Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen
Der Blickpunkt wurde verfasst und digital realisiert im Auftrag des Stammzellnetzwerk.NRW.
Was sind Stammzellen?
Unter der Bezeichnung „Stammzellen” wird eine uneinheitliche Gruppe von Zellen zusammengefasst, die mindestens die folgenden Eigenschaften gemeinsam haben:
- Stammzellen sind Vorläuferzellen hoch differenzierter Zellen.
- Nach einer Teilung der Stammzellen können die Tochterzellen wieder zu Stammzellen werden (self-renewal) oder sich spezialisieren.
- Aufgrund der Fähigkeit zur Selbsterneuerung können Stammzellen sich prinzipiell unbegrenzt vermehren.
- Stammzellen können sich gewebespezifisch, z. B. zu Herz-, Nerven-, Haut- oder Muskelzellen, differenzieren.
Stammzellen treten zuerst in der frühen Embryonalentwicklung auf. Bereits die befruchtete Eizelle (Zygote) stellt eine totipotente Stammzelle dar (Abbildung 1), die die frühen Embryonalstadien durchläuft und aus der sich später alle Gewebe des menschlichen Körpers bilden. Je weiter die Spezialisierung der Tochterzellen einer Stammzelle voranschreitet, desto stärker wird ihre Differenzierungsmöglichkeit in verschiedene Gewebe eingeschränkt.
In vielen Geweben des erwachsenen Menschen existieren zeitlebens Stammzellen, die wichtige Aufgaben bei der Geweberegeneration und -reparatur erfüllen. Sie erhalten die Funktionsfähigkeit von Geweben und Organen aufrecht, indem sie differenzierte Zellen nachliefern und beschädigte oder abgestorbene Zellen ersetzen. Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich für diese Zellen der Begriff der adulten Stammzelle durchgesetzt.
Die Einteilung und Benennung der Stammzellen erfolgt uneinheitlich und führt somit leicht zu Missverständnissen. Stammzellen können entweder nach ihrer Potentialität oder nach der Art ihrer Gewinnung unterteilt werden. Letztere sind nach aktuellem Forschungsstand
- EC-Zellen (embryonic carcinoma cells) aus embryonalen Tumorzellen,
- EG-Zellen (embryonic germ cells) aus den fötalen Vorläuferzellen der Geschlechtszellen,
- ES-Zellen (embryonic stem cells) aus frühen Embryonalstadien (Blastozysten),
- iPS-Zellen (induced pluripotent stem cells) aus einem Reprogrammierungsverfahren
Die Gewinnung von ES-Zellen aus Blastozysten, bei der der frühe Embryo zerstört wird, ist ethisch besonders umstritten.
Wie werden humane embryonale Stammzellen aus Blastozysten gewonnen?
Zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen macht man sich vor allem die Technik der In-vitro-Fertilisation (IVF) zunutze, die in der Reproduktionsmedizin etabliert wurde, um bei ungewollter Kinderlosigkeit eine Schwangerschaft herbeizuführen. Bei der Unfruchtbarkeitsbehandlung werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen mit einem Katheter im Uterus platziert, wo sie sich zu einem Kind entwickeln können (Abbildung 2). Frühe, in vitro erzeugte Embryonen können aber auch zur Herstellung von embryonalen Stammzelllinien dienen.
Fünf bis sechs Tage nach der Befruchtung ist die befruchtete Eizelle (Zygote) zu einer Blastozyste herangereift. Diese besteht aus einer umhüllenden Zellschicht – dem so genannten Trophoblasten, aus dem der kindseitige Teil der Plazenta hervorgeht – und aus der inneren Zellmasse, aus der sich der Fötus entwickelt.
Zur Gewinnung der Stammzellen (Abbildung 3) wird der Trophoblast entweder durch die Anwendung von Antikörpern oder durch Laserstrahlen zerstört, was eine Fortentwicklung des Embryos unmöglich macht. Die nun zugängliche innere Zellmasse wird in einer Zellkulturschale in einem speziellen Nährmedium aufgenommen und kultiviert. Die ES-Zellen können unter den Zellkulturbedingungen weiter wachsen ohne sich zu differenzieren.
Daneben existieren auch Verfahren, die erlauben, ES-Zellen zu gewinnen ohne dabei die Fortentwicklung des Embryos aktiv abzubrechen. Diese haben bislang jedoch keine große Verbreitung erfahren.
Die künstliche Erzeugung von Blastozysten, die für die Gewinnung von ES-Zellen eingesetzt werden, ist auf verschiedene Art vorstellbar. Dementsprechend kann man ES-Zellen einteilen in:
- ES-Zellen aus durch In-vitro-Fertilisation (IVF) erzeugten Blastozysten (Abbildung 4).
- ES-Zellen aus durch Zellkerntransfer (SCNT) erzeugten Blastozysten (sog. Forschungs- oder therapeutisches Klonen (siehe Blickpunkt „Forschungsklonen”) (Abbildung 5).
- ES-Zellen aus durch Parthenogenese („Jungfernzeugung”) erzeugten Blastozysten.
Bislang wurden humane embryonale Stammzelllinien vor allem aus Embryonen gewonnen, die aus dem Versuch einer künstlichen Befruchtung durch IVF übriggeblieben sind. Außerdem ist es gelungen embryonale Stammzelllinien aus Embryonen zu isolieren, die auf dem Weg der Parthenogenese erzeugt wurden. Stammzellen aus Klon- oder Partheno-Embryonen und Stammzellen aus IVF-Embryonen unterscheiden sich wahrscheinlich vor allem im Hinblick auf ihre Immunverträglichkeit. Bei einer Transplantation mit Gewebe aus IVF-ES-Zellen erwartet man starke Abstoßungsreaktionen, wie sie bei der Transplantation von fremdem Gewebe auftreten. Bei einer Transplantation mit Gewebe aus SCNT-ES-Zellen, dem so genannten therapeutischen Klonen (siehe Blickpunkt „Forschungsklonen”), oder mit Geweben aus Stammzellen aus Parthenogenese, erwartet man hingegen keine oder nur geringe Abwehrreaktionen, insofern die Person, die den Zellkern spendet und die Person, die später Gewebe empfängt, genetisch identisch wären.
Prinzipiell könnte die Technik des Zellkerntransfers auch für das reproduktive Klonen genutzt werden. Bei einigen Säugetierarten wurden auf diese Weise Embryonen aus Zellkerntransfer in den Uterus eingesetzt. Der erste erfolgreiche Versuch bei Säugetieren war die Erzeugung von Klonschaf Dolly. Diese Methode ist allerdings mit hohen Missbildungs- und Sterblichkeitsraten verbunden.
Was sind die Ziele der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen und was wurde bereits erreicht?
Humane embryonale Stammzellen sind sowohl für die Grundlagenforschung als auch für die klinische Forschung von großem Interesse.
Grundlagenforschung
Die Grundlagenforschung dient der Suche nach grundlegenden Zusammenhängen und ist nicht unbedingt mit einer konkreten Zielsetzung hinsichtlich ihrer Anwendung verbunden. In der Grundlagenforschung an ES-Zellen stehen die Aufklärung von molekularen Mechanismen bei der Spezialisierung einzelner Zellen im Vordergrund sowie die Untersuchung der Organisation von Zellen im Gewebeverband und in Organen. Darüber hinaus will man ein verbessertes Verständnis der Entwicklung und Regulation früher Stammzellstadien erreichen und die Mechanismen, die der Fähigkeit zur Vermehrung und Differenzierung zugrunde liegen, erforschen. Einige Forschungserfolge haben darüber hinaus in den vergangenen Jahren besondere Beachtung erfahren:
Induzierte pluripotente Stammzellen
Im Jahr 2007 veröffentlichten zwei Forschungsgruppen unabhängig voneinander Verfahren, mit denen erfolgreich menschliche somatische Zellen so reprogrammiert wurden, dass sie signifikante Eigenschaften von embryonalen Stammzellen aufwiesen. Derartige Zellen werden induzierte pluripotente Stammzellen (iPS-Zellen) genannt.
Eine Anwendung der Verfahren ist allerdings mit Risiken verbunden, an deren Beseitigung im Hinblick auf den Einsatz bei therapeutischen Verfahren aktuell viel geforscht wird. Bei den bisherigen Verfahren war es zur Reprogrammierung notwendig, dass vier bestimmte Gene (Oct4, Sox2, c-Myc und Klf4) in die jeweilige Zelle eingeschleust werden. Viren dienten hierbei als Vehikel zum Einschleusen der Gene; eine Methode welche unter anderem ein erhöhtes Krebsrisiko mit sich bringen kann. Eine breite therapeutische Anwendung von Gewebezellen, die aus den reprogrammierten Zellen gewonnen werden, ist daher zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, auch wenn es bereits erste klinische Anwendungen gab.
Induzierte pluripotente Stammzellen bieten in ethischer Hinsicht den Vorteil, dass es zu deren Gewinnung nicht nötig ist, einen Embryo zu zerstören, sondern lediglich adulte Zellen umprogrammiert werden. Mit dem als tetraploide Embryo-Komplementierung bekannt gewordenen Verfahren ist es jedoch theoretisch möglich, aus diesen adulten Zellen zunächst iPS-Zellen und anschließend auch vollständig lebensfähige Organismen zu generieren, was dann einem reproduktiven Klonen entspräche.
Stammzellen-Klonen zu Forschungszwecken
Die Gewinnung embryonaler Stammzellen nach Zellkerntransfer (sog. Klonen zu Forschungszwecken bzw. therapeutisches Klonen) beim Menschen erwies sich, abgesehen von den damit verbundenen ethischen und rechtlichen Problemen, lange Zeit als technisch nicht durchführbar.
