die Stresskompensation zählen, ist es nicht unpassend, dass sie auch Cannabis-Konsumierende zu den Hirndopenden rechnen, selbst wenn Cannabis sicher nicht die Droge der Wahl für kognitive Leistungssteigerung ist. Die Einbeziehung von Cannabis treibt jedoch den Anteil der Studierenden, die von der Studie als Hirndopende eingeschätzt werden, deutlich in die Höhe, da von den 5 % der Hirndopenden fast ein Viertel Cannabis-Produkte konsumiert hatten, während Methylphenidat als häufigster pharmakologischer Wirkstoff von nur 18 % eingenommen worden war. Ebenfalls 5 % der Studierenden werden von der HISBUS-Umfrage als „Soft-Enhancende“ klassifiziert, die für Zwecke der Leistungssteigerung während ihres Studiums mindestens einmal auf pflanzliche bzw. homöopathische Substanzen, Vitaminpräparate oder Koffein zurückgegriffen haben. Immerhin 88 % der Studierenden haben der Studie zufolge noch nie besondere Substanzen eingenommen, um die Anforderungen des Studiums zu bewältigen. 

Middendorff, E. / Poskowsky, J. / Isserstedt, W. (2012): Formen der Stresskompensation und Leistungssteigerung bei Studierenden. HISBUS-Befragung zur Verbreitung und zu Mustern von Hirndoping und Medikamentenmissbrauch. In: HIS: Forum Hochschule. Online Version

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