Bioethik-Thesaurus: Vorwort und Einleitung

Vorwort

Der Thesaurus Ethik in den Biowissenschaften ist das Ergebnis eines Kooperationsprojektes folgender Partnerinstitute:

  • Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften (DRZE), Bonn, Deutschland (editor in chief)
  • Centre de documentation en éthique (CDE), Comité consultatif national d’éthique (CCNE), Paris, Frankreich
  • Informations- und Dokumentationsstelle Ethik in der Medizin (IDEM), Göttingen, Deutschland
  • Internationales Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW), Universität Tübingen, Deutschland
  • Bioethics Research Library at Georgetown University, Kennedy Institute of Ethics (KIE), Washington, DC, USA
     

Das Projekt, das 1999 vom DRZE initiiert wurde, führt fünf Partner zusammen, die vor dem Hintergrund ihrer langjährigen und professionellen Erfahrung mit dem Einsatz unterschiedlicher Thesauri das gemeinsame Ziel definierten, mit dem Thesaurus Ethik in den Biowissenschaften erstmalig ein einheitliches, mehrsprachiges und kontrolliertes Indexierungs- und Recherchewerkzeug bereitzustellen, das auch bisher nicht oder nur marginal berücksichtigte Teilbereiche der Bioethik erfasst. Damit wird es möglich, mit Hilfe des Thesaurus aktuelle Entwicklungen in dem heterogenen und multidisziplinären Feld der Bioethik vor allem auch im internationalen Kontext adäquat darzustellen und einen Beitrag dazu zu leisten, die Literaturrecherche und Indexierung effizienter zu gestalten. Die verschiedenen Funktionalitäten des Thesaurus orientieren sich in erster Linie an den Bedürfnissen der beiden wichtigsten Zielgruppen: recherchierende Nutzer – sowohl Fachleute als auch Laien – sowie bibliothekarische und dokumentarische Fachkräfte, die bioethische Fachliteratur und Dokumente indexieren.

Die achte Ausgabe ist eine umfassend überarbeitete Fassung der siebten Ausgabe von Dezember 2010 und erscheint erneut in deutscher, englischer und französischer Sprachversion.

Der besondere Dank der Redaktion geht an die beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Partnerinstitute.

Ein multilingualer Thesaurus: Herausforderungen

Mit der Entwicklung des Thesaurus Ethik in den Biowissenschaften betraten die Projektpartner in mehrfacher Hinsicht Neuland. So weist der Thesaurus im Vergleich zu anderen Thesauri bioethischer Orientierung einen erheblich weiteren thematischen Umfang auf. Unterteilt in 14 Sachgebiete, umfasst der Thesaurus nicht nur die auf den Menschen bezogenen, d. h. humanen Bereiche der allgemeinen Bioethik und der medizinischen Ethik, sondern erstreckt sich auch auf nicht-humane Bereiche, wie z. B. die Tierethik, Ethik des Umwelt- und Naturschutzes, der Landwirtschaft, der Gen- und Biotechnologie etc. Damit führt er erstmals verschiedene, zunehmend in den Blickpunkt rückende Gebiete der Bioethik in einem einheitlichen Thesaurus zusammen. Dieser Umstand schlägt sich unter anderem im Umfang des Thesaurus nieder: die derzeitige Ausgabe umfasst 2.947 Deskriptoren und 4.006 deutsche Nicht-Deskriptoren.

Die beschriebene Ausweitung der Thesaurusschwerpunkte stellt die Thesaurusredaktion dauerhaft vor die große Herausforderung, einen ständigen Ausgleich zwischen inhaltlicher Vollständigkeit und praktischer Handhabbarkeit anzustreben. Insbesondere die in diesem Thesaurus erstmals aufgenommenen und in anderen Thesauri ähnlicher Schwerpunktsetzung bisher nicht berücksichtigten bioethischen Teilgebiete bedürfen einer verstärkten Kontrolle.

