„Off-label” und „off-licence”

In verschiedenen empirischen Studien ist die Verbreitung des „off-label” bzw. „off-licence” Einsatzes von Medikamenten in der Pädiatrie untersucht worden.

In einer Meta-Studie haben Pandolfini und Bonati 30 Studien aus den Jahren 1985 bis 2004 zum Thema „off-label” Einsatz von verordneten Arzneimitteln bei Kindern ausgewertet. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Verschreibungsraten zwischen 11 % und 80 % rangieren, wobei ein „off-label” Einsatz bei jüngeren Kindern häufiger zu beobachten ist als bei älteren und in Krankenhäusern mehr „off-label” Verschreibungen vorgenommen werden als von niedergelassenem ärztlichem Fachpersonal.

Eine im Jahr 2009 veröffentlichte Studie von Mühlbauer et al. untersucht die Verschreibungspraxis speziell in Deutschland. Die hierzu von den Gmüder Ersatzkassen hinzugezogenen Daten aus dem Jahr 2002 belegen, dass von den 1 429 981 an Kinder und Jugendliche (0 bis 16 Jahre) ausgegebenen Arzneimittelpackungen 3,2 % „off-label” und 9,4 % gar keinen feststellbaren Zulassungsstatus besaßen. Diese zunächst niedrig wirkenden Zahlen relativieren sich allerdings, wenn der Fokus nicht auf die Anzahl der Arzneimittelpackungen, sondern auf die Wirkstoffe verlegt wird. Lediglich 66,1 % der medizinischen Wirkstoffe erhielten die zu behandelnden Personen zulassungskonform. Von den nicht zulassungskonformen Verschreibungen wurden 15,7 % aller Wirkstoffe als  „off-label” und 18,2 % ohne feststellbaren Zulassungsstatus klassifiziert.
Auch in dieser Studie heißt es, dass von dem Defizit vor allem Neugeborene und Säuglinge betroffen sind – ab dem Kleinkindalter würde wieder vermehrt zulassungskonform verschrieben.

Das angesprochene Defizit für Neugeborene und Säuglinge nimmt eine 2009 veröffentlichte Studie aus Österreich näher in den Blick. Eine Untersuchung auf der neonatologischen Intensivstation bestätigt, dass während der analysierten drei Monate nur 49 % aller verschriebenen Medikamente eine offizielle Zulassung trugen. 33 % der Medikamente wurden „off-label”, 18 % „off-licence” angewendet.

Die Leopoldina weist unter Bezugnahme des „off-label” Gebrauchs daraufhin, dass es notwendig ist, eine neue Infrastruktur zur Erforschung von Medikamenten zu schaffen und formuliert die weiterführende Entwicklung von Medikamenten für Kinder und Jugendliche als relevantes Zukunftsthema in der pädiatrischen Forschung: 

Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina (2017): Zukunftsfragen für die Forschung in der Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland. Leopoldina Diskussion Nr. 14, Halle (Saale). Online Version

Weiterführende Informationen zum „off-label” Gebrauch finden sich u. a. hier:

Mühlbauer, B. / Janhsen, K. / Pichler, J. / Schoettler, P. (2009): Off-label-Gebrauch von Arzneimitteln im Kindes- und Jugendalter. Eine Verordnungsanalyse für Deutschland. In: Deutsches Ärzteblatt 106 (3), 25–31.

Pandolfini, C. / Bonati, M. (2005): A literature review on off-label drug use in children. In: European Journal of Pediatrics 164 (9), 552–558.

Prandstetter, C. / Tamesberger, M. / Wagner, O. / Weissensteiner M. / Wiesinger-Eidenberger, G. / Weidinger, I. / Lechner,  E. (2009): Medical Prescriptions to Premature and Newborn Infants in an Austrian Neonatal Intensive Care Unit. In: Klinische Pädiatrie 221 (5), 312–317.

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