Im Mai 2013 gelang amerikanischen Forschenden von der Oregon Health and Science University in Portland erstmals die Gewinnung menschlicher embryonaler Stammzellen aus geklonten Embryonen (SCNT-ES-Zellen). Das Wissenschaftsteam um Masahito Tachibana und Shoukhrat Mitalipov hatte zunächst den Zellkern von adulten menschlichen Hautzellen in entkernte Spender-Eizellen transferiert, wie es im Jahre 2008 bereits von einer amerikanischen Forschungsgruppe um Andrew French beschrieben worden war. Für die Studie der Forschenden um Tachibana und Mitalipov wurden nur wenige Eizellen benötigt, da es ihnen mittels einer systematisch verbesserten Methode gelang, ein frühes Absterben der Embryonen zu verhindern. Nach einigen Zellteilungen wurden die Embryonen zerstört, um aus ihnen embryonale Stammzellen zu gewinnen, was in anderen Studien bis dahin entweder nicht gelungen oder gar nicht erst versucht worden war.
Im April 2014 publizierten Robert Lanza von der Biotechfirma ACT und Dong Ryul Lee vom Stem Cell Institute in Seoul die erfolgreiche Etablierung von Stammzelllinien, die durch ein Klonverfahren aus Hautzellen zweier bereits 35 beziehungsweise 75 Jahre alter Männern gewonnen wurden. Somit konnte im Vergleich zum Vorjahr gezeigt werden, dass die Gewinnung von Stammzellen auch mit Zellmaterial möglich ist, das genetisch und biochemisch schon zahlreiche Veränderungen sowie mutmaßlich Schäden an der DNA aufweist.
Ziel des therapeutischen Klonens ist es, aus den Körperzellen von erkrankten Personen genetisch identisches Ersatzgewebe herzustellen, das nicht durch Immunreaktionen abgestoßen wird. Die auf diese Weise gewonnenen Stammzellen ähneln denen, die aus befruchteten Embryonen gewonnen werden, und lassen sich unter anderem zu funktionsfähigen Nervenzellen, Herzmuskelzellen und Leberzellen ausdifferenzieren. Im November 2014 publizierten jedoch Forschende des Hamburger Universitätsklinikums Eppendorf eine Studie am Mausmodell in der Fachzeitschrift Cell Stem Cell, bei der es nach der Transplantation von SCNT-ES-Zellen zu Abstoßungsreaktionen gekommen war. Grund hierfür sind mitochondriale Unterschiede zwischen den transplantierten Zellen und den Zellen der empfangenden Person. Mitochondrien sind diejenigen Zellbestandteile, die der Energiegewinnung innerhalb der Zelle dienen. Da Mäuse eine vergleichsweise geringe Variabilität an Mitochondrien aufweisen, sind möglicherweise auch bei Menschen Immunreaktionen zu erwarten. Nach Meinung der Forschenden ist der SCNT jedoch nach wie vor ein vielversprechender Weg zu neuen Therapien, wenn das Abstoßungsproblem gelöst ist.
Mit dem Verfahren des SCNT befasste Wissenschaftler*innen betonen, dass ihre Forschung lediglich auf das therapeutische Klonen, nicht auf das reproduktive Klonen abziele. Ob dieses Verfahren zur Gewinnung embryonaler Stammzellen in der medizinischen Praxis jemals Anwendung finden wird, ist jedoch nicht zuletzt aufgrund der ethischen Bedenken, welche das Herstellen und Zerstören von Embryonen, die gesundheitliche Belastung der eizellspendenden Person sowie die mögliche Ausweitung auf das reproduktive Klonen betreffen, umstritten.
Erforschung ethisch unbedenklicher Verfahren der Gewinnung von Stammzellen
Die Grundlagenforschung untersucht, wie sich humane embryonale Stammzellen kultivieren, differenzieren und manipulieren lassen. Da einige Hinweise dahingehend bestehen, dass iPS-Zellen sich hinsichtlich Veränderungen im Genom von ES-Zellen unterscheiden, können diese spezifischen Abläufe nur an den ES-Zelllinien selber untersucht werden; iPS- oder auch adulte Stammzellen stellen für diesen Bereich somit bisher keine Alternative dar. Für die medizinische Forschung gelten ES-Zellen nach wie vor als Goldstandard, d. h. alle Alternativen werden an diesen gemessen.
Im Hinblick auf das Ziel, Gewebeersatz herzustellen, besteht das alternative Verfahren der ethisch weniger bedenklichen Transdifferenzierung. Mit der Technik der Transdifferenzierung wird versucht aus differenzierten, adulten Zellen (z. B. Hautzellen) ohne den Umweg über die Stammzelle andere, spezialisierte Zelltypen zu gewinnen (z. B. Nervenzellen). Hierbei werden, ähnlich zum iPS-Verfahren, Transkriptions- und Wachstumsfaktoren eingesetzt, um die Zellen umzuprogrammieren. Auch ist es möglich Vorläuferzellen bestimmter Gewebe herzustellen. Bei der Transdifferenzierung wird kein embryonales Gewebe benötigt. Transdifferenzierte Zellen scheinen vor allem für eine Anwendung in der regenerativen Medizin geeignet, da mit Hilfe dieser patient*inneneigenen Zellen Immun- und Abstoßungsreaktionen vermieden werden können. Die zu deren Herstellung notwendigen genetischen Modifikationen bergen jedoch das Risiko maligner Entartung. Aktuell wird die Technik zum Umprogrammieren von Zellen hauptsächlich zur Erforschung genetisch bedingter Erkrankungen genutzt.
Eine weitere gelegentlich diskutierte Alternative zur Forschung an humanen embryonalen Stammzellen ist die ausschließliche Forschung am Tiermodell. Auch an Mäuse-Stammzellen, so ein geläufiges Argument, lassen sich die Kultivierbarkeit sowie die Mechanismen der Differenzierung von Stammzellen erforschen. Die Forschung an diesen Zellen ist zudem nicht reglementiert und Vorexperimente mit ihnen dienen häufig der Planung und Rechtfertigung anschließender Folgeexperimente mit humanen Stammzellen. Abgesehen davon, dass die Forschung an Tieren ethisch gesehen auch kontrovers ist (siehe dazu Blickpunkt „Tierversuche in der Forschung”), besteht auch ein weiteres Problem in der Übertragbarkeit der Ergebnisse auf den Menschen. Die Differenzierungsmechanismen embryonaler Mäuse-Stammzellen werden zum Teil durch andere Wachstumsfaktoren gesteuert als bei humanen embryonalen Stammzellen.
In weiteren Forschungsansätzen wird versucht, mögliche ethische Bedenken bezüglich des Embryonenverbrauchs bei der Stammzellgewinnung zu umgehen. Zum Beispiel wird versucht, Stammzellen zu kultivieren, die zuvor aus Fruchtwasser isoliert wurden. So wurde beschrieben, dass aus derartigen Zellen bereits menschliche Fett-, Muskel-, Knochen-, Nerven- und Leberzellen gezüchtet worden sind.
Translationale Forschung
Die translationale Forschung umfasst die Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und deren Anwendung auf konkrete Ziele. Für einen noch relativ jungen Forschungsbereich wie die Stammzellforschung kommt diesen Zusammenhängen große Bedeutung zu.
Ein wichtiges Anwendungsziel ist die klinische Anwendung von Stammzellen. Inhalt translationaler Forschung ist unter anderem, wie sich humane embryonale Stammzellen differenzieren, wie auf ihrer Grundlage die Entstehung bestimmter Krankheiten besser verstanden werden kann und wie schließlich mithilfe von embryonalen Stammzellen Therapien entwickelt werden können.
Die translationale Forschung zu Stammzellen ist insbesondere auf diese Fragen aus der Grundlagenforschung ausgerichtet, deren Beantwortung eine Voraussetzung für den therapeutischen Einsatz von Stammzellen darstellt:
- Wie können ES-Zellen effizient gewonnen werden?
- Sind alle ES-Stammzelllinien gleich?
- Wie können ES-Zellen genetisch verändert werden?
- Wie wird die Differenzierung der Tochterzellen von Stammzellen reguliert?
- Welche neuen Methoden und Werkzeuge werden benötigt, um diese Differenzierung in vivo und in vitro zu messen und zu steuern?
Folgenden Kriterien sind im Hinblick auf eine mögliche klinische Anwendung sowohl von embryonalen Stammzellen als auch adulten Stammzellen zu berücksichtigen:
- Vermehrbarkeit: Die Stammzellen müssen in Kultur in ausreichender Menge vermehrbar sein.
- Differenzierbarkeit: Sie müssen sich zur Ausdifferenzierung in den jeweils benötigten Zelltyp anregen lassen.
- Reinheit: Es müssen ausdifferenzierte Zellen eines einzigen Zelltyps gewonnen werden können, keine Zellgemische.
- Zielgenaue Integrierbarkeit: Der Zell- oder Gewebeersatz muss sich im Körper an die richtige Stelle transplantieren lassen.
- Sicherheit vor Tumorbildung: Es muss gewährleistet werden, dass die Transplantate nicht unkontrolliert weiter wachsen oder Tumore bilden können.
- Dauerhafte therapeutische Effektivität: Die Transplantate müssen im Organismus ihre Funktionalität unter Beweis stellen und eine therapeutische Wirkung auch über einen längeren Zeitraum entfalten.
- Immunverträglichkeit: Die Zelltransplantate sollten vom Immunsystem des Empfängerorganismus nicht abgestoßen werden.
Forschung zur Differenzierung von humanen embryonalen Stammzellen
Seit der Gewinnung der ersten humanen ES-Zelllinien im Jahr 1998 sind im Bereich der Forschung mit embryonalen Stammzellen vielfältige Fortschritte zu verzeichnen. Im Rahmen von in vivo und in vitro Differenzierungen von humanen embryonalen Stammzellen ist es gelungen, sowohl verschiedene Vorläuferzellen als auch differenzierte Zellen aus humanen embryonalen Stammzellen zu generieren. Forschung in diesem Bereich findet insbesondere an Nervenzellen, Herzmuskel- und Blutgefäßzellen , Blutzellen, Bauchspeicheldrüsen- und Leberzellen statt. Die Zuordnung der Vorläuferzellen zu einer der genannten Gewebegruppen erfolgte dabei meist nicht durch den Nachweis ihrer Funktionalität, sondern aufgrund der von den Zellen gebildeten Oberflächenmoleküle. In einigen Fällen wurden die aus humanen ES-Zellen gewonnenen Vorläuferzellen in Modellorganismen, z.B. Ratten oder auch Affen, transplantiert. Es konnten Nachweise einer funktionalen Beteiligung der Zellen an Gewebeverbänden erbracht werden.
