Position der Bundesärztekammer

Die „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“

Die Bundesärztekammer veröffentlichte 2004 ihre „Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung". In diesen Grundsätzen wurde die „gezielte Lebensverkürzung durch Maßnahmen, die den Tod herbeiführen oder das Sterben beschleunigen" als „aktive Sterbehilfe" und somit als „unzulässig und mit Strafe bedroht" abgelehnt. Hingegen heißt es weiter, dass bei Sterbenden die „Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen" kann, „dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf". Lebensverlängernde Maßnahmen können nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Willen der betroffenen Person abgebrochen oder ihre Anwendung unterlassen werden, wenn sie „nur den Todeseintritt verzögern und die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann". Bei nicht-einwilligungsfähigen Patient*innen hat das ärztliche Fachpersonal hierzu eine Erklärung der gesetzlichen Vertretung einzuholen, die ggf. von einem Vormundschaftsgericht bestellt werden.

2011 erschien eine überarbeitete Version der Grundsätze. Dies war nach eigenem Bekunden der Bundesärztekammer aus zwei Gründen notwendig geworden: erstens durch die Neufassung des Betreuungsrechts und zweitens durch veränderte Grundhaltungen in der Ärzt*innenschaft, die mittels einer Umfrage 2009 erhoben worden ist. Dabei blieb, neben vielen weiteren Passagen, die programmatische Formel im ersten Satz der Präambel aus der Fassung von 2004 erhalten: „Aufgabe des Arztes ist es, unter Achtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen.“ Beide Präambeln weisen darauf hin, dass nicht immer das Leben erhalten werden kann und dass die ärztliche Verpflichtung, dies zu tun, begrenzt ist. Auch die schon aufgrund der rechtlichen Rahmenbedingungen konsequente Absage an eine strafbewehrte „aktive Sterbehilfe“ (2004) bzw. „Tötung des Patienten“ (2011) bleibt bestehen.

Bedeutend hingegen ist die Veränderung der Formulierung zum assistierten Suizid. Während es in der Fassung von 2004 heißt „[d]ie Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärztlichen Ethos und kann strafbar sein“, liest man in der Fassung von 2011 „[d]ie Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist keine ärztliche Aufgabe.“ Dass damit die Beihilfe zum Suizid nicht wesentlich in das Tätigkeitsfeld der ärztlichen Fachperson gehören soll, wird deutlich, dennoch ändert sich mit der neuen Formulierung der Tenor, auf den auch das Vorwort des Präsidenten der Bundesärztekammer Jörg-Dietrich Hoppe eingeht: „Diese eindeutige Aussage bekräftigt die Grundaussagen zur ärztlichen Sterbebegleitung. Sie tritt an die Stelle der bisherigen Feststellung, dass die Mitwirkung des Arztes an der Selbsttötung des Patienten dem ärztlichen Ethos widerspricht. Damit werden die verschiedenen und differenzierten individuellen Moralvorstellungen von Ärzten in einer pluralistischen Gesellschaft anerkannt, ohne die Grundausrichtung und die grundlegenden Aussagen zur ärztlichen Sterbebegleitung infrage zu stellen.“

Bundesärztekammer (2011): Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. In: Deutsches Ärzteblatt 108 (7) (18.02.2011), A346 – A348. Online Version

Bundesärztekammer (2004): Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. In: Deutsches Ärzteblatt 101 (19) (07.05.2004), A1298 – A1299. Online Version

Die „Hinweise der Bundesärztekammer zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB“

In Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Februar 2020, welches §217 als verfassungswidrig erklärte, und der daraus resultierenden Unsicherheit bezüglich der aktuellen Rechtslage, veröffentlichte die Bundesärztekammer eine Bekanntmachung mit Hinweisen zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen. Diese sind in Folge von Beratungen im Ausschuss für ethische und medizinisch-juristische Grundsatzfragen, im Vorstand der Bundesärztekammer und der Grundsatzdebatte auf dem 124. Deutschen Ärztetag 2021 formuliert worden. In der Präambel heißt es, die Hinweise „sollen Ärzten eine Orientierung geben, um eine eigene Position zu finden, wenn sie mit Wünschen nach einer ärztlichen Assistenz bei einem Suizid konfrontiert werden. Die individuelle Entscheidung in der konkreten Situation bleibt in der eigenen Verantwortung eines Arztes.“ In der Publikation wird primär erläutert, worin nach der Auffassung der Bundesärztekammer die Aufgaben und Funktionen von Ärzt*innen im Umgang mit schwerkranken oder sterbenden Patient*innen liegen, sowie der aktuelle Rechtsrahmen dargelegt hinsichtlich des Umgangs mit Suizidalität und Todeswünschen. Hervorgehoben wird der verständnisvolle und empathische Umgang mit den Patient*innen, sowie die gemeinsame und informierte Suche nach möglichen Wegen für eine Minderung oder Lösung des als unerträglich erlebten Leids oder der Beschwerden.

Dies gilt auch, sollte der oder die Patient*in den Wunsch zu sterben oder Suizidgedanken äußern, denn das „Gespräch über Suizidalität und Todeswünsche ist eine ärztliche Aufgabe“. Hingegen, wie es bereits in den Grundsätzen lautet, wird auch hier noch einmal wiederholt: „die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung [ist] keine ärztliche Aufgabe.“ In Bezug auf das Selbstbestimmungsrecht, welches bei der Aufhebung von §217 eine maßgebliche Rolle spielte, lautet es in den Hinweisen weiter: „Kein Arzt kann zur Mitwirkung an einer Selbsttötung verpflichtet werden.“ Auf das Selbstbestimmungsrecht könne sich zur Abwehr bestimmter Maßnahmen berufen werden, nicht aber für die Einforderung bestimmter Maßnahmen. Dennoch bleibt es bei der aktuellen gesetzlichen Lage dabei, dass es sich um eine individuelle Entscheidung des oder der Ärzt*in handelt, „ob er den an ihn herangetragenen Wunsch nach assistiertem Suizid nachkommt und ein solches Handeln mit seinem Gewissen und seinem ärztlichen Selbstverständnis vereinbaren kann.“

Bundesärztekammer (2021): Hinweise der Bundesärztekammer zum ärztlichen Umgang mit Suizidalität und Todeswünschen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu § 217 StGB. In: Deutsches Ärzteblatt 118 (29–30) (26. Juli 2021), A 1428 – A 1432. Online Version

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