Gesetzliche Regulierung des Forschungsklonens in Deutschland

In Deutschland sind für die Gewinnung von menschlichen Embryonalen Stammzellen (ES-Zellen) sowie das wissenschaftliche Arbeiten an und mit diesen das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellgesetz maßgeblich. Das Embryonenschutzgesetz (ESchG) von 1991 verbietet die Herstellung oder Verwendung von Embryonen zu einem anderen Zweck als dem, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Ferner wird jede Manipulation an einem extrakorporal erzeugten Embryo verboten, die nicht seiner Erhaltung dient. Damit wird jede Gewinnung und Erforschung von Embryonen, die nicht der Erhaltung des Embryos dient, verboten. In § 6 Abs. 1 heißt es außerdem: „Wer künstlich bewirkt, dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Foetus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.” Damit ist das Verfahren des Forschungsklonens bzw. therapeutischen Klonens nach Zellkerntransfer rechtlich grundsätzlich ausgeschlossen.

Allerdings besteht ein juristischer Streit darüber, wie der Begriff „gleich” in der Formulierung „mit der gleichen Erbinformation” auszulegen ist. Je nach Auslegung könnte das Klonverbot des § 6 ESchG nicht alle Klonierungstechniken erfassen und somit bestimmte Verfahren des Klonens zulassen. Versteht man das „gleich” in dieser Formulierung im Sinne von „identisch”, fällt der durch Zellkerntransfer geklonte Embryo nicht unter § 6 Abs. 1 ESchG. Die Erbinformation des auf diese Weise geklonten Embryos ist nämlich nicht völlig identisch mit der Erbinformation der zellkernspendenden Person, da ein minimaler Anteil von fremder Mitochondrien-DNA, die aus der gespendeten Eizelle stammt, ebenfalls an den Embryo weitergegeben wird. Da die mitochondriale DNA jedoch nur 0,01 bis 0,02 Prozent des Gesamtgenoms ausmacht, plädieren viele Autor*innen dafür, aus quantitativen Gründen dennoch von der gleichen Erbinformation zu sprechen – „gleich” also im Sinne von „vergleichbar” auszulegen. 

Die faktische Gültigkeit des ESchG ist rechtlich unumstritten, kontrovers diskutiert wird aber seit geraumer Zeit, ob es mit anderen Gesetzen und grundgesetzlichen Bestimmungen kompatibel ist. Umstritten sind dabei unter anderem Fragen der Auslegung des Deutschen Grundgesetzes, nämlich verfassungsrechtliche Fragen bezüglich des Einsetzens der uneingeschränkten Schutzwürdigkeit des menschlichen Embryos ab dem Moment der Zellkernverschmelzung. Das Bundesverfassungsgericht hat sich zu der Frage der Reichweite der Menschenwürde und des Lebensschutzes beim ungeborenen Leben bisher zweimal im Zusammenhang mit der Rechtsprechung beim Schwangerschaftsabbruch geäußert. In seinem ersten Urteil zum Schwangerschaftsabbruch vom 25. Februar 1975 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass sich das in Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz formulierte Grundrecht auf Leben auch auf das ungeborene Leben beziehe und Leben „jedenfalls vom 14. Tage nach der Empfängnis (Nidation, Individuation) an” bestehe. Ob das Grundrecht auf Leben dem Embryo auch schon vor dem 14. Tag nach der Empfängnis zukommt, ist mit dieser Formulierung offengelassen. Im zweiten Urteil vom 28. Mai 1993 wird zwar konstatiert, dass Menschenwürde „schon dem ungeborenen menschlichen Leben” zukomme; das Gericht hat es aber ausdrücklich unentschieden gelassen, „ob, wie es Erkenntnisse der medizinischen Anthropologie nahelegen, menschliches Leben bereits mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle entsteht”. Verfahrensgegenstand waren Vorschriften zum Schwangerschaftsabbruch. Entscheidungsrelevant war deshalb nur der Zeitraum der Schwangerschaft, der „nach den [...] Bestimmungen des Strafgesetzbuches vom Abschluß der Einnistung des befruchteten Eies in die Gebärmutter [...] bis zum Beginn der Geburt” reicht.

Ob der menschliche Embryo bereits „vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an” oder erst ab einem späteren Zeitpunkt seiner Entwicklung zu schützen ist, gilt gegenwärtig entsprechend der unterschiedlichen Schutzbestimmungen für den Embryo in vitro und den Embryo in vivo als nicht hinreichend geklärt. Über eine mögliche Änderung des Embryonenschutzgesetzes wird seit geraumer Zeit in Wissenschaft und Öffentlichkeit diskutiert.

Das Embryonenschutzgesetz von 1991 enthält keine Bestimmungen für die Forschung an solchen ES-Zellen, die unter anderen gesetzlichen Bedingungen im Ausland verfügbar geworden sind. Seit dem Jahr 2002 werden der Import und die Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken durch das Stammzellgesetz (StZG) geregelt.

