EU-Vorschriften

Im September 2010 beschloss das Europäische Parlament eine verbindliche Richtlinie zum Schutz von Versuchstieren. Ziel ist die Umsetzung des Grundsatzes "Reduce, refine, replace" (vermindern, verbessern, vermeiden). Es geht in der Richtlinie ausschließlich um Versuche im Hinblick auf Tests von Medikamenten und Tests für die Erforschung von Krankheiten. Einige wichtige Punkte der Richtlinie sind:

- Menschenaffen dürfen nur noch in Ausnahmefällen zu Forschungszwecken eingesetzt werden (Art. 8).

- Die Genehmigungspflicht für Tierversuche gilt jetzt auch für den Bereich der Ausbildung (Art. 23, Abs. 2).

- Jeder Antrag auf Durchführung eines Tierversuchs muss zusammengefasst und anonymisiert veröffentlicht werden (Art. 43).

- Die Betreuung der Versuchstiere muss durch qualifiziertes Personal erfolgen (Art. 23).

- Es gelten konkrete Belastungsstufen für die Tests, so dass einzelne, bereits stark belastete Tiere von weiteren Tests auszunehmen sind (Art. 15).

- Versuche müssen in verschiedene Belastungsgrade eingeteilt werden, die künftig gemeinsam mit den Statistiken zu den Tierversuchszahlen veröffentlicht werden müssen (Art. 54, Abs. 2).

- Schwerwiegende Tierversuche und alle Versuche an Primaten müssen rückwirkend bewertet werden. Auch bei weniger schwerwiegenden Versuchen kann eine rückwirkende Bewertung durch die zuständigen Behörden angeordnet werden (Art. 39).

- Mögliche Alternativen zum Tierversuch müssen behördlich zugelassen sein (Art. 4, Abs. 1 und Art. 47).

Der Ministerrat hat der Richtlinie am 03. Juni 2010 formal zugestimmt und sie damit in Kraft gesetzt. Die Mitgliedsländer haben nun zwei Jahre Zeit, das Gesetz umzusetzen.

Der Text der Richtlinie ist abrufbar unter:

RL 2010/63/EU Online Version

Die folgenden EU-Vorschriften stellen eine Auswahl der für die bisherige Rechtsentwicklung relevanten Dokumente dar:

Anhang 5 der Richtlinie 67/548/EWG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 1967 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Stoffe,
Richtlinie 2001/82/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodex für Tierarzneimittel,
Richtlinie 91/414/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 über das Inverkehrbringen von Pflanzenschutzmitteln,
Richtlinie 98/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über das Inverkehrbringen von Biozid-Produkten,
Verordnung (EG) Nr. 648/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über Detergenzien.

Auch im Europäischen Arzneibuch werden Prüfungen, die Tierversuche einschließen, gefordert.

In der bisherigen Europäischen Debatte löste die so genannte REACH-Verordnung (Nr. 1907/2006) besondere Kontroversen aus.

Mit dieser Verordnung schafft die Europäische Union ein System zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) und gründet gleichzeitig die dieses System beaufsichtigende Europäische Agentur für chemische Stoffe (ECHA). Ziel des REACH-Systems ist es, ein höheres Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt in Bezug auf chemische Erzeugnisse sicherzustellen.

In Herstellung und Import Beschäftigte werden durch die REACH-Verordnung nicht nur dazu verpflichtet, alle neuen Erzeugnisse, die eine jährliche Menge von einer Tonne pro Hersteller und pro Importeur übersteigen, dem Prüfverfahren zu unterziehen, sondern auch Altchemikalien, die schon vor dem Erlass der Verordnung auf dem Markt waren, neu bewerten zu lassen.

Obwohl die Verordnung die Förderung alternativer Testverfahren ausdrücklich zum vorrangigen Anliegen erklärt und eine Informationspflicht zu bereits durchgeführten Tierversuchen erlässt (Art. 27, Abs. 1), um unnötigen Mehrfachversuchen vorzubeugen, rechnet man mit einem starken Anstieg der Tierversuchszahlen bis 2020.

Über genaue Zahlen herrscht allerdings große Uneinigkeit. Während die EU von neun Millionen Tieren ausgeht, die für das REACH-System benötigt werden, sind Forschende des Johns Hopkins Center for Alternatives to Animal Testing durch Hochrechnungen zu einem Ergebnis von 54 Millionen Tieren gelangt. Bis zur ersten Registrierungsfrist am 30. November 2010 wurden der ECHA 24.675 Dossiers hauptsächlich von großen sowie mit einem Anteil von 10% auch von kleinen und mittelständischen Unternehmen eingereicht.
Durch die Informationsweitergabe und -verknüpfung soll ein höheres Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt in Bezug auf chemische Erzeugnisse erzielt werden. Weitere Registrierungsfristen sind für 2013 und 2018 angesetzt.

Richtlinie 2001/82/EG (Tierarzneimittel) Online Version

Richtlinie 91/414/EWG (Pflanzenschutzmittel) Online Version

Richtlinie 98/8/EG (Biozidprodukte) Online Version 

Verordnung (EG) Nr. 648/2004 (Detergenzien) Online Version

Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) Online Version

Bundesinstitut für Risikobewertung Online Version

Europäische Agentur für chemische Stoffe (ECHA) Online Version

Hochrechnung der Tierversuchszahlen von Hartung und Rovida im Journal ALTEX (3/09) Online Version

Registrierungsfristen Online Version

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