Urteil des Europäischen Gerichtshofs im Fall Pretty gegen das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland vom 29. April 2002

Die Klage von Diane Pretty ging davon aus, dass das britische Recht hier im Widerspruch zu den Artikeln 2 ("Recht auf Leben"), 3 ("Verbot der Folter"), 8 ("Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens"), 9 ("Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit") und 14 ("Diskriminierungsverbot") der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten stehe. In seinem Urteil vom 29. April 2002 befand der Europäische Gerichtshof, dass die Klage zwar zulässig sei, eine von Pretty reklamierte Verletzung der genannten Artikel durch das Sterbehilfe-Verbot des "Suicide Act" und die Zurückweisung der erwähnten Ersuche um vorgängige Straffreistellung aber nicht vorliege.

Die Klägerin berief sich in ihrer Argumentation vor allem auf das Recht auf Selbstbestimmung über die Fortsetzung bzw. Nicht-Fortsetzung des eigenen Lebens, das insbesondere aus den Artikeln 2 ("Recht auf Leben") und 8 ("Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens") folge, und das auch die Hilfe Dritter bei einer Selbsttötung rechtfertige, und zwar in Fällen Schwerstkranker, die einem qualvollen Tod zuvorkommen wollten, aber nicht aus eigener Kraft zur Selbsttötung in der Lage seien. Der Europäische Gerichtshof räumte zwar ein, dass nicht auszuschließen sei, dass das Sterbehilfe-Verbot des "Suicide-Act" einen Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens und der personalen Selbstbestimmung der Klägerin (nach Artikel 8 Absatz 1) darstelle, hielt aber einen solchen Eingriff zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer angesichts des anzuerkennenden Missbrauchrisikos eines gelockerten Sterbehilfe-Verbots nicht für unverhältnismäßig (im Sinne von Artikel 8 Absatz 2), wenn - wie im britischen Fall etwa durch einen breiten Spielraum bei der Strafbemessung - eine Flexibilität in der Beurteilung des Einzelfalls ermöglicht sei. Aufgrund der Bedeutung des vorliegenden Falls sei auch die Ablehnung einer vorgängigen Straffreistellung nicht unverhältnismäßig.

Pressemitteilung zum Urteil des EGMR im Fall Pretty gegen das Vereinigte Königreich von Großbritannien und Nordirland. Online Version (Englisch)

Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - Text als PDF-Datei zugänglich über den Server des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Online Version

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