Gen-Mais MON810

MON810 bezeichnet eine von dem Saatgutkonzern Monsanto entwickelte gentechnisch veränderte Maissorte, die aufgrund dieser gentechnischen Veränderung anders als unveränderter Mais resistent gegen bestimmte Schädlinge ist. In das Erbgut des Maises werden im Labor Gene des Bodenbakteriums Bacillus thuringiensis (Bt) eingesetzt, dank denen die Pflanze Proteine ausbildet, die für den Maiszünsler (eine Schmetterlingsart, dessen Raupen nach Schätzung der Food and Agriculture Organization of the United Nations [FAO] in jedem Jahr ca. 4 % der jährlichen Maisernte vernichten) giftig sind. Während MON810 keine weiteren Fremdgene enthält, weisen die meisten der später entwickelten GV-Maissorten zusätzliche Resistenzen gegen andere Schadinsekten oder gegen Herbizide auf. MON810 wurde am 22. April 1998 durch Beschluss der EU-Kommission zugelassen. 

EU-Kommission: Beschluss über die Zulassung von MON810 vom 22. April 1998 Online Version

Nationale Anbauverbote

Im April 2007 veranlassten neue Forschungsergebnisse, nach denen das verwendete Bt-Toxin stärkere Umweltschäden als bis dahin vermutet verursachen kann, ein bundesweites Vertriebsverbot von MON810 durch das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Nachdem Monsanto im Dezember 2007 der Aufforderung nachkam, einen Plan zur Überwachung möglicher Umweltauswirkungen vorzulegen, durfte die Maissorte in Deutschland vorübergehend wieder angebaut werden.

Bescheid zur Beschränkung des Inverkehrbringens gentechnisch veränderter Organismen nach dem Gentechnikgesetz des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) vom 27. April 2007, 6788-02-13 (C/F/95/12-02) Online Version

Am 14. September 2009 verhängte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner ein bis heute gültiges Anbauverbot für MON810 in Deutschland. Sie berief sich dabei auf Artikel 23 der Freisetzungsrichtlinie 2001/18/EG, nach welcher der Anbau eines GVOs in einem Mitgliedsstaat nur dann vorübergehend eingeschränkt oder verboten werden darf, wenn „auf der Grundlage neuer oder zusätzlicher wissenschaftlicher Erkenntnisse berechtigte[r] Grund zu der Annahme [besteht], dass ein GVO als Produkt oder in einem Produkt [...] eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt.“

Die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, auf die sich das Anbauverbot stützt, wurden unter anderem von Forschungsgruppen um Thomas Bohn und Angelika Hilbeck geliefert. So kam eine Studie von Bohn zu dem Ergebnis, dass Wasserflöhe, die mit aus MON810 hergestelltem Mehl gefüttert werden, früher sterben und weniger Nachwuchs bekommen. Hilbecks Studie deckte auf, dass Larven des 2-Punkt-Marienkäfers vermehrt sterben, wenn ihnen Eier verfüttert werden, auf welche das Schmetterlingsgift gesprüht wurde, das auch in MON810 enthalten ist.

Kritisierende gehen indes davon aus, dass die Studien aus wissenschaftlicher Sicht kein Verbot rechtfertigen. Gerade die Untersuchung zu den 2-Punkt-Marienkäfern weise erhebliche methodische Mängel auf, weshalb der Schluss, der Anbau von MON810 könne für Marienkäfer gefährlich werden, unzulässig sei. Da sich Wasserflöhe in der Natur von Algen und eben nicht von Maismehl ernähren, sei die Studie von Bohn und seinen Kollegen ohnehin wertlos.

Bescheid der Abteilung Gentechnik des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit über das Verbot von MON 810 in Deutschland vom 17. April 2009 Online Version

Richtlinie 2001/18/EG Online Version

Bohn, T. / Primicerio, R. / Hessen, D. O. / Traavik, Te (2008): Reduced Fitness of Daphnia magna Fed a Bt-Transgenic Maize Variety. In: Archives of Environmental Contamination and Toxicology. 55 (4), 584–592. Online Version (Englisch)

Schmidt, J. E. / Braun, C. U. / Whitehouse, L. P. / Hilbeck, A. (2009): Effects of Activated Bt Transgene Products (Cry1Ab, Cry3Bb) on Immature Stages of the Ladybird Adalia Bipunctata in Laboratory Ecotoxicity Testing. In: Archives of Environmental Contamination and Toxicology. 56 (2):221–228. Online Version (Englisch)

Ein Eilantrag, den der US-Saatgutkonzern Monsanto gegen das von der Bundesregierung ausgesprochene Anbauverbot für MON810 stellte, wurde am 05. Mai 2009 vom Verwaltungsgericht Braunschweig abgelehnt. In der Begründung heben die Rechtsprechenden hervor, dass nach vorläufiger Prüfung eine Gefahrenlage besteht, wie sie das Gentechnikgesetz für ein solches Verbot verlangt. Dazu müssten keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vorliegen, aus denen zweifelsfrei Gefahren für die Umwelt herzuleiten sind. Es genüge, wenn sich aus neuen oder zusätzlichen Informationen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Menschen oder Tiere geschädigt werden können. Auch wenn es keine gesicherten Erkenntnisse darüber gebe, dass der Genmais zu erhöhten Gefahren für die Umwelt führe, deuteten neuere Untersuchungen darauf hin, dass der im Genmais produzierte Giftstoff nicht nur gegen den Schädling wirkt, der damit bekämpft werden soll, sondern auch gegen weitere Insekten. Außerdem sei nach aktuellen Studien davon auszugehen, dass sich die Genmais-Pollen deutlich weiter verbreiten können, als dies bisher angenommen wurde.

