Sterbehilfe
Stand: März 2022
Ansprechpartner*in: NN
Mit Sterbehilfe kann zum einen "Hilfe im Sterben", d. h. "Sterbebeistand" oder "Sterbebegleitung" gemeint sein. Sterbehilfe in diesem Sinne besteht in der Unterstützung Sterbender durch Pflege, schmerzlindernde Behandlung sowie menschliche Zuwendung und ist als dringendes Erfordernis im Umgang mit Sterbenden unumstritten. Zum anderen kann mit Sterbehilfe aber auch "Hilfe zum Sterben" gemeint sein. Sterbehilfe meint dann das Töten oder Sterbenlassen eines sterbenden, schwer kranken oder leidenden Menschen aufgrund seines eigenen, ausdrücklichen oder mutmaßlichen Verlangens oder Interesses.
Die Frage nach einer "Hilfe zum Sterben" wird mit Blick auf unterschiedliche Situationen diskutiert. In dieser Diskussion werden häufig vier Formen von Sterbehilfe im Sinne einer "Hilfe zum Sterben" unterschieden:
- "Sterbenlassen" / "Passive Sterbehilfe": Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen (unter Beibehaltung von "Grundpflege" und schmerzlindernder Behandlung),
- "Indirekte Sterbehilfe" / "Indirekte aktive Sterbehilfe": Schmerzlindernde Behandlung unter Inkaufnahme eines (nicht intendierten) Lebensverkürzungsrisikos,
- "Beihilfe zur Selbsttötung" / "Freitodbegleitung" / "Assistierter Suizid": Hilfeleistung zur Selbsttötung z.B. durch Beschaffung und Bereitstellung des tödlichen Medikaments,
- "Aktive Sterbehilfe" / "Direkte aktive Sterbehilfe" / "Tötung auf Verlangen": Absichtliche und aktive Beschleunigung oder Herbeiführung des Todeseintritts: im Gegensatz zur indirekten Sterbehilfe ist der Tod nicht nur in Kauf genommen, sondern beabsichtigt. Im Gegensatz zur Beihilfe zur Selbsttötung liegt die letztentscheidende Tatherrschaft nicht bei Betroffenen selbst, sondern bei Dritten.
Das Bedeutungsspektrum des Begriffs Sterbehilfe ist weit. Es umfasst Sterbende, schwer oder unheilbar (körperlich oder seelisch) Erkrankte, die unerträglich leiden oder die im Weiterleben keinen Sinn mehr sehen und die deshalb den dringenden Wunsch nach "Erlösung" durch Sterbehilfe äußern. Genau so schließt es dauerhaft bewusstlose oder bereits in der Endphase ihrer Erkrankung bewusstseinsgetrübte Patientinnen und Patienten ein, die sich nicht mehr selbst zu einem "medizin-technisch" möglichen, aber therapeutisch fragwürdigen Einsatz lebensverlängernder Maßnahmen bzw. deren Abbruch äußern können. Es reicht bis hin zu noch nicht äußerungsfähigen, schwerst geschädigten Neugeborenen, deren Lebenserwartung sehr gering ist oder deren Leben mit großen Qualen verbunden sein wird.
Jedoch werden nicht alle Formen des "Sterbenlassens" unter den Stichworten "Sterbehilfe" oder "Euthanasie" zusammengefasst. Jeder therapeutische, palliative (d.h. schmerzlindernde) oder lebensverlängernde Eingriff bedarf der Zustimmung der zu behandelnden Person. Will diese einen Eingriff nicht und führt die Unterlassung zu ihrem frühzeitigen Tod, so muss nach weitverbreiteter Auffassung dem jeweiligen "Recht auf einen natürlichen Tod" Rechnung getragen werden.
Aus medizinethischer Sicht gibt es zwar eine grundsätzliche Verpflichtung der Ärztin bzw. des Arztes Leben zu erhalten, aber nicht unter allen Umständen; darüber hinaus können lebensverlängernde Maßnahmen dann nicht verpflichtend sein, wenn sie ineffektiv sind, wenn ihre Wirksamkeit zweifelhaft ist oder wenn sie für Betroffene ein unverhältnismäßig großes Leiden verursachen. Hier wird sowohl aus medizinischer als auch aus moralischer Sicht die Unterscheidung zwischen der Verwendung von gewöhnlichen und außergewöhnlichen Behandlungsmitteln diskutiert.
In der Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Sterbehilfe und ihrer einzelnen Formen spielt eine Vielzahl unterschiedlicher Aspekte eine Rolle. Dabei lassen sich vor allem folgende zentrale Diskussionsfelder ausmachen:
Die Frage der Zulässigkeit der Selbsttötung
Die Einschätzung, dass das Töten eines Menschen auf sein eigenes Verlangen hin zulässig ist, setzt die Einstellung voraus, dass ein Mensch sein eigenes Leben überhaupt gezielt verkürzen darf. Ob er dies aber darf, und wenn ja, unter welchen Umständen, ist nicht unumstritten. Das Recht des Menschen auf Selbstbestimmung über Leben und Tod wird in der Diskussion unterschiedlich stark eingeschränkt. Hierbei lassen sich zwei Ansätze unterscheiden:
Vertretende des ersten Ansatzes gehen von einer "Unantastbarkeit" oder "Heiligkeit" des menschlichen Lebens aus. Das menschliche Leben ist damit nicht nur für andere nicht verfügbar, sondern auch für die Betreffenden selbst. Diese Auffassung wird nicht zuletzt in der jüdisch-christlichen Tradition vertreten und wird insbesondere von den Kirchen vorgebracht. Der angeführte Grund ist, dass das Leben gottgegeben ist und daher allein Gott die "Herrschaft über Leben und Tod" zukommt. Deshalb muss das Leben, wenn es ohnehin bereits erlischt, zwar nicht "um jeden Preis" verlängert werden, seine aktive Verkürzung durch Selbsttötung ist jedoch als Verstoß gegen die göttliche Souveränität unzulässig. Wohl kann in solchen Fällen eine Minderung der subjektiven Verantwortungsfähigkeit gegeben sein. Auf der Basis dieses Ansatzes können zwar u. U. die passive wie auch die indirekte Sterbehilfe im Falle eines Menschen zulässig sein, bei dem der Sterbeprozess schon eingesetzt hat. Keinesfalls aber soll die Beihilfe zur Selbsttötung oder die aktive Sterbehilfe erlaubt sein.
Dagegen wird prinzipiell aus rechtsethischer Sicht eine Argumentationslast gesehen, d. h., dass in einer freiheitlichen Rechtsordnung ein Verbot wie das der Sterbehilfe nur dann eingefordert werden darf, wenn hierfür Gründe angeführt werden können, die weltanschaulich neutral und damit für jede*n nachvollziehbar sind.
In ihrer inhaltlichen Argumentation, die sich ebenfalls gegen das Argument der generellen Unverfügbarkeit menschlichen Lebens richtet, verweisen Anhängende des zweiten Ansatzes auf das Vermögen des Menschen, sich in seinem Handeln selbst zu bestimmen. In dieser Fähigkeit zur Selbstbestimmung ist die Begründung der Menschenwürde zu sehen. So ist mit der Fähigkeit auch die Pflicht verbunden, diese Würde zu schützen. Vor diesem Hintergrund besteht zudem eine Pflicht, menschliches Leben vor lebensgefährdenden Eingriffen durch Dritte zu schützen, da das Leben die Voraussetzung für menschliche Selbstbestimmung ist. Jedoch kann eine selbstbestimmte Verkürzung des eigenen Lebens, ob aktiv oder passiv, um willen der menschlichen Würde nicht unbedingt verboten werden. Dies gilt entsprechend auch für alle Formen der freiwilligen Sterbehilfe. Bedingung ist, dass die Entscheidung in einem entscheidungsfähigen Zustand und in zutreffender Kenntnis aller Umstände wohlüberlegt getroffen worden ist. Außerdem darf die Lebensverkürzung durch die Art und Weise wie sie erfolgt, keine Gefährdung Dritter implizieren. Weder ist daher die Sterbehilfe im Ganzen, noch sind einzelne ihrer Formen oder das Ersuchen um sie per se als unzulässig einzustufen. Vielmehr ist ihre Zulässigkeit daran zu überprüfen, ob jeweils die genannten Bedingungen erfüllt sind bzw. erfüllt werden können oder nicht.
Ungeachtet der unterschiedlichen Grenzen der Selbstbestimmung ist die Achtung der Selbstbestimmung ein zentrales Moment in der gesamten Diskussion zur Sterbehilfe. Zur Wahrung des Selbstbestimmungsrechts kann z.B. eine Patientenverfügung verfasst werden.
Die Frage der Zulässigkeit aktiver Sterbehilfe
Unabhängig von der Frage nach der Zulässigkeit der Selbsttötung stellt sich bei der aktiven Sterbehilfe die Frage nach der Zulässigkeit der Tötung durch Dritte (Fremdtötung). Diskutiert wird, ob das Fremdtötungsverbot als kategorisches Verbot in diesem Zusammenhang Ausnahmen zulässt, welche Gründe es für diese Ausnahmen geben könnte und ob mit ihnen Dammbrüche für eine Erweiterung dieser Ausnahmen zu befürchten sind.
Auch aus moralischer Sicht stellt sich die Frage nach einer Unterscheidbarkeit zwischen aktiver Sterbehilfe und anderen Formen der Sterbehilfe. Von der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer solchen Differenzierung hängt ab, ob aktive Sterbehilfe unbedingt unzulässig sein kann, wenn die anderen Formen der Sterbehilfe zumindest bedingt zulässig sind.
Gegner*innen der unbedingten Unzulässigkeit aktiver Sterbehilfe führen ins Feld, dass eine moralische Unterscheidung zwischen Töten und Sterbenlassen nicht möglich ist, wenn beides aus denselben, nicht selbstsüchtigen Beweggründen geschieht. Denn in beiden Fällen ist der Tod der*des Betroffenen die Folge. Überdies kann ein "langsames" passives Sterbenlassen, zumal wenn es mit nicht behebbaren, unerträglichen Schmerzen verbunden ist, unter Umständen "inhumaner" sein als eine "schnelle" aktive Sterbehilfe (z. B. durch eine bewusste Überdosierung schmerzstillender Mittel).