Im Juli 2006 wurde die Gewinnung von Spermien aus murinen embryonalen Stammzellen beschrieben. 2009 publizierte der Biotechnologe Kang Zou von der Universität Shanghai in Nature Cell Biology eine Studie, die zeigte, dass die Injektion von markierten (Maus-)Eistammzellen aus erwachsenen Mäusen in die Eierstöcke steriler Mäuse diesen zu Nachwuchs verhalf. 2016 stellte das Team des japanischen Stammzellforschers Katsuhiko Hayashi zum ersten Mal Eizellen sowohl aus embryonalen als auch induzierten pluripotenten Stammzellen vollständig in vitro her. Nach der künstlichen Befruchtung der Eizellen entstand daraus gesunder Nachwuchs. Die als In-vitro-Gametogenese bezeichnete Technik könnte beispielsweise Therapiemöglichkeiten gegen Unfruchtbarkeit eröffnen. Die Anwendung der Technik am Menschen ist zurzeit noch nicht möglich und zudem ethisch äußerst umstritten.
Forschung zur Entstehung von Krankheiten und neuen Therapiemöglichkeiten
Aufgrund ihrer Differenzierungseigenschaften sind ES-Zellen als Forschungsobjekt besonders geeignet, um eine Vielzahl von Entwicklungsprozessen im Detail zu untersuchen. Diese können z. B. eingesetzt werden, um die Entstehung bestimmter Krankheiten auf molekularer Ebene zu erforschen. Ebenso erhoffen sich Forschende Erkenntnisse für die Entwicklung individuell maßgeschneiderter Therapien. Für die Entwicklung neuer oder bereits bestehender medikamentöser Therapien sind stammzellbasierte Modelle interessant, mit welchen sich spezifischere Aussagen über Wirksamkeit und Sicherheit treffen lassen können als im Tierversuch. Als Modellsysteme spielen hierbei aus Stammzellen hergestellte Organoide eine zunehmend wichtige Rolle.
Man erhofft sich zudem von ES-Stammzellen die Möglichkeit zur Schaffung von Gewebeersatz, besonders im Hinblick auf solche Gewebe, die nur ein geringes oder gar kein Regenerationsvermögen aufweisen, wie z. B. Nervengewebe. Es wird angenommen, dass ES-Zellen aufgrund ihrer Fähigkeit zur unbegrenzten Vermehrbarkeit eine schier unerschöpfliche Quelle zur Gewinnung von Zell- und Gewebeersatz darstellen. Ziel ist die Anwendung von ES-Zellen zur Behandlung von verschiedenen Krankheiten, z. B. neurodegenerativer Erkrankungen wie Morbus Parkinson und Multiple Sklerose, Diabetes sowie Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems. Angesichts der hohen Prävalenz an Herzerkrankungen in den Industriestaaten wird zudem die Entwicklung einer stammzellbasierten, regenerativen Therapie intensiv erforscht.
Auf dem Gebiet des Gewebeersatzes spielt auch die Forschung an adulten Stammzellen und iPS-Zellen eine zentrale Rolle. Einige therapeutische Verfahren, in denen adulte Stammzellen eingesetzt werden wie z. B. die Blutstammzelltransplantation, gelten inzwischen als etablierte Behandlungsmethoden.
Klinische Forschung
Im Rahmen der klinischen Forschung werden u.a. medizinische Interventionen auf ihre Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit an Patient*innen geprüft. Lange galt eine baldige klinische Anwendung der Stammzellforschung als unrealistisch. Angebote für stammzellbasierte Therapien wurden allenfalls von dubiosen Privatkliniken in Ländern ohne entgegenwirkende Regulierungen beworben. Zwischenzeitlich wurden jedoch verschiedene klinische Forschungsvorhaben durchgeführt, die Anlass zu einer Revision der vormaligen Einschätzung geben:
Im Oktober 2010 wurde im Shepherd Center in Atlanta, USA, erstmals ein Patient mit einer Rückenmarksverletzung mit embryonalen Stammzellen behandelt. Der Eingriff erfolgte im Rahmen einer im Januar 2010 von der US-Arzneimittelbehörde FDA zugelassenen klinischen Studie des Biotechnologieunternehmens Geron. Als Ziel der Phase 1-Studie galt zunächst, die Sicherheit der Methode bei der Anwendung beim Menschen zu prüfen. Langfristig geht es darum, dass Querschnittgelähmte ihre Gefühls- und Bewegungsfähigkeit zurückgewinnen. Im Rahmen der so genannten GRNOPC1-Therapie wurden fünf Patient*innen um die 2.000.000 Vorläuferzellen von Oligodendrozyten injiziert, die zuvor aus embryonalen Stammzellen aus einer bereits 1998 erstellten Linie gewonnen wurden. Die Forschenden hofften, dass sich auf diese Weise Oligodendrozyten bilden, welche Myelin produzieren, das einen zentralen Beitrag zur Weiterleitung von Nervenimpulsen leistet. Die Studie wurde 2011 aus finanziellen Gründen beendet.
2013 wurden das Verfahren sowie die Betreuung der bis dahin involvierten Proband*innen von dem Biotechnologieunternehmen Asterias übernommen. Es führt die klinische Forschung seit 2015 im Rahmen der SciStar Studie fort. Weiterhin soll die Verträglichkeit der Injektion sog. AST-OPC1 Zellen überprüft werden, die aus humanen embryonalen Stammzellen gewonnen werden. Die Gabe von unterschiedlich großen Mengen der Vorläuferzellen erfolgt dabei an Patient*innen mit einer nur kurz zurückliegenden Rückenmarksverletzung. Bisherige Zwischenergebnisse zeigen eine gute Verträglichkeit und auch eine Verbesserung im Hinblick auf die motorische Beweglichkeit, die jedoch in anschließenden Wirksamkeitsstudien untersucht werden muss.
Weitere klinische Studien wurden ab 2011 zum therapeutischen Einsatz von humanen embryonalen Stammzellen bei Erkrankungen der Netzhaut durchgeführt. Die teilnehmenden Patient*innen waren entweder an Morbus Stargardt (SMD), einer meist im Kindesalter beginnenden Degeneration der Makula (einem Teil der Netzhaut) oder an einer altersbedingten Form der Makuladegeneration (AMD) erkrankt. Beide Formen beeinträchtigen die Funktion des retinalen Pigmentepithels in der Netzhaut des Auges und führen zur Erblindung. Ein Forschungsteam um Steven Schwartz an der University of California untersuchte die Verträglichkeit einer Injektion von aus embryonalen Stammzellen entwickelten Pigmentepithelzellen. Um ethischen Bedenken bei der Verwendung von embryonalen Stammzellen zu begegnen, wurde im Rahmen der Studie die sogenannte blastomere Extraktion an Embryonen aus reproduktionsmedizinischen Zentren zum Einsatz gebracht. Bei diesem Verfahren wird Embryonen in einem sehr frühen Entwicklungsstadium eine von acht Zellen entnommen; die Embryonen bleiben dabei in der Regel erhalten.
Im Verlauf der Studie wurden Personen, die an SMD bzw. AMD erkrankt waren, die aus embryonalen Stammzellen gewonnenen Pigmentepithelzellen injiziert. Sie sollen die Funktion der erkrankten Zellen übernehmen bzw. unterstützen. Es wurde je ein Auge pro Person behandelt. Bezüglich der Verträglichkeit ebenso wie der Wirksamkeit waren erste positive Ergebnisse zu verzeichnen. Eine Anschlussstudie desselben Teams (2014) zur mittel- und langfristigen Verträglichkeit und dem Heilungserfolg des Verfahrens bestätigte die Ergebnisse der ersten Studie. Anschließend wurde eine Langzeit-Verträglichkeitsstudie durchgeführt.
Die Behandlung von Makuladegenerationen auf der Grundlage embryonaler Stammzellen bleibt weiterhin ein aktives Forschungsgebiet. Neben dem Nachweis der Wirksamkeit stehen insbesondere Verträglichkeitserwägungen im Vordergrund, wie etwa Angaben zur Häufigkeit von Tumorbildungen im Anschluss an die Injektion heterologer embryonaler Stammzellen. Ergänzt werden diese klinischen Studien durch die Forschung zur Möglichkeit eines therapeutischen Einsatzes von induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) mit demselben therapeutischen Ziel.
Dossier Stammzellforschung
Eine Zusammenstellung einschlägiger Gesetzestexte, Richtlinien und Stellungnahmen zur Stammzellforschung aus einer Vielzahl von europäischen und außereuropäischen Ländern bietet das Dossier Stammzellforschung (bis 2004) sowie die World Stem Cell Map der Medical School der University of Minnesota und die Karte der World Stem Cell Policies der Hinxton Group.
1. Internationale Regelungen
Weder auf der Ebene der Vereinten Nationen (UNO / UNESCO) noch auf gesamteuropäischer Ebene (Europarat / Europäische Union) existieren direkt einschlägige Regelungen zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen. Jedoch gibt es auf beiden Ebenen Stellungnahmen sowie Regelungen bzw. Regulierungsbemühungen in Bezug auf die Anwendung von Klontechniken im Humanbereich, die mittelbar auch für die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen relevant sind. Auf der Ebene der Europäischen Union sind ferner die im Zusammenhang mit dem neunten Forschungsrahmenprogramm „Horizont Europa” stehenden Regelungen in Bezug auf eine gemeinschaftliche Förderung der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen von Bedeutung.