Dem im Juli 2002 in Kraft getretenen und im Jahr 2008 teilweise revidierten StZG zufolge, sind die Einfuhr und die Verwendung von embryonalen Stammzellen generell verboten und nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt. Von den generellen Import- und Forschungsverboten ausgenommen werden Stammzellen, die unter anderem vor dem als Stichtag geltenden 1. Mai 2007 (in der ursprünglichen Fassung galt der 01. Januar 2002 als Stichtag) und im Rahmen von IVF-Behandlungen überzählig gewordenen Embryonen gewonnen worden sind. Auch mit dem StZG ist die Debatte in Deutschland nicht zu einem Ende gekommen.

Weitere Informationen zu den gegenwärtigen Bestimmungen der Stammzellforschung in Deutschland finden sich im Blickpunkt „Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen”.

Hier eine Übersicht der für die Forschung an und Klonierung von menschlichen Embryonen relevanten Rechtsquellen und ausgewählte ergänzende Literatur:

Grundgesetzliche Bestimmungen:

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt, Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch das Gesetz vom 3. November 1995 (BGBl. I, 1492).

Bundesverfassungsgericht (1975): Urteil vom 25. Februar 1975. Schwangerschaftsabbruch, "Fristenlösung" (BVerfGE 39, 1). Online Version

Bundesverfassungsgericht (1993): Urteil vom 28. Mai 1993. Schwangerschaftsabbruch; strafrechtliche, sozialversicherungsrechtliche und organisationsrechtliche Vorschriften des Schwangeren und Familienhilfegesetzes (BVerfGE 88, 203). Online Version

Das Embryonenschutzgesetz (ESchG):

Embryonenschutzgesetz: Gesetz zum Schutz von Embryonen (ESchG) vom 13. Dezember 1990, (Bundesgesetzblatt 1990 I, 2746-2748), zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 21. November 2011 (BGBI I, 2228). Online Version

Keller, R. / Günther, H.-L. / Kaiser, P. (1992): Embryonenschutzgesetz. Kommentar zum Embryonenschutzgesetz. Stuttgart: Kohlhammer.

Müller-Terpitz, R. (2017): Embryonenbegriffe im deutschen und europäischen Recht. Rechtsgutachten erstattet auf Bitten der Ethisch-Rechtlich-Sozialwissenschaftlichen Arbeitsgemeinschaft des Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW. In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 29 (1), 87–156. 

Schütze, H. (2000): Die Bedeutung von Statusargumenten für das geltende deutsche Recht. In: Jahrbuch für Wissenschaft und Ethik 5, 305-329.

Zur Auslegung des ESchG und dem Streit über das Kriterium der gleichen Erbinformation siehe:

Deutscher Ethikrat (2014): Stammzellforschung – Neue Herausforderungen für das Klonverbot und den Umgang mit artifiziell erzeugten Keimzellen? Ad-hoc-Empfehlung. Online Version, insb. S. 4.

Deutsche Bundesregierung (1998): Bericht zur Frage eines gesetzgeberischen Handlungsbedarfs beim Embryonenschutzgesetz aufgrund der beim Klonen von Tieren angewandten Techniken und der sich abzeichnenden weiteren Entwicklungen. Unterrichtung durch die Bundesregierung, Drucksache des Deutschen Bundestags 13/11263. Online Version, insb. S. 13.

Günther, H.-L. / Taupitz, J. / Kaiser, P. (2014): Embryonenschutzgesetz. Juristischer Kommentar mit medizinisch-naturwissenschaftlichen Grundlagen, 2., neu bearbeitete Auflage, Stuttgart: Kohlhammer, 334–336.

Das Stammzellgesetz (StZG):

Stammzellgesetz: Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (StZG) vom 28. Juni 2002 (Bundesgesetzblatt 2002 I Nr. 42, 2277), zuletzt geändert durch Art. 2 Abs. 29 u. Art. 4 Abs. 16 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBI. I, 3154). Online Version

Schütze, H. (2005): Rechtliche Aspekte des therapeutischen Klonens in Deutschland, England, den USA und Frankreich. In: Dabrock, P. / Ried, J. (Hg.): Therapeutisches Klonen als Herausforderung für die Statusbestimmung des menschlichen Embryos. Paderborn: Mentis, 251-275. 

 Weiterführend auch:

Gassner, U. M. / Opper, J. (2020): Zur Zulässigkeit therapeutischen Klonen mittels Zellkerntransfer. In: Opper, J. / Rolfes, V. / Roth, P. (Hg.): Chancen und Risiken der Stammzellforschung. Berlin: BWV, 255 ff.

Thematisch einschlägige Stellungnahmen des Deutschen Ethikrats:

Nationaler Ethikrat (2004): Klonen zu Fortpflanzungszwecken und Klonen zu biomedizinischen Forschungszwecken. Stellungnahme. Online Version

Deutscher Ethikrat (2014): Stammzellforschung – Neue Herausforderungen für das Klonverbot und den Umgang mit artifiziell erzeugten Keimzellen? Ad-hoc-Empfehlung. Online Version 

 

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