Befürworter*innen der unbedingten Unzulässigkeit aktiver Sterbehilfe verweisen vor allem darauf, dass mit einer, wenngleich auch bedingten, "Erlaubnis zu töten" - genauer: einer Erlaubnis, Unschuldige, d.h. Menschen jenseits von Notwehrsituationen, zu töten - eine "Relativierung des Fremdtötungsverbots" verbunden ist. Dadurch könnten Missdeutungen und Missbrauch provoziert und so das zwischenmenschliche Vertrauen untergraben werden. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die Erlaubnis nur bedingt erteilt wird. Auch meinen sie, dass eine solche "Relativierung des Fremdtötungsverbots" zu einer Abnahme der Tötungshemmung führt. Dies könnte wiederum eine Ausweitung der Praxis aktiver Sterbehilfe auf andere Personenkreise als ursprünglich beabsichtigt nach sich ziehen. Denn auch wenn sich die Zulassung ursprünglich ausschließlich auf Sterbende bezieht, die zum relevanten Zeitpunkt urteils- und äußerungsfähig sind und die ihre Tötung freiverantwortlich verlangen, so könnte sie sich doch ausweiten. Von der Fortentwicklung dieser Zulassung könnten dann sowohl solche Personen betroffen sein, die nicht urteils- und äußerungsfähig sind, als auch schwer kranke, noch nicht sterbende Menschen sowie ältere oder behinderte Menschen ohne entsprechende Willensbekundung. So ist sogar eine Ausweitung denkbar auf (nicht-freiwillige) Sterbehilfe, gegen den Willen der*des Betroffenen - aus "Mitleid" oder "wirtschaftlichen Gründen". Die Vertretenden der unbedingten Unzulässigkeit halten es für unmöglich, diese Dammbruch-Gefahren auszuschließen, weder durch eine noch so gute Ausnahmeregelung, noch dadurch, dass man die aktive Sterbehilfe zwar bedingt von der Strafbarkeit ausnimmt, aber an ihrer Widergesetzlichkeit unbedingt festhält - wie es von den Befürwortenden einer partiellen Zulassung der aktiven Sterbehilfe vorgeschlagen wird.
Diskutiert wird darüber hinaus auch über die Frage, ob sich insgesamt mehr Menschen für die aktive Sterbehilfe entscheiden, wenn sie legal ist. Erwartet werden höhere Sterberaten durch die ärztlich assistierte, schmerzfreie Herbeiführung des Todes. Befürchtet wird, dass unter diesen Umständen voreilig Entscheidungen für den Tod getroffen werden, ohne Alternativen zu berücksichtigen, beispielsweise Behandlungen in der Palliativmedizin. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine im „Lancet“ veröffentlichte Studie, die diese Befürchtungen nicht bestätigt. Die Studie, für die Wissenschaftler*innen der Universitäten Rotterdam und Amsterdam Sterberaten anhand der Sterberegister der Niederlande in den Jahren 1990, 1995, 2001, 2005 und 2010 ausgewertet haben, zeigt, dass die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe in den Niederlanden im Jahr 2002 mittelfristig zu keiner signifikanten Änderung der Sterbehilfefälle geführt hat. Der Anteil der durch aktive Sterbehilfe gestorbenen Menschen lag im Jahr 2010 bei weniger als 3% (475 von 6861 Todesfällen), was zwar höher ist, als der Anteil von 1,7% im Jahr 2005 (294 von 9965 Todesfällen), aber vergleichbar mit den Jahren 1995 und 2001.
Ärztliches Fachpersonal in tötender Funktion
Eine Relativierung des Fremdtötungsverbots hat dann gravierende Auswirkungen auf das ärztliche Behandlungsverhältnis('Arzt-Patienten-Verhältnis'), wenn ärztliches Fachpersonal in den Prozess der Sterbehilfe mit einbezogen wird. Traditionell begegnen die Patient*innen der Ärztin oder dem Arzt als "Heilend" und "Helfend". Wirkt die ärztliche Fachkraft bei der aktiven Sterbehilfe handelnd mit, dann wird diese jedoch zur bzw. zum "Tötenden". Genau dies widerspricht aber den grundsätzlichen Zielen ärztlichen Handelns und wird dementsprechend auch seitens der Ärzteschaft kritisch oder gar ablehnend betrachtet. Stattdessen machen sich die Bundesärztekammer und der Deutsche Ärztetag für mehr Palliativversorgung stark. Als Empfehlung für die palliativmedizinische Versorgung wurde im August 2010 in Berlin eine von der Bundesärztekammer (BÄK), der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) und dem Deutschen Hospiz- und Palliativverband (DHPV) getragene Charta zur Betreuung schwerstkranker Menschen verabschiedet. Diese soll mit ihren 5 Leitsätzen aufzeigen, wie eine Palliativversorgung aussehen muss, die sich nach den Bedürfnissen unheilbar kranker und sterbender Menschen richtet. Auch die Gesetzgebung verfolgt den Ansatz der Stärkung der Palliativversorgung: Mit dem „Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften“, welches im Oktober 2012 vollständig in Kraft getreten ist, können Ärztinnen*Ärzte in Deutschland sich bei ihnen in Behandlung befindlichen Personen ein betäubungsmittelhaltiges Schmerzmittel ausnahmsweise überlassen, wenn die Besorgung des Arzneimittels aus der Apotheke nicht oder nicht rechtzeitig möglich ist, um eine absehbare palliativmedizinische Krisensituation im ambulanten Bereich zu überbrücken. Außerdem wurden mit der 30. Verordnung zur Änderung betäubungsmittelrechtlicher Vorschriften zudem die Höchstverschreibungsmengen von drei Betäubungsmitteln (Levomethadon, Methadon und Morphin) erhöht.
Immer wieder zu Diskussionen geführt hat die Frage, ob Ärztinnen*Ärzte Beihilfe zum Suizid leisten dürfen. Der ärztlich assistierte Suizid fällt in den Bereich der Beihilfe zur Selbsttötung. Diese ist in Deutschland kein grundsätzlicher Straftatbestand. Dennoch hat sich in Deutschland in jüngster Zeit diesbezüglich vorübergehend eine Rechtsunsicherheit durch das Verbot der sogenannten "geschäftsmäßigen" Sterbehilfe im neu verabschiedeten § 217 des StGB ergeben, von dem sich auch behandelnde Ärztinnen*Ärzte sowie Palliativmediziner*innen betroffen sahen. Insgesamt wurden hierzu 13 Verfassungsbeschwerden eingereicht. In seinem Urteil vom 26.02.2020 hat das Bundesverfassungsgericht diesen Beschwerden weitgehend Recht gegeben und die entsprechenden Passagen im §217 für verfassungswidrig erklärt.
Enger gefasst als das Strafrecht ist die "(Muster-)Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte". In § 16 "Beistand für Sterbende" wurde hier auf dem 114. Ärztetag 2011 eine Aktualisierung vorgenommen: „Ärztinnen und Ärzte haben Sterbenden unter Wahrung ihrer Würde und unter Achtung ihres Willens beizustehen. Es ist ihnen verboten, Patientinnen und Patienten auf deren Verlangen zu töten. Sie dürfen keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ heißt es dort. Es ist allerdings an den Ärztekammern der Bundesländer, diese Formulierung in ihren Berufsordnungen aufzunehmen und damit zu geltendem Recht zu machen. Bislang haben dies 11 von 17 Kammern getan. Zwei Ärztekammern (Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz) verbieten zudem explizit die aktive Sterbehilfe. Darüber hinaus ist die Formulierung in § 16 Streitgegenstand von rechtlichen und medizinischen Fachpersonen. Zuletzt wurde sie im April 2012 vom Berliner Verwaltungsgericht für verfassungswidrig erklärt, da sie der Ärztin*dem Arzt nicht den nötigen Ermessensspielraum lasse.
Die Gefahr einer latenten "Entsolidarisierung"
Dammbruch-Überlegungen werden nicht nur gegen eine Zulassung aktiver Sterbehilfe angeführt, sie spielen auch bei der Diskussion der anderen Formen der Sterbehilfe eine Rolle. Formuliert wird vor allem die Sorge, dass eine zu liberale Handhabung der Sterbehilfe-Problematik zu einer Aufkündigung der Solidarität mit kranken, leidenden und sterbenden Menschen führen könnte und vielleicht sogar zu einem Druck auf Kranke und Schwache, zur "Entlastung" ihrer Mitwelt von der Möglichkeit der Sterbehilfe Gebrauch zu machen.
Solche Erwägungen verpflichten zwar nicht notwendig zu einer unbedingten Ächtung jeder Form von Sterbehilfe, mahnen jedoch dazu Schutzvorkehrungen zu treffen, die entsprechenden Entwicklungen entgegenwirken.
Die Fragen der "Authentizität" des Sterbeverlangens und der Alternativlosigkeit der Sterbehilfe
Wenn ein*e Sterbewillige*r um Sterbehilfe bittet, stellt sich die Frage, ob dieses Verlangen wirklich "authentisch" ist, d.h., ob sie*er dies wirklich will und ob ihr*ihm nicht auf andere Weise geholfen werden kann. Auch hier gibt es unterschiedliche Standpunkte:
Häufig wird darauf verwiesen, dass Sterbende typische Phasen des Sterbens durchlaufen, die mit gravierenden Stimmungswechseln einhergehen können. Verlangt ein*e Sterbende*r in dieser Situation nach Sterbehilfe, ist dies - der entsprechenden Auffassung zufolge - daher oftmals weniger Ausdruck eines stabilen Sterbewunsches, als vielmehr eine "natürliche" und vorübergehende Begleiterscheinung des angebrochenen Sterbeprozesses.