UNO / UNESCO
In seinem Report „The Use of Embryonic Stem Cells in Therapeutic Research” vom 6. April 2001 stellt das International Bioethics Committee (IBC) der UNESCO fest, dass es sich bei der Frage, wie die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen zu regeln sei, um eine ethische Frage handele, deren Entscheidung das Recht wie auch die Pflicht einer jeden einzelnen Gesellschaft selber sei. Vor diesem Hintergrund spricht sich das IBC für staatlich geförderte, freie und informierte öffentliche Debatten auf nationaler Ebene aus. Es empfiehlt, Embryonenforschung, wo sie erlaubt wird, einer staatlichen Regulierung zu unterstellen, die eine angemessene Beachtung der ethischen Aspekte gewährleistet. Die Verwendung so genannter überzähliger Embryonen zur Stammzellforschung sei an die freie und informierte Zustimmung der Personen zu binden, die Embryonen spenden. Die Forschungsvorhaben sollen von Ethikkomitees überprüft werden. Ferner plädiert das IBC für eine sorgfältige Abwägung der Vorteile und Risiken alternativer Techniken der Stammzellgewinnung. Es bekräftigt, dass die Kerntransfertechnik nur im Rahmen therapeutischer Forschung genutzt werden solle.
In dem „Report of the IBC on Updating Its Reflection on the Human Genome and Human Rights” vom 2. Oktober 2015 spricht sich das IBC angesicht neuer Forschungserfolge wie den iPS-Zellen für eine risikoaverse Gesetzgebung nach dem Vorsorgeprinzip auf nationaler wie internationaler Ebene aus. Embryonale Stammzellforschung solle unstrittig sein – also einem möglichst breiten kulturellen und ethischen Kontext genügen. Die Verwendung von iPS-Zellen anstelle von ES-Zellen sei ein Schritt in diese Richtung. Zu den Bestimmungen zu Klonierungsfragen siehe: Blickpunkt „Forschungsklonen”.
Europarat
Nach Art. 18 Abs. 2 des am 4. April 1997 zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens zum Schutz der Menschenrechte und der Menschenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin ist „die Erzeugung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken verboten”. Art. 18 Abs. 1 ETS No. 164 lautet: „Die Rechtsordnung hat einen angemessenen Schutz des Embryos zu gewährleisten, sofern sie Forschung an Embryonen in vitro zuläßt”. Was unter einem angemessenen Schutz zu verstehen ist, wird jedoch nicht weiter ausgeführt. Damit bleibt den Mitgliedsstaaten eine bedingte Zulassung der Forschung mit so genannten überzähligen Embryonen unbenommen. Das Übereinkommen ist unter anderem auch von Deutschland noch nicht gezeichnet worden. Zu den Bestimmungen zu Klonierungsfragen siehe: Blickpunkt „Forschungsklonen”.
Europäische Union
Die von der Europäischen Kommission eingesetzte „Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der neuen Technologie (EGE)” führte im Vorfeld des Sechsten EU-Forschungsrahmenprogramms in ihrer Stellungnahme vom 14. November 2000 zu den ethischen Aspekten der Forschung und der Verwendung embryonaler Stammzellen aus, dass es im Rahmen des Europäischen Pluralismus jedem Mitgliedstaat selbst obliege, Embryonenforschung zu verbieten oder zu erlauben. Im letzteren Fall erfordere die Achtung der Menschenwürde eine Regelung der Embryonenforschung sowie Garantien gegen die Gefahr eines willkürlichen Experimentierens und einer Instrumentalisierung menschlicher Embryonen. Wo Forschung mit embryonalen Stammzellen erlaubt sei, müsse sie einer strengen öffentlichen Kontrolle durch eine zentrale Stelle ähnlich der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA) in Großbritannien unterstellt werden. Die Erzeugung von Embryonen mit für die Stammzellgewinnung gespendeten Keimzellen sei ethisch inakzeptabel, wenn so genannte überzählige Embryonen eine alternative Quelle darstellten. Auch sei die Herstellung von Embryonen durch Zellkerntransfer für die Erforschung von Stammzelltherapien gegenwärtig noch verfrüht, weil ein großer Bereich der Forschung zunächst mit alternativen Quellen humaner Stammzellen (von so genannten überzähligen Embryonen, fetalen Geweben und adulten Stammzellen) durchzuführen sei. Am 20. Juni 2007, also kurz nach Beginn des Siebten EU-Forschungsrahmenprogramms brachte die EGE eine weitere, umfassendere Stellungnahme zu Forschungsprojekten und der Verwendung humaner embryonaler Stammzellen heraus. Neben den im Hinblick auf das Sechste EU-Forschungsrahmenprogramm entwickelten ethischen Kriterien zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen werden noch weitere Kriterien benannt. So wird darauf hingewiesen, dass, falls durch wissenschaftlichen Fortschritt Alternativen zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen gefunden würden, daraus eine sowohl ethische wie biowissenschaftliche Neubewertung der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen zu folgern sei. Außerdem wird auf die Rechte der Personen, die Embryonen spenden, verwiesen und damit insbesondere auf die Notwendigkeit aufgeklärter Einwilligungsverfahren im Zusammenhang mit Embryonenspenden.
In dem großangelegten EU-Förderprogramm „Horizont Europa” (engl. Horizon Europe) werden die vorhergehenden EU-Forschungsrahmenprogramme weitergeführt und ausgebaut, das Budget beträgt rund 95,5 Milliarden Euro für den Zeitraum von 2021 bis 2027. Unter die Programmsäule „Globale Herausforderungen und industrielle Wettbewerbsfähigkeit Europas“ fällt hierbei als erster von sechs Clustern der Forschungsbereich „Gesundheit”, für dessen Förderung ein Subbudget von 8,2 Milliarden Euro bereitgestellt ist. Schwerpunkte sind hierbei unter anderem die Erforschung von Erkrankungen, deren Therapie, Management und Prävention sowie die Verbesserung von Gesundheitsversorgung und Pflege. Im Rahmen dieser Forschungsziele ist eine EU-Förderung von Forschungsarbeiten, die sich auf eine Verwendung bereits etablierter Stammzelllinien beschränken, vorgesehen. Der ethische Rahmen für Horizont Europa ist eng an das vorangehende Siebte und Achte EU-Forschungsrahmenprogramm angelehnt. Dieser ethische Rahmen stützt sich auf die Empfehlungen der Europäischen Gruppe für Ethik in den Naturwissenschaften und neuen Technologien anlässlich der Gestaltung des Siebten Forschungsrahmenprogramms. Die Wahrung ethisch relevanter Grenzen wird demnach durch ein dreifaches System gesichert. Zunächst müssen EU-Projekte mit den Gesetzen des Landes in Einklang stehen, in dem sie durchgeführt werden. Alle Projekte werden zudem nach dem Peer-Review-Verfahren hinsichtlich Angemessenheit und Notwendigkeit der Nutzung humaner ES-Zellen geprüft. EU-Mittel dürfen nicht zur Gewinnung neuer Stammzelllinien verwendet werden oder für Forschungsarbeiten, bei denen Embryonen, z.B. zur Beschaffung von Stammzellen, zerstört werden. Parlament und Rat gaben am 11. Dezember 2020 eine gemeinsame Verordnung heraus, die die Inhalte und Bedingungen des Programms festlegt, woraufhin Horizont Europa am 1. Januar 2021 in Kraft trat und plangemäß bis zum 31. Dezember 2027 läuft.
Nicht zuletzt ist auch die Frage nach einer möglichen Patentierbarkeit von Stammzellen zu klären. Einen ersten Schritt in dieser Sache unternahm das Bundespatentgericht 2006 für Deutschland. Hinsichtlich eines europäischen Stammzellpatents antwortete der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Grundsatzurteil vom 18. Oktober 2011. Anlass hierfür war ein Antrag des Bundesgerichtshofes (BGH) von 2009, in welchem um die Klärung des Falles Brüstle auf europäischer Ebene gebeten wurde. Das Gericht folgte in seinem Urteil im Wesentlichen dem Schlussantrag des unabhängigen Generalanwalts der Großen Kammer des EuGh, Yves Bot, und stellte insbesondere drei Punkte heraus: „Jede menschliche Eizelle vom Stadium ihrer Befruchtung an, jede unbefruchtete menschliche Eizelle, in die ein Zellkern aus einer ausgereiften menschlichen Zelle transplantiert worden ist, und jede unbefruchtete menschliche Eizelle, die durch Parthenogenese zur Teilung und Weiterentwicklung angeregt worden ist, ist ein ‚menschlicher Embryo’.” Weiter stellte der EuGH fest, dass der Ausschluss von der Patentierung nach Art. 6 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 98/44, der die Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken betrifft, sich auch auf die Verwendung zu Zwecken der wissenschaftlichen Forschung bezieht, und nur die Verwendung zu therapeutischen oder diagnostischen Zwecken, die auf den menschlichen Embryo zu dessen Nutzen anwendbar ist, Gegenstand eines Patents sein kann. Darüber hinaus ist jede Erfindung nach Art. 6 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 98/44 von der Patentierung ausgeschlossen, „wenn die technische Lehre, die Gegenstand des Patentantrags ist, die vorhergehende Zerstörung menschlicher Embryonen oder deren Verwendung als Ausgangsmaterial erfordert, in welchem Stadium auch immer die Zerstörung oder die betreffende Verwendung erfolgt, selbst wenn in der Beschreibung der beanspruchten technischen Lehre die Verwendung menschlicher Embryonen nicht erwähnt wird”. Es sei allerdings Sache des nationalen Gerichts, „im Licht der technischen Entwicklung festzustellen, ob eine Stammzelle, die von einem menschlichen Embryo im Stadium der Blastozyste gewonnen wird, einen ‚menschlichen Embryo’ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 98/44 darstellt.”
