Medikamententestung an stammzellbasierten Modellen / Ersatz für Tierversuche

Im Bereich der Entwicklung neuer Medikamente und Testung pharmakologischer Substanzen können humane Stammzellen in Form eines In-vitro-Zellmodells dazu dienen, den Einfluss von Substanzen auf zelluläre Mechanismen abzubilden. 

Substanzscreening / Identifizierung neuer Wirkstoffe

Die Wirksamkeit neuer Medikamente kann anhand der ADMET-Kriterien (Absorption, Verteilung, Metabolismus, Exkretion, Toxizität) untersucht werden. Synthetische Gewebemodelle eignen sich besonders gut, um neue Wirkstoffe zu identifizieren, zu testen und dabei ethisch umstrittene und oftmals teure Tierversuche zu vermeiden. Die Eigenschaften primärer menschlicher Zellen und damit auch die Reaktion auf einen Wirkstoff im Menschen lassen sich zudem nur bedingt in Tierversuchen abbilden. Eine gezielte Untersuchung von Wirkstoffen auf spezielle Zelltypen, wie Nerven- oder Herzzellen, lässt sich oftmals erst durch die Verwendung von humanen pluripotenten Stammzellen realisieren. Der Produktionsprozess für aus Stammzellen gewonnene Testsysteme wird immer öfter automatisiert und erreicht hohe Standardisierungsgrade. Einige der Modelle werden mithilfe von embryonalen Stammzellen oder induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) erzeugt. 

Detektion unerwünschter Nebenwirkungen

Dazu zählt beispielsweise die Teratogenität (Schädigung von Embryo oder Fötus) von Medikamenten, welche sich im Tierversuch nur bedingt nachstellen lässt. Das Medikament Thalidomid (Contergan) ist ein Beispiel für eine teratogene Wirkung, die sich im Tierversuch nicht hat nachweisen lassen, da der Stoffwechsel einiger Säuger anders auf die molekulare Darreichungsform des Medikamentes reagiert als der menschliche. Die fehlende Vergleichbarkeit von Tierversuch und klinischer Testung auf der einen und die hohen Anforderungen an eine Neuzulassung eines Medikamentes auf der anderen Seite verlangen nach alternativen Testmethoden. Hier könnten Zellmodelle mit humanen Stammzellen einen wichtigen Ansatz darstellen. Neben einer etwaigen teratogenen Wirkung könnten so z.B. neurotoxische oder kardiotoxische Wirkungen an den Stammzellen des jeweiligen Gewebes differenziert werden. Auch die Interaktion verschiedener Medikamente durch einen gemeinsamen Stoffwechselweg in der Leber könnte anhand von Leberstammzellen untersucht werden. Auch für bereits vorhandene Medikamente oder Wirksubstanzen kann durch die Anwendung an menschlichen Stammzellen eine bessere Passgenauigkeit für die Therapie ermittelt werden. 

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