Die besondere Herausforderung des Thesaurus Ethik in den Biowissenschaften liegt in seiner Mehrsprachigkeit (Deutsch, Englisch und Französisch). Die vergleichbaren einsprachig vorliegenden Thesauri, die inhaltlich in erster Linie das Gebiet der Bio- und Medizinethik im humanen Bereich in den Mittelpunkt rücken, konnten sich vornehmlich darauf beschränken, terminologisch die jeweiligen nationalen Diskussionen abzubilden. Der Thesaurus Ethik in den Biowissenschaften strebt dagegen an, in größerer thematischer Breite vor allem im internationalen Kontext einsetzbar zu sein. Er ist terminologisch so gefasst, dass unterschiedliche nationale wie auch internationale Diskussionen wiedergegeben werden können. Um in jedem Einzelfall sicherzustellen, dass es sich bei den angesetzten Deskriptoren in den einzelnen Sprachen um die in der fachlichen Diskussion und Literatur tatsächlich verwendeten Begriffe handelt, wurde nicht unmittelbar übersetzt, sondern es wurden in enger Zusammenarbeit insbesondere mit den Kooperationspartnern in Washington, DC und Paris drei korrespondierende, aber eigenständige Thesaurussprachversionen erstellt.

Konkordanzen mit anderen Thesauri: Brückenfunktionen

Als eine seiner zentralen Funktionalitäten bietet der Thesaurus den Nachweis von Konkordanzen in anderen Thesauri, den Referenzthesauri, die u. a. als wichtige Wortgutquellen bei der Erstellung des Thesaurus dienten. Mit Hilfe dieser Konkordanznachweise (Konk) ist es möglich, auch Datenbanken, die mit den Referenzthesauri indexiert werden, in die Recherche einzubeziehen.

Bei den Referenzthesauri, zu denen der Thesaurus derzeit Konkordanznachweise führt, handelt es sich um den Bioethics Thesaurus des Kennedy Institute of Ethics (KIE) und den Euroethics Thesaurus, dessen Weiterentwicklung eingestellt wurde, sowie die Medical Subject Headings (MeSH) der U.S. National Library of Medicine (NLM), den weithin genutzten Thesaurus mit medizinischer Schwerpunktsetzung. Des Weiteren sind die Konkordanzen zu dem am Centre de documentation en éthique entwickelten französischen Thesaurus d’éthique des sciences de la vie et de la santé enthalten.

Die Konkordanznachweise erlauben den Brückenschlag zu zahlreichen anderen Datenbeständen, wodurch ein ergänzender Einsatz des Thesaurus oder auch die Umstellung auf die Indexierung mit dem Thesaurus erleichtert werden und der Datenverlust bei der Nutzung des Thesaurus als Recherchewerkzeug minimiert wird.

Weiterentwicklung: Thesaurusredaktion

Das Kerngremium der Weiterentwicklung des Thesaurus ist die aus Vertretern der fünf Projektpartner zusammengesetzte Wortgutredaktion Arbeitsgruppe Thesaurus.

Die von der Wortgutredaktion beschlossenen Änderungen finden Eingang in die jeweils nächste, überarbeitete Ausgabe des Thesaurus, der regelmäßig neu erscheint. Alle indexierungs- und rechercherelevanten Veränderungen werden in einer History, die Informationen zu neuen, umbenannten oder gestrichenen Deskriptoren enthält, dokumentiert.

Kontakt zur Thesaurusredaktion: Kommentare und Veränderungsvorschläge

Für die Fortentwicklung und kontinuierliche Verbesserung des Thesaurus sind die unmittelbaren Erfahrungswerte aus der konkreten Anwendung von zentraler Bedeutung. Die Thesaurusredaktion ist daher auch auf die konstruktive Mitarbeit der Nutzer des Thesaurus angewiesen und lädt diese ausdrücklich ein, sich an dem Fortentwicklungsprozess aktiv zu beteiligen.

Das DRZE hält auf seinen Internetseiten ein Formular für Veränderungsvorschläge (MS Word-Datei in Englisch) zum Download bereit, in das Veränderungsvorschläge eingetragen und unter thesaurus@drze.de bei der Thesaurusredaktion eingereicht werden können.

Sachgebiete des Thesaurus

Der Thesaurus ist in 14 Sachgebiete untergliedert. Bei diesen handelt es sich nicht um eigenständige Klassifikationen, d. h. 14 Einzelthesauri, sondern um integrierte Bestandteile des Gesamtthesaurus. Dementsprechend ist das maßgebliche Kriterium der Auswahl von Deskriptoren die Frage der bioethischen Relevanz. In Ermangelung eines universal gültigen Auswahlprinzips stellt die Deskriptorenauswahl und Sachgebietszuordnung in vielen Fällen eine Kompromisslösung zwischen den Sichtweisen und Bedürfnissen einzelner Disziplinen und praktischen Nutzerbedürfnissen dar. Dabei werden einige Sachbereiche ausführlicher behandelt als andere, da sie den Hauptgegenstand des Thesaurus in größerem Maße berühren. So werden beispielsweise die Biologie (IV), Medizin und Pflege (V) sowie die Genetik (IX) als eigenständige Sachgebiete behandelt und ausdifferenziert, während andere Natur- und Biowissenschaften lediglich im Sachgebiet Wissenschaft, Forschung, Technik und Technikfolgenabschätzung (III) verortet sind.

