Heterozygotentest / Screening-Programme

Der Heterozygotentest wird an einer klinisch gesunden Person durchgeführt. Beim Heterozygotentest handelt es sich nicht um eine prädiktive Diagnostik im engeren Sinne, da hierbei nur ein unveränderlicher genetischer Status einer gesunden Person festgestellt, aber keine vorhersagende Information erhoben wird. Der Test dient der Früherkennung von rezessiven Erbkrankheiten, so dass etwa bei gesunden, aber mit erkrankten Personen verwandten Paaren festgestellt werden kann, ob mögliche Gendefekte an ein zukünftiges Kind weitergegeben werden können. Ziel ist es, das Risiko, mit dem die zukünftigen Nachkommenden erkrankt sein könnten, so weitestgehend abzuschätzen. Die Untersuchung auf Heterozygotie wird größtenteils bei frühmanifesten, schweren und nicht heilbaren Krankheiten wie der Muskeldystrophie Duchenne, der Mukoviszidose oder der spinalen Muskelatrophie durchgeführt.

Einen besonderen Fall eines Heterozygotentests stellt das Screening-Programm dar, welches auf Zypern durchgeführt wurde. Bei einem Screening-Programm ist die Testdurchführung nicht auf eine Einzelperson beschränkt, vielmehr wird eine ganze Gruppe von Menschen untersucht. Ziel eines Screening-Programms kann beispielsweise sein, genetische Erbkrankheiten zu verhindern oder einzudämmen. Zypern ist ein Land mit hoher Prävalenz der vererbbaren Bluterkrankheit beta-Thalassaemia major. Jeder siebte auf Zypern lebende Person trägt die defekten Erbinformation, ohne selbst erkrankt zu sein. Unbehandelt verläuft die Erbkrankheit tödlich; nur durch teure Medikamente ist es überhaupt möglich, das Überleben der erkrankten Person bis ins Erwachsenenalter hinein zu ermöglichen. Kinder, bei denen beide Elternteile Tragende des defekten Gens sind, werden zu 25 % erkranken, somit treten jedes Jahr neue Fälle hinzu. Ohne Eingriffe von außen hätte sich die Zahl der Erkrankten etwa alle acht bis zehn Jahre verdoppelt. Zur Prävention führte Zypern erstmals 1973 ein Screeningprogramm durch, welches Tragende von Beta-Thalassämie identifizieren sollte. Ab 1977 konzentrierte sich das Screening auf die Untersuchung im Rahmen pränataler Diagnostik. Da infolge der Untersuchungen viele Schwangerschaften, in denen die Embryonen positiv auf Beta-Thalassämie getestet wurden, abgebrochen wurden, ging die Prävalenz der Beta-Thalassämie stark zurück. Verstärkt wurde dieser Rückgang durch den Aufruf der griechisch-orthodoxen Kirche, vor der kirchlichen Trauung den Nachweis der Teilnahme an einem Screening durch das Nationale Thalassämiezentrum und einer Beratung zu den Ergebnissen zu erbringen. Sukzessive wurde die Aufklärung über Screeningprogramme und die Möglichkeit der pränatalen Diagnostik auch in zivile Eheschließungen integriert.

Weitere Informationen siehe unter:

Delatycki, M. et al. (2019): International perspectives on the implementation of reproductive carrier screening. In: Prenatal Diagnosis 40 (3), 301–310. doi:.org/10.1002/pd.5611 Online Version (Englisch)

Ioannou, P. (1999): Thalassemi prevention in Cyprus. Past, present and future. In: Chadwick, R. / Schickle, D. / ten Have, H. / Wiesing, U. (ed.): The ethics of genetic screening. Dordrecht: Kluwer, 55–67. (Englisch)

Cao, A. (2002): Carrier screening and genetic counselling in beta-thalassemia. In: International Journal of Hematology 76 (Suppl 2): 105–113. (Englisch)

Vgl. für einen Einblick in gegenwärtige Forschungsfragen: 

Sparks, T. N. (2020): Expanded carrier screening: counseling and considerations. Human Genetics 139, 1131–1139. doi: 10.1007/s00439-019-02080-y Online Version (Englisch)

Wird geladen