Tierrechte

In der philosophischen Literatur werden auf die Frage, welche Eigenschaften ein Lebewesen aufweisen muss, damit es ein Träger von Rechten (Rechtssubjekt) sein kann, verschiedene Antworten gegeben. Je nach Ansatz fallen einige Tierspezies in die Gruppe der möglichen Rechtssubjekte. Im Folgenden sind holzschnittartig einige Ansätze aufgeführt.

(A) Philosoph*innen wie Joel Feinberg oder Leonard Nelson argumentieren dafür, dass allen Lebewesen, die empfindungsfähig sind und entsprechend ein Interesse an einer schmerzfreien Existenz haben, auch ein entsprechendes Recht (auf Schmerzfreiheit) zukommt.

(B) Andere Autor*innen (zum Beispiel Raymond Frey) gehen weiter. Sie weisen darauf hin, dass nur solche Wesen Interessen (Präferenzen) haben, die über weitreichendere kognitive Fähigkeiten wie Sprachfähigkeit (statt allein Empfindungsfähigkeit) verfügen. In diesem Sinne ist der Mensch das einzige Lebewesen, welches über Interessen verfügt und entsprechend Träger von Rechten sein kann.

(C) Rechtssubjektivität kann auch mit der Fähigkeit zu moralischem Handeln begründet werden (so in etwa bei Immanuel Kant oder mit Bezug auf Kant bei Friedo Ricken). Demnach wären nur solche Lebewesen Träger von Rechten, die auch Träger von Pflichten gegen andere Lebewesen sein könnten. Die Klasse der Rechtssubjekte ("moral patients") und die der Pflichtsubjekte ("moral agents") wären identisch.

Falls - wie in den genannten Ansätzen - Rechtssubjektivität mit dem Vorliegen bestimmter Eigenschaften (Empfindungsfähigkeit, Sprachfähigkeit, Fähigkeit zu moralischem Handeln) begründet wird, fallen auch einige menschliche Lebewesen aus der Klasse der Rechtsträger zunächst hinaus. Hingegen vertreten die meisten Theorien die Auffassung, alle Menschen seien, unabhängig von ihren Eigenschaften und Fähigkeiten, Träger von Rechten. Es lassen sich zwei Argumentationsweisen vorstellen, die dieses Dilemma auflösen.

(1) Zum einen kann argumentiert werden, dass nicht nur die aktuellen, sondern auch die potentiellen Eigenschaften eines Lebewesens über dessen Rechtssubjektivität entscheiden. Kleinkinder beispielsweise verfügen zwar nicht über die für Rechtssubjektivität geforderten Eigenschaften, werden sie aber im Laufe ihres Lebens erlangen. Würde die Anlage zu Sprachfähigkeit oder zu Moralfähigkeit für die Rechtsträgerschaft ausreichen, hätten Kleinkinder (aber nicht "gleichbefähigte" Tiere) Rechte, obwohl sie über die geforderten Eigenschaften noch nicht verfügen.

(2) Zum anderen kann argumentiert werden, dass die Rechtsträgerschaft nicht aus den individuellen aktuellen oder potentiellen Eigenschaften folge, sondern aus den speziestypischen Eigenschaften. Ein Mensch mit schweren kognitiven und körperlichen Einschränkungen oder ein Mensch im Koma, der die genannten Kriterien für Rechtssubjektivität nicht erfülle, sei demnach ein Rechtssubjekt, weil er zu einer Spezies gehöre, die typischerweise über die geforderten Eigenschaften verfüge.

Birnbacher, Dieter (2001): Selbstbewusste Tiere und bewusstseinsfähige Maschinen. Grenzgänge am Rande des Personenbegriffs. In: Sturma, Dieter (Hg.): Person: Philosophiegeschichte - Theoretische Philosophie - Praktische Philosophie. Paderborn: Mentis (ethica 3), 301-321.

Feinberg, Joel (1988): Die Rechte der Tiere und zukünftiger Generationen. In: Birnbacher, Dieter (Hg.): Ökologie und Ethik [Nachdr.] - Stuttgart : Reclam (Universal-Bibliothek 9983), 140-179.

Frey, Raymond G. (1980): Interests and Rights. The Case against Animals. Oxford: Clarendon Press.

Nelson, Leonard: System der philosophischen Ethik und Pädagogik. Hg. v. Grete Hermann und Minna Specht. Hamburg: Felix Meiner 1970 (Gesammelte Schriften in neun Bänden, Band V).

Regan, Tom (1988): The Case for Animal Rights. London: Routledge.

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