Nicht selten ist auch der Hinweis, dass der Wunsch nach Sterbehilfe seinen Grund vor allem in starken Schmerzen, Verlassenheits- oder Einsamkeitsgefühlen hat, aber auch in Schamgefühlen über die eigene Hilflosigkeit und in den dadurch verursachten Depressionen. Diesen Gründen kann mit einer schmerzlindernden Behandlung und/oder entsprechender menschlicher Zuwendung wirksam begegnet werden - ein Ansatz, den auch die "Hospizbewegung" im Umgang mit Sterbenden verfolgt.
Demgegenüber wird eingewendet, dass menschliche Zuwendung und schmerzlindernde Behandlung sowie - im Falle psychisch kranker Menschen - auch psychotherapeutische Betreuung zwar oftmals zu einer Revision des Sterbewunsches führt, dass es aber auch Kranke gibt, deren schwere körperliche und/oder seelische Leiden nicht durch solche Maßnahmen behebbar sind, weshalb Sterbehilfe - wenn vielleicht auch nur in Ausnahmefällen - möglicherweise doch "alternativlos" ist.
Das Problem der Ermittlung des mutmaßlichen Willens im Falle nicht entscheidungsfähiger Patient*innen
Jedwede Form von Sterbehilfe kann nur dann zulässig sein, wenn sie dem Willen der*des Betroffenen selbst entspricht. Deshalb ist die Sterbehilfe im Falle eines nicht mehr oder - wenn es sich um ein Neugeborenes handelt - noch nicht urteils- und äußerungsunfähigen Person nur dann zulässig, wenn es im Vorfeld möglich ist, ihren mutmaßlichen Willen zu ermitteln. Grundlegend sind bei dieser Ermittlung in einem ersten Schritt die "medizinischen Kriterien", d. h. Diagnose und Prognose.
Darüber hinaus sind als weitere Schritte verschiedene Instrumentarien zur Ermittlung des mutmaßlichen Patient*innenwillens in der Diskussion. Eine Möglichkeit ist eine von der betroffenen Person selbst getroffene Patientenverfügung, in der ebendiese Person, noch urteils- und äußerungsfähig, entsprechende Willensbekundungen formuliert hat. Eine andere Möglichkeit besteht in der Konsultation einer von Betroffenen vorgängig benannten Betreuung oder Vormundsperson, oder aber - wenn ein solcher nicht benannt ist - einer oder mehrerer der oder dem Betroffenen nahestehender Personen.
Ob diese Instrumentarien wirklich adäquat sind, wird jedoch kontrovers diskutiert. Skeptiker*innen geben zu bedenken, dass der Zeitraum zwischen der Abfassung einer Patientenverfügung und dem Eintritt des "Ernstfalls" oft sehr lang ist, dass ein gesunder Mensch den "Ernstfall" nicht immer angemessen vorwegnehmen kann und dass man in einer solchen Verfügung auch nicht jeden möglichen Einzelfall voraussehen und entsprechende Anweisungen formulieren kann. Zudem wird in Frage gestellt, ob eine Vertretung der Patientin*des Patienten in Gestalt eines Patientenanwalts oder ein*e nahestehende*r Angehörige*r den Patientenwillen zutreffend einschätzt bzw. einschätzen kann oder ob eine solche Vertretung nicht möglicherweise sogar missbraucht werden kann. Keines dieser Instrumentarien ist daher vorbehaltlos anzuwenden. Eine verlässliche Ermittlung des mutmaßlichen Patientenwillens ist bisweilen sogar gar nicht möglich.
Das Themenfeld Sterbehilfe berührt in rechtlicher Hinsicht in erster Linie Bestimmungen der Strafgesetzgebung und, soweit ärztliches Handeln darin involviert ist, des ärztlichen Standesrechts. Da die Sterbehilfe in den verschiedenen nationalen Gesetzgebungen meist nicht ausdrücklich geregelt ist, sind ferner Gerichtsentscheide zu berücksichtigen, welche die herrschende Rechtsauffassung in diesem Bereich widerspiegeln.
Die Sicht des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat bisher zwei Urteile zum Thema Sterbehilfe gefällt. Im Fall Pretty wurde über aktive Sterbehilfe entschieden, im Fall Lambert hingegen über passive Sterbehilfe.
Am 29. April 2002 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg in seinem Urteil im Fall Pretty gegen das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland entschieden, dass eine strafrechtliche Verfolgung der Sterbehilfe im Sinne des britischen "Suicide Act" von 1961 nicht im Widerspruch mit tragenden Artikeln der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten steht; nach Artikel 2 Absatz 1 des "Suicide Act" ist "eine Person, die bei dem Suizid eines anderen hilft, zu ihm anstiftet, bei ihm berät oder ihn herbeiführt", mit einem Freiheitsentzug von bis zu vierzehn Jahren zu bestrafen. Die an einer Motoneuronerkrankung leidende 43-jährige Britin Diane Pretty hatte am 21. Dezember 2001 gegen diese Bestimmungen des "Suicide Act" und die Verweigerung der vorgängigen Straffreistellung ihres Ehemannes durch die nationalen Gerichte geklagt, wenn dieser ihr bei einer Selbsttötung helfe. Mrs Pretty verstarb am 11. Mai 2002 in einem Hospiz an ihrer Krankheit.
Am 5. Juni 2015 hat der EGMR in seinem Urteil im Fall Lambert und Andere gegen Frankreich die Einstellung künstlicher Ernährung von Vincent Lambert mit zwölf von siebzehn Stimmen gebilligt. Lambert lag seit einem Verkehrsunfall 2008 mit schweren Hirnverletzungen im Wachkoma. Dem ihn behandelnden ärztlichen Fachpersonal zufolge bestand keine Aussicht auf Besserung seines Zustandes. Die Ärztinnen und Ärzte, seine Ehefrau, Rachel Lambert, und einige seiner Brüder setzten sich daher dafür ein, die künstliche Ernährung einzustellen und Lambert sterben zu lassen. Nach dem Leonetti-Gesetz von 2005 dürfen Ärztinnen bzw. Ärzte über den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen entscheiden, sofern sich Patient*innen nicht mehr selbst mitteilen können. Der französische Verfassungsrat billigte diesen Entschluss im Juni 2014. Gegen dieses Urteil legten die Eltern von Vincent Lambert und zwei Geschwister Beschwerde beim EGMR ein. Sie argumentierten, dass ihr Sohn behindert und eine Einstellung der Nahrungszufuhr „versteckte Euthanasie“ sei, die gegen das Grundrecht auf Schutz des Lebens verstoße. Außerdem würden die Ärztinnen und Ärzte gegen das Verbot von Misshandlung und Folter verstoßen, wenn sie Lambert verhungern und verdursten ließen. Dieser Ansicht widersprach der EGMR: Passive Sterbehilfe sei in diesem Fall kein Verstoß gegen das Recht auf Leben der Europäischen Menschenrechtskonvention. Lambert verstarb am 11.07.2019, nach einem Behandlungsstopp von mehr als einer Woche.
Die Situation in der Bundesrepublik
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Sterbehilfe nach der Aufhebung des umstrittenen Paragraphen 217 StGB durch das BVerfG kein Gegenstand expliziter gesetzlicher Regelungen. Im konkreten Fall wird geprüft, ob die den Fremdtötungsparagrafen § 211 (Mord), §§ 212 und 213 (Totschlag) und §216 (Tötung auf Verlangen) des deutschen Strafgesetzbuches (StGB) zugrunde liegenden Tatbestände erfüllt sind. Der Suizid ist nach deutschem Recht kein Straftatbestand, somit bleibt auch die Beihilfe zum Suizid straflos. Hier wird in der Rechtsprechung allerdings geprüft, ob andere Straftatbestände wie Totschlag oder unterlassene Hilfeleistung (§ 323c StGB) erfüllt werden. Wird die Beihilfe zum Suizid durch eine Ärztin, einen Arzt oder nahe Angehörige geleistet, ist ferner die Garantenstellung, die diese Personen gegenüber dem oder der Sterbewilligen einnehmen, von besonderer Bedeutung, da in diesen Fällen auch eine Unterlassung als Straftat gewertet werden kann.
Debatte um eine gesetzliche Neuregelung der Beihilfe zur Selbsttötung in Deutschland
Im Jahr 2014 wurde in Deutschland eine Debatte über eine gesetzliche Neureglung der Sterbehilfe angestoßen. Dabei stand die Frage im Vordergrund, ob derzeit erlaubte Beihilfehandlungen zum Suizid, etwa durch das Bereitstellen von Medikamenten, künftig verboten werden sollen. Ein weiterer Streitpunkt der Debatte war die Frage, ob die sogenannte organisierte Sterbehilfe. Nach einer 18-monatigen Diskussion stimmte der Bundestag am 5. November 2015 einem Gesetzentwurf der Abgeordneten Michael Brand (CDU) und Kerstin Griese (SPD) zu, der die geschäftsmäßige Hilfe bei der Selbsttötung unter Strafe stellt. Unter ‚geschäftsmäßig’ wird das auf Wiederholung angelegte, organisierte oder gewinnorientierte Handeln von Vereinen und Einzelpersonen verstanden. Konkret sah das Gesetz die Schaffung eines neuen Straftatbestandes im Strafgesetzbuch vor. Im neuen Paragrafen 217 hieß es: "Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." Einzelfallentscheidungen von Ärztinnen und Ärzten, die Hilfe zum Suizid leisten, sollten weiterhin straffrei bleiben. Auch Angehörige und Personen, die Sterbenden nahe stehen, sollten im Einzelfall von dieser Strafandrohung ausgenommen sein. Die Formulierung „geschäftsmäßig“ hatte allerdings zu Verunsicherungen geführt. Zwar zielte die Formulierung auf die Tätigkeit von Sterbehilfeorganisationen ab; jedoch konnte auch ärztliches Handeln als „geschäftsmäßig“ verstanden werden, da es auf Wiederholung angelegt ist. Damit wäre das Kriterium „Geschäftsmäßigkeit“ bereits erfüllt gewesen. Deswegen wurden gegen § 217 mehrere Verfassungsbeschwerden eingelegt. In seinem Urteil vom 26.02.2020 hat das Bundesverfassungsgericht diesen Beschwerden weitgehend Recht gegeben und die entsprechenden Passagen im § 217 für verfassungswidrig erklärt. In seiner Begründung beruft es sich dabei auf den hohen Wert des Selbstbestimmungsrechts und der freien Entfaltung der Persönlichkeit, das auch zum Zwecke der Gewährleistung anderer Rechtsgüter nicht unverhältnismäßig stark beschränkt werden dürfe. Dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht, das in Artikel 2 des Grundgesetzes festgeschrieben ist, umfasst nach Auffassung der Verfassungsrichter*innen „als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben“. Die darin enthaltene Freiheit, sich das Leben zu nehmen, schließe zudem die Freiheit ein, sich hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen und solche Hilfe, sofern sie angeboten wird, auch in Anspruch zu nehmen. Die Schutzpflicht des Staates kann jedoch Vorrang haben, wenn festgestellt wird, dass die betroffene Person äußeren Einflüssen unterlegen ist, die ihre Selbstbestimmung einschränken. Somit wäre das Freiheitsrecht durch Vorsorge des Staates einschränkbar. Trotz der Anerkennung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben durch die Gesetzgebung, darf dieser Suizidprävention sowie die Stärkung palliativmedizinischer Behandlungsorte und -angebote betreiben und ausbauen. Besteht der Wunsch nach Selbsttötung ist diejenige Person meist auf die Hilfe einer dritten Person angewiesen. Oft handelt es sich dabei um ärztliche Fachkräfte, die mindestens das benötigte Medikament zur Lebensbeendigung verschreiben müssen. Die Bereitschaft dieser erweist sich bislang als eher gering. Trotz der Gesetzesänderung können ärztliche Fachpersonen nicht dazu verpflichtet werden, Suizidhilfe leisten zu müssen. Aus dem Recht auf selbstbestimmtes Sterben leitet sich kein Anspruch gegenüber Dritten auf Suizidhilfe ab.