In Fällen, in denen Deskriptoren möglicherweise mehr als einem Sachgebiet zugeordnet werden können, wählt die Thesaurusredaktion zwei mögliche Darstellungsoptionen, über die von Fall zu Fall entschieden wird: in den Fällen, in denen bei der Diskussion der Verortung des jeweiligen Deskriptors kein eindeutig vorrangiges Prinzip identifizierbar ist, wird auf das Mittel der polyhierarchischen Ansetzung zurückgegriffen, d. h. ein Deskriptor wird innerhalb eines Sachgebietes mehrfach oder parallel in mehreren Sachgebieten verortet. Dagegen wird in den Fällen, in denen die Verortung in einem bestimmten Sachgebiet als vorrangig identifizierbar ist, der Deskriptor entsprechend einfach angesetzt und zu Deskriptoren an anderen möglichen Verortungsstellen innerhalb des Thesaurus durch eine Assoziationsrelation in Verbindung gesetzt.

Deskriptoren und Nicht-Deskriptoren

Der Thesaurus besteht aus Deskriptoren und Nicht-Deskriptoren. Bei Deskriptoren handelt es sich um Vorzugsbezeichnungen (Schlagwörter), die für die Indexierung (Verschlagwortung) zugelassen sind. Nicht-Deskriptoren sind z. B. Synonyme, Quasisynonyme, lexikalische Varianten oder Begriffe, deren semantisches und kontextuelles Umfeld von dem jeweiligen Deskriptor, dem sie zugeordnet sind, abgedeckt werden kann (s. Äquivalenzrelation). Sie werden nicht für die Indexierung verwendet, erleichtern den Nutzern aber den Zugang zu dem entsprechenden Deskriptor bzw. zu der entsprechenden Deskriptorkombination.

Relationsformen

Innerhalb des Thesaurus sind die Deskriptoren und Nicht-Deskriptoren in einem Netzwerk unterschiedlicher Relationen angeordnet, mit deren Hilfe Nutzer z. B. ihre Suche nach einzelnen Begriffen bzw. die Kombination verschiedener Suchbegriffe präziser gestalten können.

Hierarchische Relation
Jedem Deskriptor ist innerhalb des entsprechenden Sachgebietes eine bestimmte Position in der hierarchischen Struktur (Baumstruktur) zugeordnet: er kann als Unterbegriff (Narrower Term) einem Oberbegriff (Broader Term) hierarchisch untergeordnet sein, bzw. als Oberbegriff einem Unterbegriff hierarchisch übergeordnet sein. Top Terms sind diejenigen Deskriptoren, die innerhalb eines Sachgebietes als Begriffe oberster Ordnung verortet sind.

Grundsätzlich herrscht bei Überordnungen bzw. Unterordnungen das Prinzip der generischen bzw. partitiven Relation, d. h. entweder beschreibt der untergeordnete Begriff weiter spezifizierende Merkmale des Oberbegriffes, oder er repräsentiert Bestandteile des übergeordneten Ganzen. Dieses Prinzip ist innerhalb des vorliegenden Thesaurus an manchen Stellen bewusst durchbrochen, um die durch die 14 Sachgebiete vorgegebene Binnenstruktur wahren und optimal nutzen zu können.

Assoziationsrelation
Deskriptoren, die nicht hierarchisch (Ober- bzw. Unterbegriff), sondern durch verwandte Konzepte und Kontexte miteinander assoziierbar sind, werden durch Assoziationsrelationen (Related Terms, RT) miteinander in Beziehung gesetzt.

Äquivalenzrelation
Jedem Deskriptor können einzelne oder mehrere Nicht-Deskriptoren zugeordnet sein (Benutzt für, Used for, UF). Nicht-Deskriptoren führen die Nutzer zu dem bei der Verschlagwortung verwendeten Deskriptor bzw. zu der verwendeten Deskriptorkombination (Nicht-Deskriptor USE Deskriptor).

