Ethische Aspekte der Energiegewinnung aus Biomasse

Die Energiegewinnung aus Biomasse bezeichnet eine Reihe von Verfahren in denen aus Energiepflanzen wie etwa Mais oder Zuckerrohr bzw. auch Abfällen und Nebenprodukten wie Biomüll oder Stroh nutzbare Energie gewonnen werden kann. Der Prozess gliedert sich dabei grundlegend in folgende Schritte:

  1. Produktion: Zunächst muss die umzuwandelnde Biomasse gewonnen werden. Je nach Verfahren können hierfür entweder gezielt Kulturen zum Anbau von Energiepflanzen angelegt oder neue Lieferketten zur Abschöpfung vorhandener Rohstoffe eingerichtet werden.
  2. Bereitstellung: Bei der Bereitstellung wird sich in s.g. Bioraffinerien unterschiedlicher Verfahren bedient, um energetisch hochwertige Endprodukte zu erhalten.
  3. Nutzung/Verwertung: Die festen, flüssigen oder gasförmigen Endprodukte der Raffination werden in entsprechenden Kraftwerken in Nutzenergie umgewandelt oder als (anteilig beigemischte) Kraftstoffe direkt an Endverbrauchende weitergegeben.
  4. Entsorgung der Abfälle der Energieerzeugung

Ethisch relevante Aspekte können dabei entlang des gesamten Prozesses identifiziert werden und haben überwiegend eine umwelt- und sozialethische Dimension. Während sich von der energetischen Nutzung von Biomasse versprochen wird Energie emissionsärmer und unabhängiger von internationalen Beziehungen zu produzieren, ergeben sich aus gängigen Praktiken im Bereitstellungsprozess neue Problematiken. Häufig adressiert wurde v.a. die aufkommende Flächenkonkurrenz für agrarische Nutzflächen (Tank vs. Teller). Für die Gewinnung großer Mengen an Biomasse wird entweder die Erschließung zusätzlicher Anbauflächen erforderlich oder vorhandene, bisher zur Nahrungsproduktion genutzte, Flächen müssen zukünftig umfunktioniert werden. Damit verbunden ist also auf der einen Seite ein zusätzlicher Verlust unkultivierter und biodiverser Wildnisbereiche, der häufig die ökologische und klimatische Gesamtbilanz der Biomassenutzung ins Negative verkehrt. Auf der anderen Seite erscheint der Anbau von Energiepflanzen häufig lukrativer, was zu Ernährungsengpässen in den Anbauregionen führen kann und soziale Ungleichheiten verschärft. In einigen Fällen werden zur Nahrungsproduktion anderorts neue Flächen erschlossen, um die Biomasse bedingten Ausfall zu kompensieren, wodurch die Biomasseproduktion indirekt ebenfalls erneut zum Verlust von Wäldern und Biodiversität beiträgt (indirect land use change). Neben den zu geringen Ökostandards wird ebenfalls kritisiert, dass v.a. die Produktionsphase der Biomasse häufig unter ausbeuterischen Arbeitsbedingungen stattfindet, Arbeitende nicht angemessen entlohnt werden und sich durch den Anbau ergebende negative Umweltfolgen in den Globalen Süden ausgelagert werden, während die Energie in erster Linie im Globalen Norden genutzt werden kann. Dem entgegen wird sich von der Energiegewinnung aus Biomasse versprochen einen positiven Beitrag zum wirtschaftlichen Fortschritt in den Anbauregionen zu leisten, da es sich um eine potenziell dauerhaft verfügbare und verhältnismäßig günstige Energiequelle handelt. Insgesamt wird kritisiert, dass der Gesamtprozess der Energiegewinnung wenig reguliert ist – ökologische wie soziale Standards gleichermaßen betreffend.

Für weitere Informationen siehe etwa:

Kaltschmitt, M. / Hartmann, H. / Hofbauer, H. (Hg.) (2016): Energie aus Biomasse. Grundlagen, Techniken und Verfahren. Berlin/Heidelberg: Springer Vieweg.

Nuffield Council on Bioethics (2011): Biofuels: ethical issues. A guide to the report. Online Version (Englisch)

Tait, J. (2011): The ethics of biofuels. In GCB Bioenergy 3, 271–275. Online Version (Englisch)

Zichy, M. / Dürnberger, C. / Formowitz, B. / Uhl, A. (2014): Energie aus Biomasse – ein ethisches Diskussionsmodell. Wiesbaden: Springer.

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