Leidfähigkeit

Leidfähigkeit wird bei Wolf an die Bedingung des „strukturellen Zusammenhangs zwischen Fühlen und Wollen“ geknüpft, also der Fähigkeit, schmerzvolle Situationen zu erfahren und im Zuge eines Lernprozesses auf diese abwehrend reagieren zu können. Außerdem führt Wolf noch die zusätzlichen Kriterien der Fähigkeit zum Übertragen von Erlerntem und das Ausbilden eines Selbstbewusstseins höherer Lebewesen ein, die eine zusätzliche moralische Schutzpflicht begründet.

In Wolfs Definition von Leidfähigkeit sind zwei Aspekte essentiell: Erstens ist das Ausdrucksvermögen des Schmerzes von anderen Wesen gegenüber Menschen lediglich der Indikator einer Schutzwürdigkeit, seine Abwesenheit begründet aber nicht notwendig, dass die betreffenden Wesen keinen Schmerz empfinden und daher Schaden durch Mitglieder der Moralgemeinschaft ausgesetzt werden dürften. Zweitens zeichnet sich Wolfs Ansatz dadurch aus, dass empirische Unterschiede bezüglich der Dimension des Leids, welches durch das jeweilige Moralsubjekt erfahren werden kann, im Gegensatz zu Arthur Schopenhauer keine moralische Abstufung in der Schutzwürdigkeit begründen. Die Leidfähigkeit eines Moralsubjekts, sei es Tier oder Mensch, kann nur in wenigen Ausnahmen gegen ein höheres moralisches Gut abgewogen werden.

Wolf, Ursula (1990): Das Tier in der Moral. Frankfurt a.M.: Klostermann.

Wolf, Ursula (1997): Haben wir moralische Verpflichtungen gegen Tiere? In: Krebs, Angelika (Hg.): Naturethik im Überblick. Naturethik: Grundtexte der gegenwärtigen tier- und ökoethischen Diskussion. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 47-75.

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