Ansetzung der Deskriptoren

Vor dem Hintergrund der oben beschriebenen thematischen Breite des Thesaurus ist es wichtig, seinen Umfang auf ein handhabbares Maß zu beschränken, das auch Nutzer mit geringer Erfahrung mit Retrieval-Systemen nicht überfordert. Zudem werden bei der Ansetzung der Deskriptoren in den verschiedenen Sprachversionen unterschiedliche Thesaurusnormen berücksichtigt. Daraus resultieren die folgenden, allgemeinen Vereinbarungen:

  • Alle Sprachversionen haben den gleichen Stellenwert; jedem Deskriptor in einer Sprache entspricht zwingend ein Deskriptor in allen anderen Sprachversionen; zwischen den Nicht-Deskriptoren der einzelnen Sprachen besteht jedoch keine Äquivalenz; jede Sprache zeichnet sich durch eine eigenständige lexikologische Vielfalt aus, so dass die Anzahl von Nicht-Deskriptoren in den einzelnen Sprachen variiert.
  • In der deutschen und französischen Version werden die Deskriptoren im Singular angesetzt; in der englischen Version stehen alle Deskriptoren, die zählbare Einheiten beschreiben, grundsätzlich im Plural.
  • Deskriptoren werden in direkter, d. h. nicht invertierter Form angesetzt (Medizinische Ethik, nicht Ethik, Medizinische).
  • Bei Homographen bzw. bei Deskriptoren, die je nach Sachgebietszuordnung andere Kontexte nach sich ziehen, werden klärende Klammerzusätze ergänzt (Spende [Finanzierung], Spende [Medizin]; Natur [Philosophie] oder Natur [Ökologie]).
  • In der deutschen Version erfolgen die Ansetzungen nach neuer Rechtschreibung; Variationen werden als Nicht-Deskriptoren ergänzt; die englische Version folgt britischer Orthographie, US-amerikanische und andere Schreibweisen werden als Nicht-Deskriptoren ergänzt; eine Anpassung an britische Schreibweisen erfolgt im Sinne der Einheitlichkeit auch in den aus amerikanischen Quellen übernommenen Scope Notes.
  • Beschreibt ein Deskriptor Sachverhalte oder Konzepte, für die in den anderen Sprachversionen keine entsprechenden Begriffe existieren, so wird der Deskriptor auch in diesen Sprachversionen in der Originalsprache angesetzt und durch eine erklärende Scope Note ergänzt.
  • Die Ansetzungen der geographischen Namen und Personennamen in den Sachgebieten XIII und XIV erfolgt in den jeweiligen Sprachen nach

Scope Notes (Verwendungshinweise)

Als zusätzliche Hilfestellung bei der Indexierung wie auch bei der Recherche wird nach und nach eine Vielzahl von Deskriptoren mit Verwendungshinweisen, so genannten Scope Notes, versehen. Sie bieten neben Anleitungen zur Verwendung des Deskriptors Hinweise auf Alternativen oder Worterklärungen bzw. Definitionen. Scope Notes, die nicht von den Projektpartnern selbst erstellt sind, sind mit Quellenkürzeln versehen. In der Auflistung der Quellenkürzel wird angegeben, in welcher Sprache der ursprüngliche Text vorliegt. Für die jeweils anderssprachigen Thesaurusversionen wurden die Übersetzungen vom DRZE bzw. seinen Partnern angefertigt. Der Bestand der Scope Notes wird kontinuierlich erweitert.

History Note

Die History Note enthält Hinweise zu neuen oder umbenannten Deskriptoren. Bei neuen Deskriptoren ist das Jahr angegeben, in welchem der Deskriptor im Thesaurus ergänzt wurde. Wurde ein Deskriptor umbenannt, wird die alte Wortform und der Zeitraum, in dem diese als Deskriptor diente, aufgeführt.

Node Label

Node Label werden nicht für die Indexierung verwendet. Verfügt ein Oberbegriff über eine große Anzahl von Unterbegriffen (s. Hierarchische Relation), dienen Node Label lediglich zu deren Strukturierung. Sie gruppieren die Unterbegriffe in übersichtliche Einheiten und dienen somit der besseren Orientierung. Sie sind reine Strukturhilfen und haben keine weitere Funktion.

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