Position des Deutschen Ethikrates
Der Deutsche Ethikrat hat auf die Debatte um eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe mit einer Ad-hoc-Empfehlung reagiert. Eine Mehrheit des Ethikrats lehnt demzufolge eine gesetzliche Regulierung der Suizidbeihilfe durch Ärztinnen und Ärzte oder eine andere Berufsgruppe ab, weil dadurch "erlaubte Normalfälle" einer Suizidbeihilfe definiert würden. Für schwer kranke Personen könne es gleichwohl wichtig sein, mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt auch über Suizidpläne reden zu können. Die Mehrheit des Ethikrates empfiehlt deshalb, dass die Ärztekammern einheitlich zum Ausdruck bringen, dass ungeachtet des Grundsatzes, dass Beihilfe zum Suizid keine ärztliche Aufgabe ist, im Widerspruch dazu stehende Gewissensentscheidungen bei Ausnahmesituationen respektiert werden sollten. Im Hinblick auf die organisierte Beihilfe zum Suizid spricht sich eine Mehrheit des Ethikrates für ein Verbot aus. Angebote sollten untersagt werden, wenn sie auf Wiederholung angelegt seien, öffentlich erfolgten und damit den Anschein einer sozialen Normalität ihrer Praxis hervorrufen würden. Das Strafrecht solle aber nicht geändert werden. Darüber hinaus fordert der Ethikrat, die Vorbeugung vor Suiziden grundsätzlich zu stärken.
Mit der Ad-hoc-Empfehlung konkretisiert der Ethikrat seine Ausführungen in der am 13. Juli 2006 veröffentlichten Stellungnahme zu Selbstbestimmung und Fürsorge am Lebensende.
Patientenverfügungen
Für mehr Rechtssicherheit für alle Beteiligten bei Vorliegen einer schriftlichen Patientenverfügung beschloss der Bundestag im Juni 2009 in seinem "Dritten Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechts" eine Regelung zum Umgang mit der Patientenverfügung. Dieses Gesetz schafft Klarheit in dem bisher umstrittenen Punkt, dass der Wille der betroffenen Person unbedingt zu achten ist - unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung, also auch dann, wenn die Krankheit nicht unumkehrbar zum Tod führt. Voraussetzung für die Gültigkeit einer Verfügung ist die Schriftform (oder eine vergleichbar zuverlässige Form der Aufzeichnung wie etwa ein Video). Wenn keine Patientenverfügung vorliegt oder die dort formulierten Umstände nicht auf die aktuelle Behandlungssituation zutreffen, haben Betreuende und die ärztlichen Fachkräfte den mutmaßlichen Wunsch der oder des Betroffenen zu ermitteln und dementsprechend zu handeln. Nach wie vor bleiben solche Patientenverfügungen ungültig, die sich auf die rechtlich untersagte Tötung auf Verlangen beziehen.
Urteile des Bundesgerichtshofes
Als höchstrichterliche Instanz hat der Bundesgerichtshof bisher insgesamt sechs Urteile zur Sterbehilfe gefällt, die als Präzedenzfälle angesehen werden können. Insbesondere in seinem Urteil vom 25. Juni 2010 wurden die Implikationen des Dritten Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts noch einmal gestärkt und konkretisiert. In seinem jüngsten Urteil vom 17. September stellte der Bundesgerichtshof fest, dass passive Sterbehilfe bei sich im Koma befindenden Personen auch ohne Patientenverfügung möglich sei. In diesem Fall müsse ein Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen von einem Betreuungsgericht genehmigt werden, wenn dies dem Willen der oder des Betroffenen entspreche. Das Vorliegen einer Grunderkrankung mit einem "irreversibel tödlichen Verlauf" sei nicht Voraussetzung für den zulässigen Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen.
Zugang zu Medikamenten zur Selbsttötung
Gemäß eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 02. März 2017 haben Schwerkranke in „extremen Ausnahmesituationen“ ein Recht auf Mittel zur Selbsttötung. Anlass der Rechtsprechung war die in vorherigen Instanzen abgewiesene Klage des Ehemannes einer vom Hals an abwärts gelähmten Patientin, die trotz eines klaren Suizidwunsches und starker, als entwürdigend empfundener Schmerzen vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) keine Erlaubnis erhalten hatte, zum Zweck der Selbsttötung eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital zu erwerben, und die daraufhin in der Schweiz Sterbehilfe in Anspruch genommen hatte. Das Gericht gab der Klage Recht und hob die entsprechenden vorangehenden Urteile auf. In seiner Begründung verwies es auf das allgemeine, vom Deutschen Grundgesetz verbriefte Persönlichkeitsrecht. Es beinhalte „auch das Recht eines schwer und unheilbar kranken Patienten, zu entscheiden, wie und zu welchem Zeitpunkt sein Leben beendet werden soll.“ Zwar gelte im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes weiterhin „grundsätzlich“ das Verbot des Erwerbs tödlicher Medikamente. Das Selbstbestimmungsrecht gestatte hiervon jedoch in Extremfällen und beim Fehlen palliativmedizinischer Alternativen Ausnahmen für unheilbar kranke Menschen.
Ein Rechtsgutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo di Fabio, das im Auftrag des BfArM erstellt wurde, erklärte das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts im November 2017 für „verfassungsrechtlich nicht haltbar“. Hierzu schreibt di Fabio: „Die freie individuelle Entscheidung hat in einer Gesellschaft, die den Einzelnen in den Mittelpunkt der Rechtsordnung stellt, ein außergewöhnlich hohes Gewicht, sie umfasst auch das Recht zur Selbsttötung. Personale Selbstbestimmung führt aber nicht zu einem absoluten Geltungsanspruch mit dem Ergebnis einer Pflicht zur Beteiligung des Staates an einer höchstpersönlichen Entscheidung.“ Aufgrund der „erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken“ empfiehlt di Fabio dem zuständigen Bundesminister, einen Nichtanwendungserlass bis zur Herbeiführung einer gesetzgeberischen Klärung herauszugeben. Das BfArM untersteht dem Bundesgesundheitsministerium. Einen solchen Nichtanwendungserlass verfügte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Juli 2018. In einem Schreiben an den Institutspräsidenten des BfArM, Karl Broich, forderte Gesundheitsstaatssekretär Lutz Stroppe das Institut auf, Anträge auf Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung abzulehnen. „Es kann nicht Aufgabe des Staats sein, Selbsttötungshandlungen durch die behördliche, verwaltungsaktmäßige Erteilung von Erlaubnissen zum Erwerb des konkreten Suizidmittels aktiv zu unterstützen", zitieren die Deutsche Apotheker Zeitung, die Ärzte Zeitung und andere das Schreiben.
Die Rechtslage hat sich inzwischen geklärt. Durch das Urteil des BVerfG vom 26. Februar 2020 gilt die Bereitstellung von Medikamenten zur Selbsttötung durch Ärztinnen und Ärzte oder Sterbehilfe-Vereinigungen als rechtmäßig und nicht strafbar. Dabei betont das Verfassungsgericht jedoch, dass sich aus dem grundlegenden Freiheitsrecht, Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch zu nehmen, kein Rechtsanspruch gegenüber Dritten herleitet, solche Hilfe auch tatsächlich zu erhalten, und dass ärztliche Fachpersonen nicht verpflichtet werden können, diese Hilfe anzubieten. Die Hilfe kann daher nur auf freiwilliger Grundlage erfolgen.
