Urteil des Bundesgerichtshofs vom 25. Juni 2010 (2 StR 454/09)

Hintergrund des Urteils war die am 30. April 2009 getroffene Entscheidung des Landgerichts Fulda, den Anwalt P. der Beihilfe zum Totschlag schuldig zu sprechen. Tochter und Sohn der bereits seit fünf Jahren im Wachkoma liegenden Patientin bemühten sich dem ursprünglichen – von der Mutter mündlich geäußerten – Willen auf Abbruch einer Behandlung für den Fall einer solchen vorliegenden irreversiblen Situation zu entsprechen und drängten auf eine Einstellung der künstlichen Ernährung über eine PEG-Sonde.
Als es zu einem Kompromiss mit der Heimleitung kam und die Ernährung zunächst eingestellt, auf Verlangen der Geschäftsleitung des Gesamtunternehmens gegen den Willen der Angehörigen aber wieder aufgenommen wurde, riet der Anwalt zum eigenmächtigen Durchtrennen des Nahrungsschlauchs. Diesem Rat folgten die Geschwister.
Die Heimleitung veranlasste daraufhin die Verlegung der Patientin in ein Krankenhaus, in welchem die Ernährung wieder fortgesetzt wurde. Die Frau starb wenige Tage darauf allerdings eines natürlichen Todes. 

Der Auffassung des Landgerichtes, dass das beratschlagende Verhalten des Anwaltes der Beihilfe zum Totschlag gleichkomme, schloss sich der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs mit seinem Urteil vom 25. Juni 2010 nicht an. Auf der Grundlage des 2009 erlassenen "Patientenverfügungsgesetzes" urteilten die Rechtsprechenden, dass das von der Patientin verfügte Einstellen der Behandlung unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung geschehen müsse. Die Wiederaufnahme der künstlichen Ernährung gegen den ursprünglichen Willen der Frau werteten sie als einen Angriff der Heimleitung auf das Selbstbestimmungsrecht der Patientin. Auch ein "aktives Tun", wie es das Durchtrennen des Nahrungsschlauchs darstelle, sei in der gegebenen Situation erlaubt.

Das Urteil gilt als Durchbruch für die Stärkung des Patient*innenwillens und sorgt für Klarheit in der Rechtsprechung.

Urteil des Bundesgerichtshofs (2 StR 454/09) vom 25. Juni 2010. Online Version

Pressestelle des Bundesgerichtshof (2010): Abbruch lebenserhaltender Behandlung auf der Grundlage des Patientenwillens ist nicht strafbar. Mitteilung der Pressestelle Nr. 129/2010. Urteil vom 25. Juni 2010 – 2 StR 454/09. Online Version

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