Mit einem weiteren Urteil des EuGH am 18. Dezember 2014 erfuhr das Urteil vom 18. Oktober 2011 eine Korrektur. Der EuGH entschied mit diesem über grundsätzliche Einwände des britischen Patentamts gegenüber einer Patentanmeldung der kanadischen Biotechnologie-Firma Stem Cell Corporation. Mit Rücksicht auf das Brüstle-Urteil des EuGH von 2011 hatte die britische Behörde den EuGH in dieser Sache um Klärung gebeten, da für das Patent relevante Verfahren auf der Verwendung humaner embryonaler Stammzellen beruhen, die durch Parthenogenese erzeugt werden. Das Urteil von 2011 schließt diese jedoch ausdrücklich von der Patentierbarkeit aus. Mit dem Urteil vom 18. Dezember 2014 wich der EuGH jedoch, der Empfehlung des Generalanwalts Cruz Villalón folgend, ausdrücklich hiervon ab. Demnach sind Parthenoten, das sind unbefruchtete Eizellen, die durch chemisch-elektrische Aktivierung in einen Prozess ähnlich der embryonalen Entwicklung eingetreten sind, keine menschlichen Embryonen, weil sie nicht die inhärente Fähigkeit besitzen, sich zu einem Menschen zu entwickeln. Das Gericht erklärt in seiner Urteilsbegründung, dass es den Grundsätzen nach denen das Urteil im Falle Brüstle gefällt wurde folge, dass jedoch die mittlerweile zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zu einer Neubewertung der Einordnung von Parthenoten als menschliche Embryonen geführt habe.
Am 13. September 2013 gab die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Einer von uns” auf ihrer Internetseite bekannt, dass sie die nötige Anzahl an Unterschriften gesammelt hat, um den Anspruch zu erheben, ihr Anliegen direkt vor der EU-Kommission vorzutragen, welche daraufhin zu diesem öffentlich Stellung nehmen musste. Die EBI kritisierte u. a., dass die Forschung an embryonalen Stammzellen und an Klonierungsverfahren teilweise mit Steuergeldern aus EU-Staaten finanziert wird, in denen die Forschung unter Inkaufnahme des „Verbrauchs”, also der Zerstörung eines Embryos, verboten ist. Nach Auffassung der Initiator*innen der EBI legt die Urteilsbegründung zum Grundsatzurteil des EuGH vom 18. Oktober 2011 zur Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen auf der Grundlage von Stammzellen vielmehr nahe, die Finanzierung Embryonen verbrauchender Forschung auf Europäischer Ebene zu beenden. Am 28. Mai 2014 gab die Europäische Kommission eine Stellungnahme heraus, mit der die bisherige Rechtslage verteidigt und die Petition abgewiesen wurde. In der Begründung dazu heißt es, dass die Vorschriften des zu der Zeit geltenden EU-Forschungsrahmenprogramms Horizont 2020 der komplexen Problemlage angemessen gut konzipiert seien und höchsten ethischen Standards genügten. Zudem wurde darauf verwiesen, dass der EuGH im sogenannten Brüstle-Urteil vom 18. Oktober 2011, auf das sich die Initiator*innen von „Einer von uns” hinsichtlich ihrer Ziele berufen, seinem Entscheid selbst ausschließlich patentrechtliche Bedeutung zuschreibt und damit keine Anwendung auf andere Rechtsgebiete, wie etwa Förderrichtlinien, intendiert.
Internationale Gesellschaft für Stammzellforschung (ISSCR)
Die Internationale Gesellschaft für Stammzellforschung (The International Society for Stem Cell Research - ISSCR) wurde im Jahr 2002 gegründet und ist eine unabhängige gemeinnützige Gesellschaft. Sie hat zur Aufgabe, den Austausch über Stammzellforschung zu fördern. Im Dezember 2006 veröffentlichte sie einen Katalog von Standards für die Arbeit mit humanen embryonalen Stammzellen. Forschende sollen sich per Selbstverpflichtung an diese Verordnung halten und unter anderem auf das Klonen von Menschen zu Reproduktionszwecken verzichten, nur unter strengen Auflagen Mischwesen aus Mensch und Tier (Chimären) herstellen und die Bezahlung von Eizellspenden einschränken. Darüber hinaus will die ISSCR erreichen, dass nur noch solche Studien von den namhaften Zeitschriften publiziert werden, bei denen diese Standards eingehalten worden sind.
Am 12. Mai 2016 veröffentlichte die ISSCR eine Erweiterung ihrer Richtlinien für die Stammzellforschung. Die Gesellschaft reagierte damit einerseits auf neue Forschungsergebnisse, wie der Herstellung von induzierten pluripotenten Stammzellen, andererseits aber auch auf das gestiegene gesellschaftliche Interesse um Stammzellen und das vermehrte Entstehen von Kliniken, die wissenschaftlich zweifelhafte Stammzelltherapien anbieten. Daher wird in der Erweiterung die Verbesserung der Kommunikation zwischen den in der Wissenschaft tätigen Personen und der Öffentlichkeit über die Möglichkeiten und Grenzen von Stammzellforschung gefordert.
Eine bedeutende Überarbeitung ihrer Richtlinien veröffentlichte das ISSCR im Mai 2021. Unter anderem lösen sie sich hierbei von der jahrzehntealten 14-Tage Regel. Diese begrenzte das Forschen an kultivierten Embryonen auf die ersten 14 Tage nach der Befruchtung. Da es den Forschenden vor 2016 methodisch nicht möglich war, menschliche Embryonen über 14 Tage in Vitro heranzuziehen, schloss jene Regel ihrer Zeit keine Forschungsprojekte aus. Diese methodische Barriere ließ sich in den letzten fünf Jahren jedoch aufheben. Der schnelle Fortschritt veranlasste einige Forschende dazu, die 14-Tage Regel als nicht mehr zeitgemäß anzusehen. Mit der Intention, Forschenden mehr Freiräume zu schaffen und so zu einem besseren Verständnis der menschlichen Entwicklung zu gelangen, lockerte das ISSCR seine Richtlinie. Anstelle einer Erweiterung der 14-Tage Grenze schlägt die Gesellschaft nun vor, die Kultivierung von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken von Fall zu Fall zu prüfen.
2. Einzelstaatliche Regelungen
Zu den Regelungen der Stammzellforschung in den einzelnen Ländern Europas, aber auch weltweit, lesen Sie bitte auch den DRZE-Sachstandsbericht „Präimplantationsdiagnostik, Embryonenforschung, Therapeutisches Klonen - Ein vergleichender Überblick zur Rechtslage in ausgewählten Ländern”.
Belgien
In Belgien wird die Stammzellforschung durch das „Gesetz über die Forschung an Embryonen in vitro” vom 11. Mai 2003 geregelt. Demzufolge ist es in Belgien gesetzlich erlaubt, an Embryonen innerhalb von 14 Tagen nach der Befruchtung zu forschen. Bedingung ist, dass mit der Forschung therapeutische Ziele verfolgt und Erkenntnisse über die Prävention oder die Behandlung von Krankheiten gewonnen werden. Auch die Gewinnung neuer Kenntnisse in den Bereichen Fruchtbarkeit, Sterilität und Organ-Gewebetransplantation stellen Gründe für die Forschung an Embryonen in vitro dar, wenn keine anderen Forschungsmethoden qualitativ gleichwertige Ergebnisse versprechen. Die Herstellung von Embryonen eigens zu Forschungszwecken ist generell verboten, wird aber zugelassen, wenn die vorhandenen „überzähligen” Embryonen nicht den Bedarf des Forschungsvorhabens decken.
Deutschland
Das seit 1. Januar 1991 geltende Embryonenschutzgesetz verbietet die Erzeugung eines Embryos „zu einem anderen Zweck als der Herbeiführung einer Schwangerschaft”. Zudem untersagt es die Verwendung eines Embryos „zu einem nicht seiner Erhaltung dienenden Zweck”. Ferner stellt es denjenigen unter Strafe, „der künstlich bewirkt, dass ein menschlicher Embryo mit der gleichen Erbinformation wie ein anderer Embryo, ein Fötus, ein Mensch oder ein Verstorbener entsteht”. Als Embryo gilt dabei bereits „jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu einem Individuum zu entwickeln vermag”. Damit ist die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken untersagt. Ebenso ist die nicht ihrer Erhaltung dienende Verwendung von Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen verboten. Dieses Verbot gilt unabhängig davon, ob die auf diese Weise gewonnenen Stammzellen totipotent sind oder nicht, und erstreckt sich auch auf so genannte überzählige Embryonen. Ob das Embryonenschutzgesetz auch das so genannte therapeutische Klonen verbietet, oder ob diesbezüglich eine Regelungslücke vorliegt, wird innerhalb der Rechtswissenschaften kontrovers diskutiert.
Die Einfuhr und die Verwendung von embryonalen Stammzellen, die nicht totipotent sind, werden durch das am 28. Juni 2002 verabschiedete Stammzellgesetz geregelt. Demnach sind die Einfuhr und die Verwendung solcher Zellen nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig: Sie müssen „in Übereinstimmung mit der Rechtslage im Herkunftsland vor dem 1. Januar 2002” und aus Embryonen gewonnen worden sein, die „im Wege der medizinisch unterstützten extrakorporalen Befruchtung zum Zwecke der Herbeiführung einer Schwangerschaft erzeugt worden” sind und „endgültig nicht mehr für diesen Zweck verwendet wurden”. Für die Überlassung dieser Embryonen zur Stammzellgewinnung darf „kein Entgelt oder sonstiger geldwerter Vorteil gewährt oder versprochen” worden sein. Ferner müssen die mit den Stammzellen verfolgten Forschungsarbeiten „hochrangigen Forschungszielen” dienen und „soweit wie möglich in In-vitro-Modellen mit tierischen Zellen oder in Tierversuchen vorgeklärt” worden sein. Der angestrebte wissenschaftliche Erkenntnisgewinn darf sich „voraussichtlich nur mit embryonalen Stammzellen erreichen” lassen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist von einer „durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Gesundheit zu bestimmende[n] Behörde aus seinem Geschäftsbereich” zu überprüfen, die dabei von einer bei ihr einzurichtenden, interdisziplinär zusammengesetzten, unabhängigen „Zentrale[n] Ethik-Kommission für Stammzellforschung” zu beraten ist.