Position der Bundesärztekammer
In den "Grundsätzen der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung" von 2004 wird die "gezielte Lebensverkürzung durch Maßnahmen, die den Tod herbeiführen oder das Sterben beschleunigen" als "aktive Sterbehilfe" und somit als "unzulässig und mit Strafe bedroht" abgelehnt. Hingegen heißt es dort, dass bei Sterbenden die "Linderung des Leidens so im Vordergrund stehen" kann, "dass eine möglicherweise dadurch bedingte unvermeidbare Lebensverkürzung hingenommen werden darf". Lebensverlängernde Maßnahmen können nach den Grundsätzen der Bundesärztekammer entsprechend dem erklärten oder mutmaßlichen Willen der oder des Betroffenen abgebrochen oder ihre Anwendung unterlassen werden, wenn sie "nur den Todeseintritt verzögern und die Krankheit in ihrem Verlauf nicht mehr aufgehalten werden kann". Bei nicht-einwilligungsfähigen Patient*innen hat die Ärztin oder der Arzt hierzu eine Erklärung der gesetzlichen Vertretung einzuholen, die ggf. von einem Vormundschaftsgericht bestellt werden müssen. Besonders erwähnenswert ist die veränderte Formulierung in der Version von 2011 zur “Sterbehilfe”. Während es in der vorherigen Version von 2004 heißt, “die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung widerspricht dem ärtzlichen Ethos und kann strafbar sein”, heißt es in den Grundsätzen von 2011, dass die “Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung [...] keine ärztliche Aufgabe” ist.
Position der Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz
Die Bioethik-Kommission Rheinland-Pfalz spricht sich in ihrem Bericht "Sterbehilfe und Sterbebegleitung. Ethische, rechtliche und medizinische Bewertung des Spannungsverhältnisses zwischen ärztlicher Lebenserhaltungspflicht und Selbstbestimmung des Patienten" vom 23. April 2004 für eine nachhaltige Unterstützung der häuslichen Pflege sowie den Ausbau von Hospizen und der palliativmedizinischen Versorgung aus. Außerdem plädiert die Kommission mehrheitlich für eine "klarstellende Regelung durch den Gesetzgeber zur aktiven, passiven und indirekten Sterbehilfe". Insbesondere soll durch das Gesetz festgeschrieben werden, dass "weder das Unterlassen oder der Abbruch einer lebenserhaltenden Maßnahme auf ausdrücklichen Wunsch der Patientin oder des Patienten, noch die als Nebenwirkung einer notwendigen und von der Patientin oder dem Patienten gewünschten Medikation in Kauf genommene Lebensverkürzung rechtswidrig sind". Dies soll - anders als es die Bioethik-Kommission fordert - unabhängig davon gelten, "ob das Grundleiden des Patienten einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat". Nimmt eine Ärztin oder ein Arzt in Fällen objektiv nicht behebbaren schwersten Leidens eine Tötung auf Verlangen vor, soll gemäß Mehrheitsvotum der Kommission das Gericht von Strafe absehen können. Ebenso soll unter bestimmten Umständen auch eine ärztlich assistierte Selbsttötung ausnahmsweise "zu rechtfertigen sein".
Die Situation in der Schweiz
Ähnlich wie in der Bundesrepublik Deutschland ist in der Schweiz die Sterbehilfe nicht explizit durch das Gesetz geregelt. Die aktive Sterbehilfe, also die gezielte Tötung eines Menschen zur Verkürzung seines Leidens, ist jedoch nach den Artikeln 111 (vorsätzliche Tötung), 113 (Totschlag) oder 114 (Tötung auf Verlangen) des Strafgesetzbuchs strafbar. In Artikel 115 des schweizerischen StGB heißt es: "Wer aus selbstsüchtigen Beweggründen jemanden zum Selbstmorde verleitet oder ihm dazu Hilfe leistet, wird, wenn der Selbstmord ausgeführt oder versucht wurde, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder mit Gefängnis bestraft." Daraus wird gefolgert, dass die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar ist, wenn sie aus nicht-selbstsüchtigen Motiven geleistet wird.
Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) hat als zuständige standesrechtliche Instanz die beiden Richtlinien "Behandlung und Betreuung von zerebral schwerst geschädigten Langzeitpatienten" (27. November 2003) und "Betreuung von Patienten am Lebensende" (5. Februar 2004) veröffentlicht, die ihre 1995 verfassten "Medizinisch-ethischen Richtlinien für die ärztliche Betreuung sterbender und zerebral schwerst geschädigter Patientinnen bzw. Patienten" ersetzen. In den alten Richtlinien wurde die Beihilfe zum Suizid nicht als "Teil der ärztlichen Tätigkeit" betrachtet. Die Inkaufnahme der Lebensverkürzung im Rahmen palliativer Maßnahmen bei Sterbenden sowie der Behandlungsabbruch oder der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen in aussichtslosen Fällen in Übereinstimmung mit dem Willen der Patientin oder des Patienten wurden jedoch als zulässig anerkannt. In den überarbeiteten Richtlinien zur "Betreuung von Patienten am Lebensende" spricht sich die SAMW für eine bedingte Öffnung hin zur Möglichkeit einer ärztlichen Beihilfe zum Suizid aus. Zwar hält die SAMW daran fest, dass "die Beihilfe zum Suizid nicht Teil der ärztlichen Tätigkeit" sei, sie hebt jedoch abweichend von der Fassung von 1995 hervor, dass die Ärztin oder der Arzt andererseits "den Willen des Patienten zu achten" habe und dass dies auch bedeuten könne, "dass eine persönliche Gewissensentscheidung des Arztes, im Einzelfall Beihilfe zum Suizid zu leisten, zu respektieren" sei.
Vor dem Hintergrund der Gründung von Sterbehilfeorganisationen und dem damit verbundenen sogenannten Sterbetourismus hat die Nationale Ethikkommission im Bereich Humanmedizin (NEK) im April 2005 eine Stellungnahme zum Thema "Beihilfe zum Suizid" verfasst, in der sie die aktuelle Rechtslage und die Praxis der Auslegung darstellt. Die Kommission befürwortet die liberale Regelung des Artikels 115 StGB, der besagt, dass Suizidbeihilfe legal ist, solange sie nicht aus selbstsüchtigen Motiven erfolgt. Eine Ausnahme bilden jedoch psychisch Kranke; bei ihnen soll keine Suizidbeihilfe geleistet werden, wenn der Suizidwunsch Ausdruck oder Symptom der psychischen Erkrankung ist. Die NEK plädiert außerdem dafür, Sterbehilfeorganisationen unter eine staatliche Aufsicht zu stellen, um die "Einhaltung von Qualitätskriterien für die Abklärung von Suizidhilfeentscheiden" zu gewährleisten.
Welche "Mindestanforderungen [...] überprüft, erfüllt und dokumentiert" sein müssen, "damit aus ethischer Sicht Suizidbeihilfe geleistet werden darf", hat die NEK in ihrer Stellungnahme "Sorgfaltskriterien im Umgang mit Suizidbeihilfe" vom 27. Oktober 2006 dargelegt. Zu den von der NEK empfohlenen Mindestanforderungen gehört, dass keine Zweifel an der "Urteilsfähigkeit" der bzw. des Suizidwilligen bestehen. Ferner muss der Suizidwunsch "aus einem schweren, krankheitsbedingten Leiden" entstanden sein. Der Suizidwunsch darf nicht "aus einem Affekt oder aus einer absehbar vorübergehenden Krise" resultieren oder Symptom einer psychischen Krankheit sein. Zudem ist erforderlich, dass der Suizidwunsch "frei von äußerem Druck" zustande gekommen ist und "alle alternativen Optionen" mit dem Suizidwilligen abgeklärt worden sind. Um das Vorliegen dieser Voraussetzungen zu überprüfen, seien "persönliche, mehrmalige Kontakte und intensive Gespräche" unabdingbar – ebenso wie die Bestätigung durch eine unabhängige "Zweitmeinung [...] von einer dafür kompetenten Person". Um Missbräuchen der straffreien Suizidbeihilfe in Sterbehilfeorganisationen vorzubeugen, empfiehlt die NEK eine Kontrolle solcher Organisationen "durch organisationsinterne und -externe Personen".
Der NEK-Stellungnahme vom 27. Oktober 2006 vorausgegangen war eine Empfehlung des Bundesrates vom 31. Mai 2006 an das Parlament, auf den Erlass eines Gesetzes über die Zulassung und Beaufsichtigung von Sterbehilfeorganisationen zu verzichten. Die Empfehlung des Bundesrates gründete sich auf einen entsprechenden Bericht des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements. Der Bericht war zu dem Ergebnis gelangt, dass Missbräuche bei der Suizidhilfe "auf kantonaler und auf kommunaler Ebene [...] durch konsequente Anwendung und Durchsetzung des geltenden Rechts [...] sowie durch Erlass von Bestimmungen im Bereich der Spital-, Pflege- und Heimwesens" verhindert werden könnten. Bundesgesetzgeberische Maßnahmen, mit denen Sterbehilfeorganisationen einer besonderen staatlichen Aufsicht unterstellt würden, hatte der Bericht dagegen abgelehnt. Solche Maßnahmen seien sowohl "unverhältnismäßig" als auch "untauglich", da sie "zu einer starken Bürokratisierung und gar zu einer unerwünschten Institutionalisierung und staatlichen Zertifizierung der Tätigkeit der Suizidhilfeorganisationen führen" würden.
Nichtsdestotrotz bleibt die öffentliche Kontrolle der Sterbehilfe-Organisationen in der Schweiz ein Thema. Vorreiter bei dieser Diskussion ist der Kanton Zürich: Hier hat einerseits eine der in der Schweiz agierenden Organisationen eine entsprechende Vereinbarung mit dem Kanton unterzeichnet, andererseits hat sich massiver ziviler Protest gegen die Arbeit der Sterbehilfeorganisationen formiert, sodass unlängst durch die Initiative der Bürger mit Unterschriftensammlungen die Durchführung eines Volksentscheids im Kanton erzwungen wurde. Die Regierung hat jedoch die Volksinitiative „Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich!“ ausgeschlossen. Der Grund, für die Ablehnung der Initiative, war der Verstoß gegen übergeordnetes Recht. Außerdem erscheine sie im Hinblick auf das in der Bundesverfassung garantierte Gleichheitsgebot als problematisch.
Die Initiative hatte verlangt, dass Sterbehilfe nur noch Personen genehmigt werden darf, die mehr als ein Jahr im Kanton Zürich gelebt haben.
