Gesundheitsrisiken durch gentechnisch veränderte Lebensmittel

Es gibt eine anhaltende Kontroverse darüber, ob der Verzehr gentechnisch veränderter Lebensmittel mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Befürchtet wird unter anderem, dass Lebensmittel, die gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) enthalten oder mit ihrer Hilfe hergestellt werden, sich verglichen mit konventionell hergestellten als toxischer erweisen könnten oder dass sie stärker krebserregend oder allergieauslösend sein könnten. Neben solchen allgemeinen Gesundheitsgefahren werden auch spezifische Risiken diskutiert, die sich aus den Herstellungsverfahren von GVOs ergeben könnten. So wird befürchtet, dass Resistenzgene gegen bestimmte Antibiotika, die bei vielen GVOs gemeinsam mit den Genen für die je gewünschten Eigenschaften als Selektionsmarker eingeführt werden, sich per horizontalem Gentransfer verbreiten und so letztlich zum gehäuften Auftreten antibiotikaresistenter Krankheitserreger führen könnten.

Wegen der besonderen politischen Brisanz des Einsatzes von Gentechnik in der Lebensmittelproduktion gibt es neben einer Vielzahl an Studien, die für konkrete GVOs die Wahrscheinlichkeit des Auftretens bestimmter Gesundheitsrisiken untersuchen, auch diverse Stellungnahmen wissenschaftlicher Gremien, die das allgemeine Gefahrenpotenzial der Nutzung gentechnisch veränderter Lebensmittel abzuschätzen versuchen. So gelangt die Abteilung für Nahrungsmittelsicherheit der World Health Organization (WHO) in einer Übersichtsarbeit zur modernen Biotechnologie in der Nahrungsmittelproduktion aus dem Jahr 2005 zu dem Schluss, dass alle heute auf dem internationalen Markt verfügbaren gentechnisch veränderten Lebensmittel eine Risikoprüfung durchlaufen haben und daher wahrscheinlich keine größeren Risiken für die menschliche Gesundheit mit sich bringen als ihre herkömmlichen Gegenstücke (S. 24). Auch die Studie der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (NAS) kam zu diesem Schluss und fordert zugleich das Weiterführen entsprechender Risikoprüfungen.

World Health Organization, Food Safety Department (2005): Modern food biotechnology, human health and development: An evidence-based study. Online Version (Englisch)

National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine (2016): Genetically Engineered Crops: Experiences and Prospects. Report. Washington, DC: The National Academies Press. Online Version (Englisch)

Zu einem ganz ähnlichen Ergebnis kommt ein 2006 veröffentlichtes Memorandum der „Kommission Grüne Gentechnik” der Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften. Sie verweist besonders darauf, dass GVO-Nahrungsmittel strengen gesetzlichen Regelungen unterliegen und umfassender geprüft werden als herkömmliche Nahrungsmittel. Aufgrund dieser Prüfungen sei etwa das Allergenitätsrisiko von GVO-Nahrungsmitteln sogar als geringer einzuschätzen als das von konventionell hergestellten (S. 3).

Union der Deutschen Akademien der Wissenschaften, „Kommission Grüne Gentechnik" (2006): Gibt es Risiken für den Verbraucher beim Verzehr von Nahrungsprodukten aus gentechnisch veränderten Pflanzen? Online Version

Auf Ebene der EU haben im Laufe der Zeit diverse Gutachten die grundsätzliche Unbedenklichkeit gentechnisch veränderter Lebensmittel festgestellt. Zuletzt zog ein Bericht, der die Ergebnisse EU-geförderter Forschungsprojekte zu diesem Bereich resümiert, folgende Bilanz: „Die wesentliche Schlussfolgerung, die sich aus den Anstrengungen von mehr als 130 Forschungsprojekten ziehen lässt, die über einen Zeitraum von mehr als 25 Jahren von über 500 unabhängigen Forschergruppen durchgeführt wurden, ist, dass Biotechnologie und insbesondere GVOs nicht per se riskanter sind als z. B. herkömmliche Technologien der Pflanzenzüchtung" (S. 16).

European Commission, Directorate-General for Research and Innovation, Biotechnologies, Agriculture, Food (2010): A decade of EU-funded GMO research (2001–2010). Online Version (Englisch)

Neben den hier angeführten Gremien bestätigen auch wissenschaftliche Standesorganisationen wie die Royal Society, die American Medical Association, die American Association for the Advancement of Science oder die World Health Organization, dass es keinen Grund gäbe, gentechnisch veränderten Lebensmitteln, deren Sicherheit in den gängigen Prüfverfahren festgestellt wurde, mit größerem Argwohn zu begegnen als vergleichbaren konventionell hergestellten Lebensmitteln. 

The Royal Society (2014): GM Science Update. A report to the Council for Science and Technology. Online Version (Englisch)

The Council on Science and Public Health (The American Medical Association) (2012): Labeling of Bioengineered Foods. Online Version (Englisch)

American Association for the Advancement of Science (AAAS) (2012): On Labeling of Genetically Modified Foods. Statement by the AAAS Board of Directors. Online Version (Englisch)

World Health Organization (2014): FAQs on genetically modified foods. Online Version (Englisch)

Allerdings gibt es auch kritische Stimmen, die diesem scheinbaren wissenschaftlichen Konsens widersprechen. So haben sich bis Ende Oktober 2013 knapp 300 in der Wissenschaft tätige Personen, die mit der Erforschung wissenschaftlicher, rechtlicher, und sozialer Aspekte der Nutzung von GVOs befasst sind, einer Stellungnahme des European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER) angeschlossen, deren Kernthese ist, dass es trotz der zitierten Expertisen keinen wissenschaftlichen Konsens zur Sicherheit von GVOs gibt.

European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility (ENSSER) (2015): No scientific consensus on GMO safety. In: Environmental Sciences Europe 27:4. Online Version (Englisch)

Weiterführende Informationen:

Lee, T. H. / Ho, H. K. / Leung, T. F. (2017): Genetically modified foods and allergy. In: Hong Kong Medical Journal 23(3), 291–295. Online Version (Englisch)

Tsatsakis, A. M. / Nawaz, M. A. / Tutelyan, V. / Golokhvasr, K. S. / Kalantzi, O.-I. / Chung, D. H. / Kang, S. J. / Coleman, M. D. / Tyshko, N. / Yang, S. H. / Chung, G. (2017): Impact on environment, ecosystem, diversity and health from culturing and using GMOs as feed and food. In: Food and Chemical Toxicology 107(Pt A), 108–121. Online Version (Englisch)

De Santis, B. / Stockhofe N. / Wal, J.-M. / Weesendorp, E. / Lallès, J.-P. / van Dijk, J. / Kok, E. / De Giacomo, M. / Einspanier, R. / Onori, R. / Brera, C. / Bikker, P. / van der Meulen, J. / Kleter, G. (2018): Case studies on genetically modified organisms (GMOs): Potential risk scenarios and associated health indicators. In: Food and Chemical Toxicology 117, 36–65. Online Version (Englisch)

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