Zuständige Behörde ist gemäß einer entsprechenden Verordnung vom 18. Juli 2002 das Robert Koch Institut (RKI). Eine laufend aktualisierte Übersicht über die bisher genehmigten Forschungsprojekte findet sich auf den Internet-Seiten des RKI (April 2022: 177 Genehmigungen).
Als besonderes Problem von deutschen Forschenden wird die eingeschränkte Nutzung der verstärkten Förderung von Stammzellforschung mit EU-Mitteln betrachtet. Aufgrund der restriktiven Gesetzgebung ist es deutschen Forschenden nur in wenigen Fällen möglich, EU-Stammzellforschungsförderung in Anspruch zu nehmen.
Nach langer kontroverser Diskussion stimmte der Deutsche Bundestag am 11. April 2008 für eine Änderung des Stammzellgesetzes. Dabei wurde eine Verschiebung des Stichtags zum Import von embryonalen Stammzellen vom 01. Januar 2002 auf den 01. Mai 2007 beschlossen. Anstoß zur erneuten Debatte und schließlich zur Änderung des Gesetzes gaben Positionspapiere der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) sowie des Nationalen Ethikrats aus den Jahren 2006 und 2007.
Zudem stellt sich das Problem der Patentierung von Forschungsverfahren und ‑ergebnissen mit embryonalen Stammzellen. Im Jahr 1999 hatte der Bonner Forscher Prof. Oliver Brüstle das Patent darauf erhalten, aus menschlichen Embryonen neuronale Stammzellen zu entwickeln, die für die Behandlung von Morbus Parkinson eingesetzt werden sollten. Aufgrund des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung und die guten Sitten, welcher mit der Zerstörung der benötigten Embryonen einhergehe, klagte die Umweltorganisation Greenpeace gegen dieses Patent. Das Bundespatentgericht erklärte am 5. Dezember 2006 das 1999 erteilte Patent in Hinblick auf den Verstoß gegen die öffentliche Ordnung sowie mit Verweis auf das Embryonenschutzgesetz und das Stammzellgesetz in Teilen für nichtig. Da das patentierte Verfahren eine zwangsläufige Vernichtung der Embryonen zu letztlich kommerziellen und gewerblichen Zwecken beinhalte, widerspreche es der den Embryonen zukommenden Menschenwürde. Personen, die diese Entscheidung kritisieren, betonen, dass der Patentschutz als Anreiz für innovative wissenschaftliche Unternehmungen in diesem medizinisch vielversprechenden Bereich nötig sei und dass es aufgrund der Regulierungen bezüglich der Gewinnung und Aufbewahrung der Zellen keine hinreichenden Belege dafür gebe, dass die geäußerten Kommerzialisierungsbefürchtungen gerechtfertigt seien. Im Rahmen des anschließenden Berufungsverfahrens reichte der Bundesgerichtshof (BGH) die Sache zur Klärung einiger grundsätzlicher Fragen zunächst im November 2009 an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weiter. Die Vorgaben des Grundsatzurteils des EuGH vom 18. Oktober 2011 überführte der BGH am 27. November 2012 in nationales Recht. Demnach ist die Nutzung von aus Embryonen gewonnenen menschlichen Stammzellen in Deutschland auch weiterhin nicht patentierbar. Der Einsatz embryonaler Stammzellen als solcher ist nach dem Urteil jedoch keine Verwendung von Embryonen, da Stammzellen die Fähigkeit fehlt, den Prozess der Entwicklung eines Menschen in Gang zu setzen. Patente auf der Grundlage von embryonalen Stammzellen sind demnach durchaus möglich, wenn die zu deren Gewinnung eingesetzten Zelllinien ohne Zerstörung von Embryonen gewonnen worden sind. Auch Verfahren, welche die Verwendung von Zelllinien einschließen, die aus nicht mehr entwicklungsfähigen Embryonen gewonnen wurden, sind demnach patentierbar. So wurde Brüstle, der einen sich auf ebensolche Methoden der Gewinnung embryonaler Stammzellen beziehenden Hilfsantrag stellte, zunächst das Patent gewährt, bis es am 11. April 2013 jedoch vom Europäischen Patentamt (EPA) mit der rechtstechnischen Begründung widerrufen wurde, dass solche Entnahmeverfahren zum Zeitpunkt der Anmeldung des Patents öffentlich noch nicht bekannt waren. Welche Formen der Stammzellforschung eine „Verwendung von Embryonen” darstellt, wurde mit dem Urteil des EuGH vom 18. Dezember 2014 weiter spezifiziert. Demnach sind Verfahren, die auf der Verwendung humaner embryonaler Stammzellen beruhen, die durch Parthenogenese erzeugt wurden, grundsätzlich patentierbar (vgl. den Absatz weiter oben im Abschnitt „Europäische Union“ zur Regelung der Patentierbarkeit embryonaler Stammzellen).
Frankreich
In Frankreich wird die Forschung an embryonalen Stammzellen seit 1994 durch das Gesetzbuch zur öffentlichen Gesundheit (Code de la santé publique) geregelt. Die darin enthaltenen Regelungen wurden mehrfach durch Bioethik-Gesetze (Lois relatives à la bioéthique) ergänzt.
Seitdem sind in Frankreich die Herstellung von Embryonen für Forschungszwecke oder kommerzielle Zwecke wie auch das Klonen zu Forschungszwecken und zu reproduktiven Zwecken verboten. Mit dem Gesetz 2011-814 vom 7. Juli 2011 zur Bioethik änderte sich die Gesetzgebung dahingehend, dass unter strengen Auflagen die Forschung an Embryonen und embryonalen Stammzellen erlaubt ist. Unter anderem dürfen seither „überzählige” Embryonen für medizinische Forschungszwecke verwendet werden, die aus einer in vitro Befruchtung hervorgegangen sind und die nicht mehr für eine Elternschaft vorgesehen sind. Seit dem Änderungsgesetz von 2021 dürfen weiterhin unter strengen Auflagen embryonale Stammzellen auch zu Fragen der Grundlagenforschung untersucht werden. Die Einhaltung der umfassenden Vorschriften zur Forschung an embryonalen Stammzellen sowie die Zulassung der Forschungsanträge wird in Frankreich von der Agence de la biomédecine kontrolliert.
Großbritannien
Nach dem Fertilisation and Embryology Act von 1990 dürfen Embryonen unter bestimmten Voraussetzungen für Forschungszwecke verwendet und „auch durch Kerntransfer, das so genannte therapeutische Klonen” erzeugt werden. Zu den Voraussetzungen gehört, dass die genetischen Eltern zustimmen und der für die Forschung verwendete Embryo noch keinen Primitivstreifen hat bzw. nicht älter als 14 Tage ist. Zudem muss eine Lizenz der zuständigen Kontrollbehörde, der Human Fertilisation and Embryology Authority (HFEA), vorliegen. Bedingung für die Lizenzvergabe ist, dass das Forschungsvorhaben darauf abzielt, Infertilitätstherapien oder Verhütungsmethoden zu verbessern, Kenntnisse über die Ursachen von Fehlgeburten oder Erbkrankheiten zu vermehren oder Methoden zur Entdeckung von Gen- oder Chromosomanomalien bei Embryonen vor der Implantation zu entwickeln. Das Forschungsvorhaben muss im Hinblick auf diese Ziele alternativlos sein. Eine revidierte Fassung des Human Fertilisation and Embryology Acts 1990 aus dem Jahr 2008 (HFE Act 2008) soll unter anderem sicherstellen, dass sämtliche humane Embryonen betreffende Entstehungs- und Nutzungsmethoden behördlich reguliert werden.
Durch die am 31. Januar 2001 in Kraft getretenen Human Fertilisation and Embryology (Research Purposes) Regulations wurde die Liste lizenzfähiger Forschungsziele im Blick auf die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen erweitert. Demnach können die Verwendung wie auch die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken auch dann eine Lizenz erhalten, wenn die Forschungsvorhaben die Absicht verfolgen, das Wissen über die Embryonalentwicklung oder über schwere Krankheiten zu erweitern oder derartiges Wissen in die Entwicklung von Therapien für schwere Krankheiten umzusetzen. Eine laufend aktuell gehaltene Liste der bisher lizenzierten Forschungsprojekte mit humanen embryonalen Stammzellen befindet sich auf den Internet-Seiten der HFEA. Im Februar 2016 hat erstmals weltweit die HFEA der Forscherin Kathy Niakan und ihrem Team die Erlaubnis erteilt, genetische Veränderungen an überlebensfähigen Embryonen vorzunehmen.
Nachdem die HFEA zunächst Sondergenehmigungen für zwei Forschungsvorhaben erteilte, in denen Mensch-Tier-Mischwesen erzeugt und untersucht wurden, ist seit 2008 mit dem Human Fertilisation and Embryology Act 2008 die Forschung an Mensch-Tier-Mischwesen in Großbritannien unter strengen Auflagen nach dem geltenden Gesetz zulässig.
Die Niederlande
Stammzellforschung wird in den Niederlanden durch den Embryo Act von 2002 geregelt. Zuvor war Forschung an bereits existierenden Stammzelllinien erlaubt, die Regelungen bedurften jedoch einer Ergänzung. Dem Embryos Act zufolge ist zwar die Erzeugung von Embryonen zu Forschungszwecken verboten, die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen indes erlaubt. Dazu dürfen Stammzellen aus so genannten überzähligen Embryonen bis 14 Tage nach der Befruchtung und nach vorheriger Einwilligung der Eltern gewonnen werden. Die derartige Gewinnung von Stammzellen und auch ihre Nutzung für die Forschung bedarf der Genehmigung durch die Kontrollbehörde Central Committee on Research Involving Human Subjects (CCMO).