Die Situation in den Niederlanden
Am 1. April 2002 trat das "Gesetz zur Überprüfung bei Lebensbeendigung auf Verlangen und bei der Hilfe bei der Selbsttötung" ("Wet toetsing levensbeëindiging op verzoek en hulp bij zelfdoding") in Kraft. Es sieht Änderungen des Strafgesetzbuches dahin gehend vor, dass die in Art. 293 (Tötung auf Verlangen) und Art. 294 Abs. 2 (Beihilfe zum Selbstmord) beschriebenen Tatbestände nicht als strafbar gelten, wenn sie von einer Ärztin bzw. einem Arzt begangen werden, der dabei besondere Sorgfaltskriterien beachtet. Diese "beinhalten, dass die Ärztin oder der Arzt:
- zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Patientin bzw. der Patient freiwillig und nach reiflicher Überlegung um Sterbehilfe gebeten hat,
- zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Zustand der Patientin bzw. des Patienten aussichtslos und sein Leiden unerträglich war,
- die Patientin bzw. den Patienten über seinen Zustand und dessen Aussichten informiert hat,
- mit der Patientin bzw. dem Patienten zu der Überzeugung gelangt ist, dass es in dem Stadium, in dem sich die Patientin bzw. der Patient befand, keine angemessene andere Lösung gab,
- mindestens eine/n anderen, unabhängige/n Ärztin oder Arzt hinzugezogen hat, der die Patientin oder den Patienten gesehen und ihr bzw. sein schriftliches Urteil über die in den Punkten a) bis d) bezeichneten Sorgfaltskriterien abgegeben hat, und
- die Lebensbeendigung medizinisch sorgfältig ausgeführt hat."
Bei Patient*innen, die nicht mehr in der Lage sind, ihren Willen zu äußern, jedoch früher in schriftlicher Form eine Bitte um Lebensbeendigung formuliert haben, kann die Ärztin bzw. der Arzt dieser Bitte nachkommen.
Nach dem Gesetz können auch Minderjährige um Sterbehilfe bitten. Ist eine Patientin bzw. ein Patient im Alter zwischen sechzehn und achtzehn Jahren, kann die Ärztin bzw. der Arzt dieser Bitte entsprechen, wenn die Eltern bzw. der Vormund in die Entscheidung einbezogen werden. Bei Patientinnen und Patienten zwischen zwölf und sechzehn Jahren ist das Einverständnis der Eltern bzw. des Vormunds erforderlich.
Die Ärztin oder der Arzt muss sein Vorgehen bei der Lebensbeendigung bzw. der Hilfe zum Suizid der bzw. dem zuständigen Leichenbeschauer*in melden und einen Bericht über die Einhaltung der Sorgfaltskriterien vorlegen. Der Bericht wird von einer Kontrollkommission geprüft, deren Zusammensetzung und Kompetenzen im neuen Gesetz festgelegt sind. Wenn die Kontrollkommission Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Ärztin oder des Arztes hegt, informiert sie darüber die Staatsanwaltschaft.
Am 12. Juni 2013 erklärte die Ärzteorganisation Königliche Niederländische Gesellschaft für die Förderung der Gentechnik – KNMG (Koninklijke Nederlansche Maarschappij tot bevordering der Geneeskunst), dass niederländische Mediziner*innen den Sterbeprozess schwer kranker Neugeborener beschleunigen dürfen, etwa durch die Gabe von Muskelrelaxanzien. Die Praxis existiert bereits seit Jahren und hat immer wieder zu Kontroversen geführt. Durch den Bericht wurden nun erstmals Regelungen zur Sterbehilfe bei todkranken Babys festgelegt. Jeder Fall muss der dafür eingerichteten Kommission (Central Committe of Express) gemeldet werden. Damit reagiert die Regierung auf das so genannte "Groningen Protocol", das von dem Groningen University Medical Centre als Grundlage für den Umgang mit diesen Fällen angenommen wurde. Das Komitee besteht aus drei verschiedenen Vertretenden des ärztlichen Fachpersonals (deren fachliche Qualifikation sich je nach Fall entscheidet), einem oder einer Ethiker*in und einer juristischen Fachperson.
Seit vielen Jahren wird in den Niederlanden über eine Ausweitung der Legalisierung von Sterbehilfe diskutiert. Konkret geht es darum, ob alte körperlich gesunde Menschen, die den Lebenswillen verloren haben oder aber ihr Leben als hinreichend erfüllt ansehen, die Möglichkeit eines medizinisch begleiteten Suizids haben sollten. Angeregt wurde diese Debatte durch die "Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende", die zusammen mit der Bürger*inneninitiative "Aus freiem Willen" für die Sterbehilfegesuche gesunder Menschen, die ihr Leben als vollendet ansehen, eintritt. Diesen soll der Suizid z.B. durch die Bereitstellung von zur Sterbebegleitung geschulten Personen, die keine Ärztinnen oder Ärzte sind, oder durch sogenannte "Letzter-Wille-Pillen", die ab einer gewissen Altersgrenze erwerbbar sein sollen, erleichtert werden.
Zuletzt hat diese Debatte durch einen Vorstoß von Seiten der Politik neuen Auftrieb erhalten. Die Gesundheitsministerin Edith Schippers und Justizminister Ard van der Steur haben eine Initiative gestartet, das Gesetz zur Sterbehilfe zu novellieren. Danach sollen auch Menschen, die zu dem wohldurchdachten Urteil gelangen, ihr Leben sei erfüllt, Sterbehilfe in Anspruch nehmen dürfen. Geplant ist, die neue Gesetzesfassung nach Beratungen mit Ärztinnen bzw. Ärzten, Ethiker*innen und anderen Fachpersonen Ende 2017 einzuführen. Der Vorstoß hat eine Debatte über neue Dammbruchgefahren ausgelöst. Die schweizer Sterbehilfeorganisation EXIT berichtet im Oktober 2020 davon, dass Eltern in den Niederlanden ab dem Jahr 2021 aktive Sterbehilfe für todkranke Kinder jeden Alters beantragen könnten.
Zwischen 2011 und 2012 ist die Zahl der Fälle von Sterbehilfe in den Niederlanden von 3695 auf 4188 um ca. 13 Prozent gestiegen. In den Jahren 2013 (4829 Fälle), 2014 (5306 Fälle), 2015 (5516 Fälle) und 2016 (6091) setzte sich dieser Trend fort. Die RTE (Regionale Toetsingscommissies Euthanasie) veröffentlicht jedes Jahr einen Jahresbericht aus dem sich aktuelle Zahlen entnehmen lassen. 2019 sind die gemeldeten Sterbehilfefälle auf 6361 gestiegen, was 4,2 % aller Todesfälle der Niederlande ausgemacht hat. Dies ist im Vergleich zu 2018 (6126 Fälle) eine Zunahme um 3,8 %, entspricht gegenüber den Meldungen von 2017 (6585 Fälle) aber einen Rückgang um 4,4 %. Die RTE berichtet, dass 2018 erstmals solch ein Rückgang der Sterbehilfemeldungen verzeichnet worden sei. Im Jahr 2020 wurden 6.938 Sterbehilfefälle gemeldet, was 9,1 % Steigerung zum Vorjahr 2019 entspricht. Inzwischen wurden Bücher – auch in englischer und in deutscher Übersetzung – veröffentlicht, in denen über Möglichkeiten zur Selbsttötung informiert wird.
Die Situation in Belgien
Am 16. Mai 2002 hat die belgische Abgeordnetenkammer mit 86 gegen 51 Stimmen bei 10 Enthaltungen ein "Gesetz zur Euthanasie" verabschiedet. Der belgische Senat hatte dieses Gesetz bereits am 25. Oktober 2001 gebilligt. Nach dem neuen Gesetz ist die Tötung auf Verlangen durch eine Ärztin oder einen Arzt unter bestimmten Bedingungen erlaubt.
Am 13. Dezember 2013 hat der belgische Senat beschlossen, das Gesetz auch auf Minderjährige auszuweiten. Die belgische Abgeordnetenkammer stimmte der Gesetzesänderung im Februar 2014 zu und durch die Unterzeichnung des belgischen Königs wurde sie kurze Zeit später rechtskräftig. Durch die entsprechende Gesetzesänderung haben nun auch Minderjährige jeglichen Alters das Recht, von ihrer oder ihrem behandelnden Ärztin oder Arzt unter bestimmten Umständen eine Beihilfe zur Selbsttötung zu fordern. Die Gesetzesänderung war umstritten und wurde von Protesten seitens Kirchen und Patientenverbänden begleitet.
Im Jahr 2016 hat die erste aktive Tötung eines minderjährigen Patienten die Debatte neu angefacht. Heftige Kritik gab es dabei u. a. von Seiten der Kirche. Kardinal Sgreccia (Vatikan) erklärte, die Entscheidung wende „sich nicht nur gegen die Empfindungen aller Religionen, die sämtlich ihre Stimme in Belgien erhoben haben, sondern auch gegen den menschlichen Instinkt, denn vor allem verletzlichen Minderjährigen muss mit Medikamenten und mit moralischem, psychologischem und spirituellem Beistand geholfen werden." Auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte das Vorgehen: "Die Tötung auf Verlangen von Kindern hat nichts mit würdigem Sterben zu tun. Damit verlässt der Beneluxstaat die menschenrechtlichen Standards der EU."
Die Situation in Luxemburg
Am 17. März 2009 trat im Großherzogtum Luxemburg ein Sterbehilfegesetz in Kraft (Loi du 16 mars 2009 sur l'euthanasie et l'assistance au suicide). Gemäß diesem Gesetz ist die Beihilfe zum Suizid in Luxemburg, wie in den Niederlanden und Belgien, unter bestimmten Umständen erlaubt.
