Lebenserhaltung und Schmerzvermeidung

Auch das Tierschutzgesetz scheint davon auszugehen, dass Lebenserhaltung für Tiere weniger wichtig ist als Schmerzfreiheit. So fordert bspw. § 9 Abs. 2 Nr. 8 TierSchG die unverzügliche und schmerzlose Tötung von überlebenden Versuchstieren, sofern diese ansonsten nur unter Schmerzen und Leiden weiterleben könnten. Ebenso unterliegt die Zufügung von Schmerzen wesentlich strengeren Vorschriften und ist rechtlich gesehen in höherem Maße rechtfertigungsbedürftig, als die Tötung von Versuchstieren.

Diese Gewichtung - lieber ein schmerzfreier Tod als ein Weiterleben mit Schmerzen - wird gemeinhin damit begründet, dass Tiere "Gegenwartsgeschöpfe" ohne Selbst- und Zukunftsbewusstsein seien: Für sie seien deshalb - anders als für den Menschen - Schmerzen ein gravierenderes Übel als der schmerzfreie Tod. Dieses Argument ist allerdings umstritten; es wird vorgebracht, dass gerade bei höher entwickelten Tieren die Rede von Individualität und zukunftsgerichteten Präferenzen sinnvoll sei. Ebenso wie die menschliche Individualität rechtfertige diese dann auch einen Lebensschutz oder zumindest eine weniger starke Dominanz des Ziels der Schmerzvermeidung gegenüber dem Ziel der Lebenserhaltung.

Nida-Rümelin, Julian / von der Pfordten, Dietmar (1996): Tierethik II: Zu den ethischen Grundlagen des deutschen Tierschutzgesetzes. In: Nida-Rümelin, Julian (Hg.): Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung, Stuttgart: Kröner, 484-509.

Krebs, Angelika (2003): Sprache und Leben. In: Brenner, Andreas (Hg.): Tiere beschreiben. Erlangen: Fischer (Reihe Tierrechte - Menschenpflichten 9), 175-190.

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