Die Schweiz
Nach einer Volksabstimmung am 28. November 2004 reguliert in der Schweiz das Stammzellenforschungsgesetz (StFG) vom 19. Dezember 2003 die Forschung mit embryonalen Stammzellen. Die Stammzellforschungsverordnung konkretisiert das Gesetz und legt unter anderem die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Forschungsprojekts mit Stammzellen dar. Hiernach ist zwar die Herstellung von Embryonen eigens zu Forschungszwecken verboten, Stammzellen dürfen aber aus „überzähligen” Embryonen bis zum siebten Tag ihrer Entwicklung gewonnen werden, wenn das Elternpaar damit einverstanden ist und das Bundesamt für Gesundheit das entsprechende Forschungsprojekt bewilligt. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) der Schweizerischen Eidgenossenschaft stellt Informationen zu Forschungsprojekten unter Verwendung von humanen ES-Zellen in der Schweiz bereit. Gegenstand des Forschungsprojekts muss die Feststellung, Behandlung und Verhinderung menschlicher Krankheiten oder die Entwicklungsbiologie des Menschen sein. Dabei muss gewährleistet werden, dass qualitativ gleichwertige Erkenntnisse nicht auf anderem Weg gewonnen werden können und das Projekt ethisch vertretbar ist. Zudem dürfen aus „überzähligen” Embryonen gewonnene embryonale Stammzellen zu Zwecken der Forschung nach einer Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit aus dem Ausland importiert werden. Exportiert werden dürfen Stammzellen nur dann, wenn im Zielland eine der schweizerischen Forschungsbedingungen entsprechende Rechtslage herrscht.
USA
In den USA wird die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen bislang nicht explizit auf Bundesebene geregelt. Vielmehr liegt die diesbezügliche Gesetzgebungskompetenz bei den einzelnen Staaten. Auf der Bundesebene wird jedoch dahingehend auf die Forschung mit embryonalen Stammzellen Einfluss genommen, als dass hier über die Forschungsförderung mit öffentlichen Mitteln entschieden wird. Private und öffentlich geförderte Forschung unterliegen damit unterschiedlichen Bestimmungen. Privat finanzierte Forschung ist weniger strengen Auflagen unterworfen und darf eigens zu Forschungszwecken erzeugte Embryonen verwenden.
Der ehemalige Präsident George W. Bush hatte im Jahr 2001 eine staatliche Unterstützung für Forschungsprojekte mit Stammzelllinien, die nach August 2001 hergestellt worden waren, untersagt. Die Förderung wurde zudem auf Forschung an solchen embryonalen Stammzelllinien beschränkt, die aus „überzähligen”, ursprünglich zu Fortpflanzungszwecken erzeugten Embryonen und mit dem informierten Einverständnis der Spendenden gewonnen worden waren. Diese Beschränkung der staatlichen Finanzierung auf Forschung an älteren Stammzelllinien wurde im März 2009 von dem damals amtierenden Präsidenten Barack Obama teilweise außer Kraft gesetzt. Staatliche Mittel durften nun auch Wissenschaftler*innen zuteilwerden, die mit neueren Stammzelllinien forschten. Beibehalten wurde die Bestimmung, dass allein an Stammzelllinien aus „überzähligen” Embryonen geforscht werden durfte, diese also nicht eigens zum Zweck der Stammzellgewinnung erzeugt werden durften.
Ende August 2010 klagte eine Gruppe, die aus mehreren christlichen Organisationen sowie Forschenden adulter Stammzellen bestand, einen vorläufigen Stopp der finanziellen Förderung per Eilentscheidung ein. Sie argumentierte, dass die derzeitige wissenschaftliche Praxis das Töten von menschlichen Embryonen erfordere und daher nicht durch den Staat zu unterstützen sei. Anfang April 2011 wurde in einer Entscheidung des United States Court of Appeals das vorläufige Verbot der Finanzierung von Stammzellforschung mit öffentlichen Mitteln ganz aufgehoben. Die Klage der christlichen Organisationen sowie der Forschenden scheiterte. Die Entscheidung für die Finanzierung der Stammzellforschung auch mit öffentlichen Mitteln beruhte vor allem darauf, dass Millionen von schwer kranken Menschen durch die Forschung geholfen werden könnte und ein Forschungsstopp diesen Menschen erheblichen Schaden zuführen würde.
2019 wurde die Förderung der Forschung mit embryonalen Stammzellen mit öffentlichen Mitteln unter der Präsidentschaft von Donald Trump u. a. dadurch eingeschränkt, dass Forschende, die am NIH angestellt waren, keine Forschung an humanem fetalem Gewebe durchführen durften, das von freiwilligen Abtreibungen stammt. Ergänzend wurde in das NIH-Genehmigungsverfahren zur Forschungsförderung eine von dem US-Gesundheitsministerium (Department of Health and Human Services) zu besetzende Ethikkommission (The Human Fetal Tissue Research Ethics Advisory Board) eingeführt, die Anträge gesondert beurteilte. Die Arbeit dieser Ethikkommission wurde im September 2020 eingestellt. Weiterhin wurden 2021 unter der Präsidentschaft von Joe Biden die unter der Präsidentschaft von Donald Trump eingesetzten Einschränkungen der öffentlichen Förderung von Stammzellforschung wieder aufgehoben. Die übrigen Anforderungen an Forschungsprojekte zu embryonalen Stammzellen und deren Finanzierung bleiben bestehen.
Als Bundesbehörde stellen die National Institutes of Health (NIH) regelmäßig dar, wie viele Forschungsprojekte zur potenziellen Förderung registriert sind.
Eine bewährte Methode der ethischen Beurteilung einer Handlung besteht darin, zum einen nach der Legitimität der mit der Handlung verfolgten Ziele zu fragen, und zum anderen nach der Legitimität der hierbei angewandten Mittel.
Die von der Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen verfolgten Ziele, sei es die biologische Grundlagenforschung, sei es die Forschung in therapeutischer Absicht, werden gemeinhin nicht nur als legitim, sondern darüber hinaus sogar als hochrangig anerkannt. Uneinigkeit besteht jedoch in der Frage, ob die im Rahmen dieser Forschung eingesetzten Mittel vertretbar sind, insbesondere, ob die Verwendung und - nach gegenwärtigem Stand der Technik - v. a. die Zerstörung menschlicher Embryonen akzeptabel sein kann.
Diese Uneinigkeit zeigt sich nicht zuletzt in den gegenwärtigen Gesetzgebungsdebatten und den zum Teil deutlich voneinander abweichenden nationalen und internationalen Regelungen. Dabei kommen verschiedene ethische Aspekte und Überlegungen zum Tragen, die von den Teilnehmenden der Debatte teils unterschiedlich gewichtet werden.
Im Mittelpunkt der ethischen Diskussion steht die Frage nach der Schutzwürdigkeit des menschlichen Embryos, und ob diese es gestattet, Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen zu verbrauchen oder sogar eigens zu diesem Zweck zu erzeugen (1). Darüber hinaus wird diskutiert, ob eine etwaige Unzulässigkeit verbrauchender Embryonenforschung auch für so genannte überzählige Embryonen (2) und für Kerntransfer-Embryonen gilt, die nicht auf „herkömmlichem” Wege durch die Verschmelzung der Kerne zweier Keimzellen entstehen (3). Da die Vertretbarkeit der Mittel auch davon abhängt, welche anderen Mittel zur Verfügung stehen, spielt schließlich die Frage nach etwaigen Alternativen eine wichtige Rolle (4).
1. Die Frage nach der Schutzwürdigkeit des menschlichen Embryos
In der Auseinandersetzung um die Schutzwürdigkeit des menschlichen Embryos werden zwei unterschiedliche Grundpositionen vertreten.
Die erste Grundposition spricht dem Embryo von Beginn an - das heißt bereits mit Abschluss der Kernverschmelzung - dieselbe Schutzwürdigkeit zu, die dem geborenen Menschen aufgrund seines Personseins zu eigen ist. Der moralische Status des frühen Embryos wird daher ausgehend vom autonomen Subjekt, zu dem er sich der Möglichkeit nach entwickeln kann, bestimmt. Ein Embryo, gleich welcher Entwicklungsstufe, darf demnach niemals für fremde Zwecke, so hochrangig sie auch sein mögen, instrumentalisiert werden.
Gemäß der zweiten Grundposition kommt dem Embryo die dem geborenen Menschen aufgrund seines Personseins eigene Schutzwürdigkeit erst mit dem Erreichen einer bestimmten Entwicklungsstufe zu. Vor Erreichen dieser Entwicklungsstufe wird dem Embryo eine bloß abgestufte Schutzwürdigkeit zugesprochen.
Die verbrauchende Forschung mit Embryonen unterhalb der maßgeblichen Entwicklungsstufe ist demgemäß zwar moralisch rechtfertigungsbedürftig, aber nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Bei einer entsprechenden Hochrangigkeit der Ziele und Alternativlosigkeit der Mittel ist sie nicht nur moralisch zulässig, sondern gegebenenfalls auch geboten. Gleiches kann für die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken gelten.
Personen, die die erste Position vertreten, verwenden zumeist die folgenden Argumente. Zum einen besitze der Embryo von Anfang an das Potential, zur Person zu werden (Potentialitätsargument). Zudem entwickle sich der Embryo nach Abschluss der Kernverschmelzung in einem kontinuierlichen Prozess zur Person. Deshalb könne der Beginn der Schutzwürdigkeit, wolle man willkürliche Setzungen vermeiden, auch nur an diesem Zeitpunkt festgemacht werden (Kontinuitäts- und Identitätsargument). Außerdem widerspreche es dem Grundgedanken der Menschenwürde, den Würdeschutz von einer anderen Eigenschaft abhängig zu machen als allein der, ein menschliches Lebewesen zu sein (Argument der Spezieszugehörigkeit).