Patientinnen und Patienten haben nun die Möglichkeit, mit ärztlicher Hilfe vorsätzlich aus dem Leben zu scheiden. Die Straffreiheit dieser ärztlichen Hilfe hängt von verschiedenen Bedingungen ab: Die oder der Betroffene muss volljährig sein und sich in einer medizinisch ausweglosen Situation befinden. Die Person muss unter psychischen oder physischen Schmerzen leiden, ohne Aussicht auf eine Besserung dieser Situation. Der Wunsch, aus dem Leben zu scheiden, muss freiwillig, wohlüberlegt und ohne äußeren Druck zustande kommen und schriftlich formuliert sein. Bei 16- bis 18-Jährigen darf Sterbehilfe nur dann geleistet werden, wenn die Eltern oder die gesetzliche Vertretung zuvor ihre Zustimmung erteilt haben. Bei einer Patient*innen, die ihren Wunsch nicht mehr äußern können, ist der in einer Patientenverfügung festgelegte Wille entscheidend. Laut dem Gesetz muss die Ärztin oder der Arzt mit der Patientin oder dem Patienten mehrere ausführliche Gespräche bezüglich der Entscheidung führen und sie oder ihn über den jeweiligen Zustand und alle medizinischen Möglichkeiten aufklären. Außerdem muss grundsätzlich die Meinung einer zweiten ärztlichen Fachkraft über die Schwere und Unheilbarkeit der Erkrankung hinzugezogen werden. Sämtliche Fälle von Sterbehilfe müssen einer Kontrollkommission gemeldet werden, die die Erfüllung der im Gesetz festgelegten Bedingungen überprüft.
Die erste Lesung zum Sterbehilfegesetz fand am 19. Februar 2008 statt und wurde mit 30 Ja-Stimmen, 26 Nein-Stimmen und drei Enthaltungen angenommen. Da es aber laut dem Staatsrat juristische Unvereinbarkeiten mit dem gleichzeitig vorgeschlagen Gesetz zur Palliativmedizin (Loi du 16 mars 2009 relative aux soins palliatifs, à la directive anticipée et à l'accompagnement en fin de vie) gab, wurden die Parlamentarier*innen nicht von einer zweiten Lesung entbunden. Die erneute Abstimmung über das Sterbehilfegesetz am 18. Dezember 2008 erbrachte ein Ergebnis von 31 Ja-Stimmen, 26 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen und bestätigte somit die Einstellung der Abgeordneten in der ersten Abstimmung.
Am 17. März 2009 erschien das Amtsblatt Memorial, in dem das Gesetz abgedruckt war und somit in Kraft trat. Das Gesetz trägt das Datum des 16. März 2009 und die Unterschrift von Großherzog Henri.
Die Verzögerung der Veröffentlichung ist auf eine Verfassungsänderung bezüglich der Rechte des luxemburgischen Staatsoberhaupts zurückzuführen. Damit ein Gesetz in Kraft treten kann, musste vor der Verfassungsänderung das Staatsoberhaupt dieses nicht nur unterschreiben, sondern auch billigen. Anfang Dezember 2008 wurde bekannt, dass Großherzog Henri das Gesetz nicht unterschreiben werde, da er es mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne. Das Vetorecht sollte nun durch eine Änderung des Artikels 34 der Verfassung dem bzw. der Großherzog*in entzogen werden: Das Staatsoberhaupt muss ein Gesetz nur noch verkünden, nicht mehr billigen. Die erste Lesung zu diesem Änderungsvorschlag fand am 11. Dezember 2008 statt und wurde angenommen. Da das luxemburgische Parlament bei einer Verfassungsänderung allerdings nicht von einer zweiten Lesung entbunden werden kann und diese frühestens drei Monate nach der ersten Lesung erfolgen darf, wurde am 11. März 2009 erneut abgestimmt. Die Verfassungsänderung wurde einstimmig und mit Einverständnis des Großherzogs Henri angenommen.
Die Situation in Frankreich
In Frankreich ist am 22. April 2005 das Gesetz "Loi n° 2005-370 relative aux droits des malades et à la fin de vie" verabschiedet worden, das das Gesetz über das öffentliche Gesundheitswesen (Code de la santé publique) dahin gehend ändert, dass ein Abbruch der medizinischen Behandlung auf Wunsch einer Patientin oder eines Patienten dann nicht strafbar ist, wenn diese*r sich in einer fortgeschrittenen Phase oder in der Endphase einer schweren und unheilbaren Krankheit befindet - auch wenn dieser Abbruch den Tod beschleunigt. Ist die Patientin oder der Patient nicht mehr entscheidungsfähig und liegt keine Patientenverfügung vor, so müssen die Familienangehörigen bzw. eine Vertrauensperson und ein*e weitere*r Ärztin bzw. Arzt hinzugezogen werden. Patientenverfügungen werden berücksichtigt, sofern ihr Verfassen zum Zeitpunkt des Eintretens der Bewusstlosigkeit nicht länger als drei Jahre zurück liegt und sie nicht widerrufen wurden.
Am 17. März 2015 hat die Französische Nationalversammlung eine Änderung des Sterbehilfegesetzes beschlossen. Der Ergänzungstext, der von den Abgeordneten Alain Claeys (PS) und Jean Leonetti (UMP) erarbeitet wurde, sieht das Recht auf eine „tiefe und kontinuierliche Sedierung” für unheilbar kranke Patientinnen bzw. Patienten vor, sofern dies dem Willen der Patientin oder des Patienten entspricht. Damit ist die sogenannte terminale Sedierung gemeint, die einem starken Beruhigungsmittel gleicht und Patientinnen sowie Patienten in der allerletzten Lebensphase vor unerträglichem Leiden bewahren soll. Darüber hinaus werden die Ärztinnen und Ärzte durch die Gesetzesänderung verpflichtet, die Patientenverfügung zu berücksichtigen, auch wenn sie länger als drei Jahre zurück liegt. Ein Änderungsvorschlag zur Legalisierung aktiver Sterbehilfe war während der Gesetzesberatung abgelehnt worden. Aktive Sterbehilfe bleibt daher in Frankreich weiterhin verboten.
Die Situation in Italien
Vergleichbar mit der Situation in Deutschland ist die Sterbehilfe in Italien nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Die aktive Sterbehilfe fällt jedoch grundsätzlich in den Anwendungsbereich des strafrechtlichen Verbots der vorsätzlichen Tötung ("omicidio volontario", Art. 575 codice penale). Diese Vorschrift sieht eine Mindeststrafe von 21 Jahren vor. Für eine Strafmilderung im Falle einer Mitleidstötung besteht im Einzelfall ein gewisser Wertungsspielraum: Art. 62 codice penale erkennt als mildernden Umstand an, wenn Straftäter*innen aus "Motiven von besonderem moralischem oder sozialem Wert" ("motivi di particolare valore morale o sociale") gehandelt haben. Im Falle einer wirksamen Einwilligung seitens der Sterbewilligen kommt der Tatbestand der "Tötung mit Einwilligung" ("omicidio del consenziente", Art. 579 codice penale) mit einem Strafrahmen von 6 bis 15 Jahren zur Anwendung. Abweichend von der deutschen Rechtslage ist indes auch die Verleitung und die Beihilfe zum Selbstmord gemäß Art. 580 codice penale ("istigazione o aiuto al suicido") strafbar. Art. 580 codice penale sieht einen Strafrahmen von 5 bis 12 Jahren vor.
Die passive Sterbehilfe unterfällt im Falle einer wirksamen Einwilligung durch Sterbewillige dem in Art. 32 Abs. 2 der italienischen Verfassung garantierten Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich medizinischer Behandlungen. Dort heißt es, dass "niemand außer in den gesetzlich geregelten Fällen zwangsweise einer medizinischen Behandlung unterzogen werden darf." Diese Ausnahmeregelungen dürfen ihrerseits auf keinen Fall die durch den "Respekt vor der menschlichen Person" ("respetto della persona umana") auferlegten Grenzen verletzen (Art. 32 Abs. 2 Satz 2). Besonders umstritten ist in Italien die künstliche Ernährung, welche, je nach Auffassung, eine ablehnbare medizinische Behandlung oder aber eine Grundversorgung darstellt, die der Respekt vor der menschlichen Person gebietet. Am 14. Dezember 2017 stimmte der Senat jedoch für ein Gesetz, welches Patientenverfügungen für bindend erklärt. Im Rahmen einer solchen Verfügung kann nun auch eine künstliche Ernährung abgelehnt werden.
Im Falle der fehlenden Einwilligung ist die passive Sterbehilfe für den Garanten, d. h. für denjenigen, der rechtlich für die Verhinderung des Todes einzustehen hat (etwa Eltern, Ehegatten und Ärztinnen sowie Ärzte), grundsätzlich als "Tötung durch Unterlassen" gleichermaßen strafbewehrt wie die aktive Tötung (Art. 575 i.V.m. Art. 40/2 codice penale).
Nur in Fällen des Hirntods ist der Abbruch oder das Unterlassen lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen erlaubt, sofern die hinzugezogenen Angehörigen des Hirntoten, die oder der zuständige Chefärztin bzw. Chefarzt, ein*e behandelnde*r Ärztin bzw. Arzt sowie ein*e Rechtsmediziner*in dem zustimmen. Sind sich die Ärzt*innen und die Angehörigen uneins, muss gerichtlich entschieden werden.
Der Fall der Komapatientin Eluana Englaro hat dazu geführt, dass die Debatte um die Sterbehilfe in Italien wieder intensiv geführt wird und auch durch die Politik aufgegriffen worden ist.