Das nationale Anbauverbot für MON810 wurde kontrovers diskutiert. Während Umweltverbände weitere Verbote fordern, veröffentlichten große Wissenschaftsorganisationen 2009 eine gemeinsame Erklärung, in der sie sich entschieden gegen pauschale Verbote gentechnischer Erzeugnisse wenden. Sie fordern die Politik auf, für eine Versachlichung der Diskussion zu sorgen und verlässliche Rahmenbedingungen für die Forschung und wissenschaftliche Begleitung der künftigen Nutzung der Grünen Gentechnik zu schaffen.

Ebenso wie in Deutschland ist der Anbau von MON810 in Frankreich, Österreich, Griechenland, Luxemburg und Ungarn verboten. Zwar hat die EU-Kommission 2009 den Versuch unternommen, die Verbote in Österreich und Ungarn aufzuheben, konnte sich damit allerdings nicht gegen die EU-Umweltminister*innen durchsetzen.

Einführung einer Ausstiegsklausel

Am 12. Juni 2014 hat der EU-Ministerrat in Luxemburg der Schaffung einer Ausstiegsklausel zugestimmt, nach welcher der Anbau von gentechnisch veränderten Lebensmitteln auf nationaler Ebene verboten werden kann. Zuvor mussten die EU-Staaten neue wissenschaftliche Belege für die Risiken bestimmter gentechnisch veränderter Lebensmittel vorbringen, um deren Verbot auf nationaler Ebene durchzusetzen.

Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Braunschweig zum Eilantrag des Saatgutkonzerns Monsanto gegen das Anbauverbot von MON810 Online Version

Gemeinsame Erklärung der Wissenschaftsorganisationen zur Grünen Gentechnik Online Version

TransGEN (2014) Anbau von Gentechnik-Pflanzen: Fast alle wollen die Ausstiegsklausel – Deutschland zögert noch. Online Version

Die Ausstiegsklausel wurde am 13. März 2015 durch die EU-Richtlinie 2015/412 erlassen, welche die Richtlinie 2001/18/EG um ein „Opt-out-Verfahren“ ergänzt. Dadurch entsteht die Möglichkeit, aus dem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen auszusteigen. In einem zweiphasigen Verfahren können die Mitgliedsstaaten ein generelles Anbauverbot von GVO auf ihrem Hoheitsgebiet beantragen oder aber bei bereits erfolgter Zulassung die Rücknahme oder Einschränkung der Anbaugenehmigung einer GVO-Art auf ihrem Hoheitsgebiet erwirken.

Bezüglich MON810 mussten die Staaten bei Monsanto die Aufhebung der Zulassung des Anbaus auf ihrem Hoheitsgebiet beantragen. Neben Deutschland beantragten dies u. a. Frankreich, Österreich, die Niederlande, Belgien und Italien. Nachdem Monsanto in einer dafür vorgesehen Frist keinen Widerspruch einlegte, erließ die Europäische Kommission mit dem Durchführungsbeschluss 2016/321 vom 3. März 2016 das Verbot des Anbaus von MON810 auf diesen Gebieten.

Ergänzend wird zurzeit diskutiert, ob der Anbau von MON810 übergreifend auf EU-Ebene genehmigt werden sollte. Die Mitgliedsstaaten konnten sich hierzu bisher nicht einigen. Die im Zuge des Opt-out-Verfahrens beschlossenen nationalen Anbauverbote blieben auch bei einer EU-weiten Genehmigung gültig. In Deutschland wird gegenwärtig debattiert, wie das erwirkte Anbauverbot in nationales Recht umgesetzt werden sollte. Gegenstand der Auseinandersetzung ist eine Änderung des Gentechnikgesetzes, mit der die bisher alleinige Zuständigkeit der Bundesländer für Anbauverbote auch auf den Bund ausgeweitet werden könnte. Der Bundesrat hat im November 2015 einen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gentechnikgesetzes vorgelegt, mithilfe dessen diese Art von bundesweitem Anbauverbot ermöglicht werden soll. Die Annahme dieses Entwurfs scheiterte im Mai 2017, da sich Bundesrat und Bundesregierung nicht zu Änderungsvorschlägen einigen konnten. Gruppen von Fachgrößen sowie Umweltverbände kritisieren den Entwurf ergänzend hinsichtlich seiner Wirkung.

Gesetzentwurf zum Gentechnik-Anbauverbot gescheitert. In: Reuters (18. Mai 2017) Online Version

Der abgelehnte Gesetzentwurf kann hier abgerufen werden: Drucksache 18/10459. Online Version 

Anhörung des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft des Bundestages vom 16.01.2017: „Experten kritisieren Gentechnikgesetz der Bundesregierung“ Online Version 

Pressemitteilung des Deutschen Bundestages vom 26.01.2017: „Gentechnikgesetz enttäuscht Bundesrat“ Online Version 

Überblick zur EU-Gesetzgebung bezüglich GV Lebensmittel und Pflanzen: Online Version

EU Richtlinie 2015/412: Online Version

EU Durchführungsbeschluss 2016/321: Online Version

Jäger, K. (2017): Wieder Genmais auf EU-Äckern? In: Deutsche Welle (27.01.2017) Online Version

Weiterführende Darstellungen der gesetzlichen Grundlagen der Gentechnik und des Opt-out-Mechanismus finden sich hier: 

Bundesamt für Naturschutz (BfN): Gesetzliche Bestimmungen zur Gentechnik: Online Version

Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) (2019): Das deutsche Gentechnikrecht: Online Version

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