Personen, die der zweiten Position anhängen, die dem Embryo erst mit dem Erreichen einer bestimmten Entwicklungsstufe die volle Schutzwürdigkeit zuspricht, setzen unterschiedliche Entwicklungsstufen als maßgeblich an. Einige halten die Einnistung in den Uterus für entscheidend. Der Embryo sei erst von diesem Zeitpunkt an wirklich entwicklungsfähig. Andere plädieren für die Ausbildung des Primitivstreifens als Kriterium. Erst dann sei die Möglichkeit einer Mehrlingsbildung ausgeschlossen und die Individuation beendet. Wieder andere halten das Vorhandensein der neuronalen Voraussetzungen für solche Vermögen wie Schmerzempfindung oder Interessensfähigkeit für zentral. Diese seien erforderlich, um überhaupt Ansprüche unterhalten und darauf bezogene Schutzansprüche begründen zu können.
Die erste Position liegt dem deutschen Embryonenschutzgesetz zu Grunde, das die Herstellung von Embryonen zu Forschungszwecken wie auch die Verwendung von Embryonen zu einem nicht ihrer Erhaltung dienenden Zweck verbietet. Auf der zweiten Position baut das britische Regelungsmodell die Fertilisation and Embryology Act von 1990 / Human Fertilisation and Embryology (Research Purposes) Regulations von 2001 auf. Dieser zufolge ist es - unter bestimmten zusätzlichen Voraussetzungen - nicht nur erlaubt, „überzählige” Embryonen für definierte Forschungsziele bis zur Ausbildung des Primitivstreifens zu verbrauchen, sondern auch Embryonen eigens zu diesem Zweck herzustellen.
2. Die Frage nach der Zulässigkeit der Forschung mit so genannten überzähligen Embryonen
In zahlreichen Ländern, in denen In-vitro-Fertilisations-Behandlungen erlaubt sind und durchgeführt werden, gibt es so genannte überzählige Embryonen. Damit sind Embryonen gemeint, die bei einer In-vitro-Fertilisation (IVF) erzeugt, aber nicht in den Uterus übertragen wurden und von den Eltern auch nicht mehr für eine Übertragung gebraucht werden - etwa weil eines der Elternteile erkrankt oder verstorben ist, oder weil die Eltern keine weiteren Kinder bekommen möchten.
Für ihre Verwendung gibt es legal zwei Optionen: das Verwerfen der Embryonen oder das Spenden an ein anderes Paar. Als eine dritte Option wird die Nutzung der Embryonen durch die Forschung (wie z.B. zur Gewinnung von embryonalen Stammzellen) diskutiert.
Sollen überzählige Embryonen für die Gewinnung von Stammzellen genutzt und dabei zerstört werden dürfen?
Nach Meinung der Befürwortenden stellt ihre Verwendung zur Stammzellgewinnung keine unzulässige Instrumentalisierung dar. Diese Embryonen entwickelten sich ohnehin nicht mehr zu einem Kind und seien notwendig „dem Tode geweiht”. Es bestehe nur noch die Wahl, sie entweder absterben zu lassen oder unbegrenzt zu lagern.
Personen, die dies ablehnen, bezweifeln, dass solche Embryonen notwendig „dem Tode geweiht” sind. Sie verweisen auf die Möglichkeit der späteren Embryoadoption. Ferner führen sie die Bedenken an, dass die Freigabe so genannter überzähliger Embryonen für die Stammzellgewinnung Institutionen, die IVF anbieten oder nutzen künftig dazu verleiten könnte, künstlich noch mehr solcher Embryonen zu produzieren, um sie dann der Forschung zur Verfügung zu stellen.
Die Befürwortenden halten dem entgegen, dass eine künstliche Herstellung so genannter überzähliger Embryonen durch entsprechende Gesetze verhindert werden könne. Die Leopoldina schlägt als Befürworterin in ihrer Stellungnahme für den Fall einer Legalisierung der Forschung eine Kontrolle durch eine Bundesbehörde zusammen mit einer Ethikkommission vor. Die Embryoadoption wird von den Befürwortenden unter anderem mit dem Argument abgelehnt, dass sie eine Spaltung der Elternschaft bedingt, da die Person, die die Eizelle spendet, nicht dieselbe Person ist wie diejenigen, die den Embryo austrägt und anschließend die soziale Rolle des Elternteils ausfüllt (sogenannte „gespaltene Mutterschaft“). Dabei sei diese Spaltung mit erheblichen Risiken für das Kind verbunden.
3. Die Frage nach der Zulässigkeit der Forschung mit Kerntransfer-Embryonen und ihrer Erzeugung
Die Entwicklung vielseitiger patient*innenspezifischer Therapieverfahren bisher unheilbarer Krankheiten verspricht man sich durch den Einsatz spezifisch klonierter Stammzellen. Die Technik ihrer Gewinnung (Zellkerntransfer) sowie die rechtlichen Regelungen ihrer Verwendung und die ethische Diskussion werden im Blickpunkt „Forschungsklonen” dargelegt.
4. Die Frage nach den Alternativen zur Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen
Ethisch weniger problematische Mittel sind ethisch problematischeren Mitteln vorzuziehen, sofern sie zu denselben Zielen führen. Ethisch problematischere Mittel müssen deshalb zur Erreichung der angestrebten Ziele nicht nur geeignet, sondern auch notwendig sein, um ethisch vertreten werden zu können.
Kritiker*innen bezweifeln, dass die Forschung mit humanen embryonalen Stammzellen alternativlos ist. Sie gehen davon aus, dass die mit ihr verfolgten Ziele in der Grundlagen- wie auch in der therapeutischen Forschung sich auch mit gewebespezifischen adulten Stammzellen erreichen lassen. Die Gewinnung und Nutzung dieser Zellen sei ethisch weniger problematisch. Sie böten außerdem den Vorteil, dass sich aus ihnen leichter Zelltransplantate herstellen ließen, die auch immunkompatibel sind, da adulte Stammzellen direkt aus dem Organismus der transplantatempfangenden Person selbst gewonnen werden könnten. Mit embryonalen Stammzellen sei die Herstellung autologer Zelltransplantate nur über den Umweg des so genannten therapeutischen Klonens möglich. Zudem sei bei Zelltransplantaten, die aus adulten Stammzellen hergestellt würden, das Risiko, dass Tumore entstünden, geringer. Mit adulten Stammzellen habe man auch schon therapeutische Erfolge erzielt, während dies mit embryonalen Stammzellen noch nicht gelungen sei. Einige der mit adulten Stammzellen entwickelten therapeutischen Verfahren seien inzwischen sogar schon klinischer Standard.
Dem wird entgegengehalten, dass adulte Stammzellen im Vergleich zu embryonalen Stammzellen nach bisheriger Erkenntnis ein weitaus geringeres Differenzierungspotential aufweisen. Die Anzahl der Gewebetypen, die aus adulten Stammzellen gewonnen werden könnten, sei deshalb wahrscheinlich sehr beschränkt. Zudem ließen sich adulte Stammzellen oftmals gar nicht in dem Maß vermehren, wie es für die Herstellung von therapeutisch wirksamen Zelltransplantaten erforderlich sei. Für ein tieferes Verständnis der Mechanismen, nach denen sich humane Zellen differenzieren, redifferenzieren und vermehren, sei die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen unverzichtbar. Die Aufklärung dieser Mechanismen sei auch eine notwendige Voraussetzung für die Weiterentwicklung von adulten Stammzelltherapien.
iPS-Zellen galten lange als Hoffnungsträger für eine ethische unbedenkliche Alternative zur Forschung an humanen ES-Zellen. Jedoch werden gegen deren Einsatz auch Bedenken erhoben. Zum einen habe sich gezeigt, dass aufgrund epigenetischer Veränderungen die Ähnlichkeit zwischen ES-Zellen und iPS-Zellen geringer ist als zunächst angenommen, und dass letztere eine höhere Anfälligkeit für Mutationen aufweisen. Mehr zum Stand der Forschung an iPS-Zellen findet sich im naturwissenschaftlich-medizinischen Sachstand dieses Blickpunktes. Zum anderen haben Forschungserfolge an iPS-Zellen mit dem Verfahren der Tetraploiden Embryo-Komplementierung Zweifel an der ethischen Unbedenklichkeit des Zelltyps aufkommen lassen. Das genannte Verfahren erlaubte es im Mausmodell aus adulten Zellen zunächst iPS-Zellen und anschließend vollständig lebensfähige Organismen zu generieren. Laut einiger kritischer Stimmen macht der Umstand, dass auf diese Weise aus iPS-Zellen auch Embryonen gewonnen werden können, die Verwendung von iPS-Zellen hinsichtlich einer ethischen Bewertung mit ES-Zellen vergleichbar. Im Oktober 2009 hat die Berlin Brandenburgische Akademie der Wissenschaften zusammen mit der Nationalen Akademie der Wissenschaften (Leopoldina) eine Stellungnahme zu ethischen Aspekten dieser Technik der Stammzellgewinnung veröffentlicht. Der deutsche Ethikrat veröffentlichte im September 2014 eine Ad-hoc-Empfehlung.
Unkritisch in diesem Zusammenhang scheint bislang das noch junge Verfahren der Transdifferenzierung von Zellen. Bei diesem Verfahren wird versucht aus differenzierten, adulten Zellen (z.B. Hautzellen) ohne den Umweg über die Stammzelle andere, spezialisierte Zelltypen zu gewinnen (z.B. Nervenzellen). Auch ist es möglich Vorläuferzellen bestimmter Gewebe herzustellen. Bei der Transdifferenzierung wird kein embryonales Gewebe benötigt. Die zu deren Herstellung notwendigen genetischen Modifikationen bergen jedoch das Risiko maligner Entartung. Mehr zum Stand der Forschung an transdifferenzierten Zellen findet sich im naturwissenschaftlich-medizinischen Sachstand dieses Blickpunktes.
Für ein tieferes Verständnis der Mechanismen, nach denen sich humane Zellen differenzieren, redifferenzieren und vermehren, so argumentieren Befürwortende der Forschung an ES-Zellen, sei die Forschung an humanen embryonalen Stammzellen unverzichtbar. Die Aufklärung dieser Mechanismen sei auch eine notwendige Voraussetzung für die Weiterentwicklung von alternativen Stammzelltherapien.