Die Situation in Großbritannien
Wie der Fall Pretty noch einmal nachdrücklich aufzeigte, spricht der "Suicide Act" ein grundsätzliches Suizidhilfeverbot aus. Sterbehilfe wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 14 Jahren geahndet. Die Rechtssituation in Großbritannien lässt dabei einen weiten Ermessensspielraum bezüglich des tatsächlichen Strafmaßes im Einzelfall zu. Es ist britischen Staatsangehörigen zwar möglich in die Schweiz zu reisen, wenn sie Sterbehilfe in Anspruch nehmen wollen. Werden sie hierbei jedoch begleitet und unterstützt, so verhält sich die Begleitperson gesetzeswidrig. In der Praxis kommt es selten zur Strafverfolgung, doch bisher konnten sich die Betroffenen nicht darauf verlassen ohne Anklage zu bleiben. Im Juli 2009 hat nun eine Einzelfallentscheidung die Debatte angefacht. Debbie Purdy, eine an Multipler Sklerose erkrankte, suizidwillige Britin, hat im House of Lords erreicht, dass die obersten Richter*innen ihrem Mann Straffreiheit zusichern, falls dieser ihr bei der Ausreise in die Schweiz helfen sollte. Auf diesen Fall hin ordneten die Lordrichter*innen an, dass die britische Anklagebehörde (GPP) genaue Richtlinien erlassen müsse, die Aufschluss darüber geben, unter welchen Bedingungen es bei Suizidhilfe tatsächlich zur Verfolgung komme. Die britische Anklagebehörde verkündete daraufhin im September 2009 entsprechende Richtlinien. Entscheidend für die Straffverfolgung ist demnach etwa die Unterscheidung zwischen "Beihilfe" und "Ermutigung" zum Freitod sowie die Frage, ob die Begleitung vom Tod des Patienten profitiert. Kritiker*innen führen an, dass der Erlass dieser Richtlinien zur Strafverfolgung bei Beihilfe zum Suizid durch Angehörige eine Legalisierung „durch die juristische Hintertür“ darstellt.
2013 veröffentliche die Commision on Assisted Dying unter Führung von Lord Falconer einen Vorschlag für die Liberalisierung der Sterbehilfe in England und Wales. Demnach soll jede volljährige Person, deren Lebenserwartung weniger als ein halbes Jahr beträgt, den assistierten Suizid wählen können. Dieser Vorschlag wird zurzeit im House of Commons und der Englischen Bevölkerung diskutiert.
Die Situation in den USA
Da die Strafgesetzgebung in den USA in erster Linie durch die Einzelstaaten erfolgt, gibt es keine bundesweit verbindlichen Regelungen zur Sterbehilfe und zur Beihilfe zum Suizid. Die Bundesgerichte haben zu klären, ob die Gesetze der Einzelstaaten der Bundesverfassung entsprechen.
Die aktive Sterbehilfe ist in allen Einzelstaaten verboten, während der Behandlungsabbruch und der Behandlungsverzicht in Übereinstimmung mit dem Patientenwillen in aussichtslosen Fällen (passive Sterbehilfe) allgemein akzeptiert sind. Dasselbe gilt für die indirekte Sterbehilfe.
Auch der Suizid gilt in einigen Staaten als Verbrechen oder Vergehen, desgleichen die Beihilfe zum Suizid. In einzelnen Bundesstaaten gab es Initiativen zur Legalisierung der Beihilfe zum Suizid. In Oregon ist am 27.Oktober 1997 der "Death with Dignitiy Act" in Kraft getreten, wonach "ein einsichtsfähiger Erwachsener, [...] bei dem durch den behandelnden und den beratenden Arzt eine terminale Erkrankung festgestellt wurde", einen schriftlichen Antrag stellen kann, sein "Leben auf menschenwürdige Weise zu beenden". Die Patientin bzw. der Patient erhält nach Genehmigung des Antrags ein Rezept für ein Medikament, das es ihr bzw. ihm ermöglichen soll, das eigene Leben selbst zu beenden. Auch in den Bundesstaaten Kalifornien, Washington, Montana und Vermont ist die Beihilfe zum Suizid unter vergleichbaren Vorgaben zwischen 2008 und 2015 legalisiert worden. In New Mexico urteilte die Richterin Nan G. Nash am Second Judicial District Court in Albuquerque im April 2014, dass es ein verfassungsmäßig garantiertes Recht unheilbar kranker Patientinnen und Patienten auf "Aid in Dying" gebe. Sterbehilfe vonseiten der Ärztin bzw. des Arztes müsse daher in betreffenden Fällen von rechtlicher Verfolgung ausgenommen werden. Ärztinnen und Ärzte sowie juristische Fachpersonen der Organisation "Alliance Defending Freedom" haben daraufhin einen Antrag auf Berufung gestellt. Das Berufungsgericht von New Mexico kam im August 2015 zu dem Schluss, dass die Verfassung von New Mexico kein Grundrecht auf Sterbehilfe enthalte. Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten (Supreme Court of the United States) hob das Urteil von Richterin Nan G. Nash in letzter Instanz auf.
Mit dem sogenannten „End of Life Options Act" streben Deborah A. Armstrong, Bill McCamley und Elizabeth „Liz" Stefanics jedoch in New Mexico eine ähnliche Regelung wie in Oregon an. Der Gesetzesentwurf wurde am 20. Januar 2017 vorgestellt; er hat bisher allerdings weder das Repräsentantenhaus (House of Representatives) noch den Senat (Senat) passiert.
Anfang des Jahres 2005 löste der Fall Terri Schiavo in den USA eine erneute Debatte über das Recht zu sterben und den Umgang mit Euthanasie aus. Terri Schiavo hatte im Jahr 1990 bei einem Zusammenbruch eine schwere Gehirnschädigung erlitten und befand sich seitdem im Wachkoma. Während ihr Ehemann und gesetzlicher Vormund dafür plädierte, die künstliche Ernährung einzustellen und die Patientin sterben zu lassen, wie es ihr (allerdings nur mündlich geäußerter) Wunsch gewesen sei, sprachen sich ihre Eltern für die Weiterernährung aus. Anfang des Jahres 2005 ordnete Präsident George W. Bush an, den seit sieben Jahren im Staat Florida andauernden Gerichtsstreit, in dessen Verlauf die künstliche Ernährung bereits mehrmals unterbrochen und wieder aufgenommen wurde, auf Bundesebene weiter zu führen. Dafür wurde eigens eine Gesetzesinitiative entworfen, durch die erreicht werden sollte, dass Terri Schiavo so lange am Leben gehalten wird, bis ein Bundesgericht zu einer Entscheidung gekommen ist. Im Februar wurde der Fall schließlich vor dem höchsten Gericht der USA zugunsten von Terri Schiavos Ehemann entschieden.
Die Situation in Australien
Im Northern Territory von Australien trat 1996 der „Rights of the Terminally Ill Act” in Kraft. Dieser erlaubte den ärztlich assistierten Suizid bei terminal Kranken, deren Leiden ein unerträgliches Maß erreicht hat. Vier Patientinnen bzw. Patienten nahmen sich daraufhin mit Hilfe eines Computers, der auf Knopfdruck die Injektion einer tödlichen Medikamentendosis auslöste, das Leben. Das Gesetz wurde 1997 durch rechtliche Bestimmungen des australischen Parlaments außer Kraft gesetzt. Vor allem in jüngster Zeit wurden jedoch in verschiedenen Bundesstaaten Australiens ähnliche Gesetzesinitiativen wie im Nothern Territory gegründet und Entwürfe für eine gesetzliche Legalisierung der Euthanasie eingereicht.
Am 22. November 2017 verabschiedete die Regierung des Bundesstaates Victoria den „Voluntary Assisted Dying bill”. Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass unheilbar Kranke in Zukunft tödliche Medikamente erhalten dürfen. Hierfür gelten spezifische Voraussetzungen. Patientinnen und Patienten müssen für mindestens 12 Monate „normale” Einwohner des Bundesstaates Victoria gewesen sein. Sie müssen Erwachsene mit intaktem Urteilsvermögen sein und zudem an einer unheilbaren Krankheit mit einer Lebenserwartung von weniger als sechs Monaten, bzw. 12 Monaten bei neurodegenerativen Erkrankungen, leiden. Es muss ein Leiden bestehen, das nicht auf für die Patientin bzw. den Patienten tolerierbare Weise gelindert werden kann. Formal müssen drei Anfragen auf Sterbehilfe geäußert werden, wobei mindestens eine schriftliche Anfrage vorliegen muss. Zwei erfahrene Ärztinnen bzw. Ärzte müssen die Verfassung der Patientin bzw. des Patienten beurteilen, davon ein*e Spezialist*in, die oder der über die Zulässigkeit von Sterbehilfe im vorliegenden Einzelfall entscheidet. Die Initiative muss dabei von der Patientin oder dem Patienten ausgehen: Ärztinnen bzw. Ärzten ist es verboten, Patient*innen auf die Möglichkeit zu Sterbehilfe hinzuweisen. Für den Fall, dass Sterbehilfe bewilligt wird, werden tödliche Medikamente verschrieben, die die Patientin oder der Patient zu einem selbstgewählten Zeitpunkt einnehmen kann. Sollte eine selbstständige Einnahme nicht möglich sein, darf eine tödliche Injektion verabreicht werden. Seit Mittwoch, den 19. Juni 2019, ist der Gesetzesentwurf in Kraft.
Die Situation in Kanada
Sterbehilfe stand in Kanada noch bis vor Kurzem unter Strafe. In der Provinz Quebec wurde jedoch im Juni 2014 mit einem Gesetz zur "Medizinischen Hilfe beim Sterben" eine Debatte darüber entfacht. Der Begriff Sterbehilfe kommt in dem Gesetzestext nicht vor. Stattdessen heißt es "palliative sedation" (palliative Sedierung) und "medical aid in dying" (medizinische Hilfe beim Sterben). Das Parlament von Quebec stellt sich auf den Standpunkt, dass Sterbehilfe als palliative Behandlung am Lebensende zu klassifizieren und somit Bestandteil der Gesundheitsvorsorge sei. Letztere wird in Kanada nicht von der Zentralregierung, sondern von den Provinzen geregelt. Im Februar 2015 entschied der Oberste Gerichtshof Kanadas, dass ein Verbot assistierter Sterbehilfe gegen die Kanadische Charta der Rechte und Freiheiten (Canadian Charta of Rights and Freedoms) verstieße. Daraufhin verabschiedete das kanadische Parlament im Juni 2016 ein Gesetz zur Legalisierung von assistierter Sterbehilfe (Bill C-14). Der Gesetzestext verwendet ebenfalls die Formulierung „medical aid in dying“. Diese ist allerdings strengen Regulierungen unterworfen. So kann sie beispielsweise weder von Minderjährigen, noch aufgrund von psychischen Erkrankungen oder langjährigen Behinderungen erbeten werden.