Geklonte Nutztiere

Unter einem geklonten Nutztier wird ein Lebewesen verstanden, das auf natürlichem Wege von einem Muttertier ausgetragen wurde, dessen Befruchtung aber in-vitro stattfand. Die Besonderheit hierbei ist, dass das klonierte Tier ein nahezu oder aber völlig identisches Erbgut mit dem zuvor ausgewählten Spenderindividuum hat. Dessen Genom wird entnommen und in eine leere, unbefruchtete Eizelle eingebracht. Handelt es sich dabei um eine Eizelle von dem Muttertier, von dem bereits das Spenderindividuum stammt, ist das Erbgut identisch. Im abweichenden Fall unterscheidet sich das Erbgut nur im Hinblick auf die Mitochondrien der Eizelle. Durch biotechnologische Verfahren werden die beiden Komponenten verschmolzen und aktiviert, sodass im Ergebnis nach Einsetzen der nunmehr befruchteten Eizelle ein „Zwilling“ des Spendertieres auswachsen kann. Ein reproduktiv geklontes Tier wird nicht als gentechnisch veränderter Organismus (GVO) deklariert, da bei seiner Herstellung nicht auf die Verfahren der Gentechnik zurückgegriffen wird. 

Da das Klonieren von Nutztieren derzeit noch sehr teuer ist, werden klonierte Tiere nicht einfach für den Verzehr genutzt. Sie finden lediglich Anwendung als besonders wertvolle Zuchttiere, deren Eigenschaften durch die Verwendung ihrer Keimzellen auf möglichst viele Nachkommen verteilt werden sollen.

Es wird seit Jahren diskutiert, ob Nachkommen geklonter Zuchttiere gesondert gekennzeichnet werden müssen, ob sie überhaupt frei verkäuflich sein sollten und ob beim Verzehr solcher Tiere irgendeine Art von Gefährdung entstehen könnte. Die Art der Debatte und das öffentliche Meinungsbild sind hierbei teilweise sehr analog zur Kontroverse um GVO.

Mittlerweile sind eine Reihe von Wissenschaftsorganisationen und Regulierungsbehörden unter Berufung auf entsprechende Sicherheitsstudien zu dem Schluss gelangt, dass der Verzehr von Lebensmitteln, die aus Tierklonen und deren Nachkommen stammen, gesundheitlich unbedenklich ist. In den USA veröffentlichte im Jahr 2004 zunächst ein Komitee der National Academy of Sciences Empfehlungen für Studien zur Risikoabschätzung in diesem Bereich. Vier Jahre später kam die amerikanische Zulassungsbehörde Food and Drug Administration (FDA) in einer Auswertung entsprechender Untersuchungen zu dem Ergebnis, dass Lebensmittel, die von geklonten Rindern, Schweinen oder Ziegen gewonnen werden, hinsichtlich ihrer Zusammensetzung ununterscheidbar seien von tierischen Produkten aus konventioneller Zucht und dass ihr Konsum folglich keine besonderen Risiken berge. Auch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (engl.: European Food Safety Authority, EFSA) hat sich in den letzten Jahren mehrfach mit diesem Thema befasst und bestätigt in ihrer jüngsten Stellungnahme vom Juli 2012, dass Lebensmittel wie Fleisch und Milch von gesunden geklonten Tieren keine besonderen Gesundheitsrisiken für Menschen mit sich bringen.

Auch wenn die gesundheitliche Unbedenklichkeit von Lebensmitteln, die von geklonten Nutztieren gewonnen werden, wissenschaftlich gut belegt scheint, werden andere ethische Bedenken bezüglich der Vertretbarkeit der Verwendung von Tierklonen zur Nahrungsmittelproduktion angemeldet. So hält die EFSA die Klonierung von Tieren aus Tierschutzgründen für problematisch, insbesondere weil die Klontechnologie mit erheblichen Gesundheitsrisiken für die Tierklone – besonders in frühen Entwicklungsphasen vor und nach der Geburt – verbunden sei. Ähnliche Schlüsse zog die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologien (EGE) in einem 2008 vorgelegten Gutachten. Die Fachkundigen sehen in Anbetracht des Leidens und der Gesundheitsprobleme sowohl von Ersatzmuttertieren als auch von Tierklonen keine überzeugenden Argumente, welche die Produktion von Lebensmitteln mithilfe geklonter Tiere oder ihrer Nachkommen rechtfertigen würden.

Im Rahmen des EU-Rechts gelten Lebensmittel aus geklonten Tieren als „neuartige Lebensmittel“, die bisher gemäß der Verordnung EG Nr. 258/97 zulassungspflichtig waren. Nach einer gescheiterten Gesetzesinitiative aus dem Jahr 2008, mit der u. a. das Klonen von Nutztieren generell verboten werden sollte, passierte 2015 die EU-Verordnung 2015/2283 das Gesetzgebungsverfahren. Ebenso wie nach der bisherigen Verordnung sind damit Lebensmittel, die von geklonten Nutztieren gewonnen wurden, weiterhin zulassungs- und kennzeichnungspflichtig. Da bislang kein Antrag auf Zulassung eines entsprechenden Lebensmittels gestellt wurde, dürfen von Klontieren gewonnene Lebensmittel derzeit faktisch in der EU nicht verkauft werden. 

Bezüglich der Fragen, ob das Klonen von Nutztieren allgemein gesetzlich verboten werden sollte, wie eine Kennzeichnung von Nachfahren von Klontieren sowie von aus Drittländern importierten Lebensmitteln gestaltet werden sollte, die aus geklonten Nutztieren gewonnen wurden, konnten sich die EU-Mitgliedsstaaten bisher nicht einigen.

Stellungnahme einer Arbeitsgruppe der National Academy of Sciences (2004). Das 13. Kapitel ist geklonten Tieren gewidmet. Online Version (Englisch)

Risikoabschätzung der U.S. Food and Drug Administration (FDA) zum Klonen von Tieren (2008) Online Version (Englisch)

Stellungnahme der Europäischen Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologien zu ethischen Aspekten der Lebensmittelversorgung mit geklonten Tieren (2008). Online Version (Englisch)

Die jüngste Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zum Klonen von Tieren (2012) Online Version (Englisch)

Deutschsprachige Informationsseite der EFSA zum Klonen von Tieren Online Version

Pressemitteilung des Europäischen Parlaments über die Ergebnisse der Abstimmung vom 08.09.2015 Online Version

Verbraucherinformation der Europäischen Union zum Thema „Lebensmittelsicherheit“ Online Version

Verordnung (EU) 2015/2283 über neuartige Lebensmittel vom 25. November 2015 Online Version

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