Präkonzeptions- bzw. Präfertilisationsdiagnostik

Als Präkonzeptions- bzw. Präfertilisationsdiagnostik bezeichnet man die Methode der sogenannten Polkörperdiagnostik. Während sich die Eizelle noch im Eierstock befindet, besitzt sie, kurz bevor der Eisprung stattfindet, einen doppelten Chromosomensatz. Hieraus entsteht der bei der Methode der Polkörperdiagnostik zu untersuchende erste Polkörper, der einen der beiden Chromosomensätze enthält und für die Befruchtung abgestoßen wird, so dass nur noch der andere einfache Chromosomensatz mit den Erbinformationen der Mutter in der Eizelle verbleibt. Voraussetzung für die Polkörperdiagnostik ist eine intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), die künstliche Befruchtung einer Eizelle, indem ein Spermium eingespritzt wird. Findet daraufhin die Verschmelzung mit dem Spermium statt (das ebenfalls nur einen Chromosomensatz trägt), entsteht ein Embryo mit doppeltem Chromosomensatz. Der zweite Polkörper wird abgestoßen, nachdem das Spermium in die Eizelle eingedrungen ist, aber noch vor der Befruchtung.

Das in den Polkörpern enthaltene genetische Material ist überschüssig, bildet jedoch ein „Spiegelbild” der in der Eizelle enthaltenen genetischen Informationen. Es kann untersucht werden, ohne der Eizelle zu schaden und ermöglicht einen Schluss auf bisher aufgetretene Fehler der Chromosomenverteilung, der entweder gar nicht erst zu einer Schwangerschaft führen oder im Falle einer Schwangerschaft eine Fehlgeburt zur Folge haben würde. Nach Möglichkeit werden beide Polkörper gleichzeitig entnommen und das (noch recht unsichere) Untersuchungsergebnis des ersten mit dem des zweiten abgeglichen.

Die Zuverlässigkeit einer Polkörperanalyse scheint mit derjenigen einer Untersuchung embryonaler Zellen vergleichbar, so der Deutsche Ethikrat (2003). Jedoch gibt es Einschränkungen, was den Umfang der erkennbaren chromosomalen Abweichungen angeht. So können durch diese Methode nur solche Anomalien erfasst werden, die durch die Mutter vererbt wurden, nicht aber die des väterlichen Genoms. Auch können genetische Defekte, die in der späteren Entwicklung des Embryos auftreten, nicht erkannt werden.

Im Gegensatz zur PID war die Polkörperdiagnostik in Deutschland unter ganz bestimmten Bedingungen bereits vor der Revision des Embryonenschutzgesetzes 2011 erlaubt. Zum Zeitpunkt der Polkörperentnahme muss väterliches und mütterliches Erbgut noch getrennt voneinander vorliegen. Es wurde deshalb vom Nationalen Ethikrat „nicht als Verstoß gegen das Embryonenschutzgesetz angesehen, eine genetische Diagnostik an den Polkörpern durchzuführen und Eizellen (einschließlich des Vorkernstadiums) zu verwerfen” (2004, 1). Dies bedeutet eine starke zeitliche Begrenzung. Ab dem Moment der Verschmelzung greift das Embryonenschutzgesetz. Eine Zellentnahme ist damit ab diesem Zeitpunkt den Regelungen zur Präimplantationsdiagnostik unterstellt.

Eine überblicksartige Darstellung des Verfahrens der Polkörperdiagnostik liefert der Nationale Ethikrat:

Stellungnahme des Nationalen Ethikrats (2003): „Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft”. Online Version

Eine ausführliche Beschreibung der Methoden der Präkonzeptions- bzw. Präfertilisationsdiagnostik finden sich aus medizinischer Perspektive in:

Verlinsky, Yury / Kuliev, Anver (2005): Practical Preimplantation Genetic Diagnosis. London: Springer, 9–13.

Bei Kollek findet sich neben einer Beschreibung der Methode der Präkonzeptionsdiagnostik auch die Diskussion der Präkonzeptionsdiagnostik als Alternative zur Blastomer- bzw. Blastozystenbiopsie:

Kollek, Regine (2000): Präimplantationsdiagnostik. Tübingen/Basel: A. Franke Verlag, 31–34.

Explizit Stellung zur Polkörperdiagnostik nimmt der Nationale Ethikrat:

Stellungnahme des Nationalen Ethikrats (2004): „Polkörperdiagnostik”. Online Version

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