Diskussion über Suizidhilfe im Kanton Zürich

Der Züricher Regierungsrat hat sich mit Beschluss vom 14. März 2007 dafür ausgesprochen, mit den Suizidhilfeorganisationen im Kanton Zürich einvernehmlich Standesregeln abzusprechen, da eine "weitergehende, präzisierende Regelung auf eidgenössischer Ebene" nicht in Sicht ist. Die Organisationen sollen sich diesen Regeln freiwillig unterziehen können. Die Vereinbarung ist als Zwischenschritt bis zur Einführung einer gesetzlichen Regelung gedacht.

Im Kanton Zürich unterhalten die beiden Sterbehilfe-Organisationen DIGNITAS und EXIT ihre Geschäftsstellen. Während DIGNITAS eine staatliche Kontrolle ihrer Arbeit weiterhin ablehnt, hat EXIT sich auf den Wunsch des Regierungsrates hin mit der Staatsanwaltschaft Zürich auf eine "Vereinbarung über die organisierte Suizidhilfe" verständigt, in der diese zwecks Qualitätssicherung gewissen Rahmenbedingungen unterstellt ist. Mit dieser Vereinbarung werden fünf Ziele verfolgt:

  1. Respektierung des Rechts auf einen würdigen Tod
  2. Gewährleistung des Rechts auf Selbstbestimmung
  3. Wahrnehmung der Fürsorge bei suizidgefährdeten Menschen
  4. Geordneter Umgang mit Verschreibung/Anwendung von Heilmitteln
  5. Geordneter Ablauf der Untersuchung betreffend die Umstände des Todes.

EXIT verpflichtet sich in der Vereinbarung dazu,

  • die Organisation und ihre finanziellen Mittel transparent zu machen, wozu auch eine jährliche Überprüfung der Buchhaltung durch eine gesetzlich zugelassene Revisionsstelle gehört,
  • Sterbehilfe nur unter bestimmten Voraussetzungen zu leisten, nämlich dann, wenn sowohl ein schweres, krankheitsbedingtes Leiden vorliegt, als auch Alternativen abgeklärt und erwogen wurden, wenn die selbstbestimmte Entscheidung wohlerwogen und dauerhaft ist und wenn keine Zweifel an der Urteilsfähigkeit und keine Anzeichen für eine psychische Erkrankung der suizidwilligen Personen bestehen,
  • einen festgelegten Rahmen für den Ablauf und die Art und Weise der Suizidhilfe einzuhalten, welche in einer Dokumentationsmappe dargelegt werden, die nach erfolgtem Suizid den am Sterbeort eintreffenden Polizeibeamt*innen und der amtsärztlichen Fachperson übergeben wird,
  • ausschließlich das Sterbemittel Natrium-Pentobarbital (NaP) zu verwenden und
  • bezüglich der Auswahl der Freitodbegleitung und vertrauensärztlichen Fachpersonen sorgfältig vorzugehen, diese angemessen aus- und weiterzubilden sowie zur Vermeidung von Routine pro Jahr jeder Freitodbegleitung in der Regel nicht mehr als 12 Suizidhilfe-Fälle begleiten zu lassen.

Der Kanton Zürich verpflichtet sich insbesondere dazu, die "Kosten für das Verfahren betreffend die Untersuchung des Suizids als aussergewöhnlichen Todesfall" aus den Mitteln der Staatskasse zu entrichten.

Der Text der Vereinbarung. Online Version

Diese Vereinbarung über die organisierte Sterbehilfe zwischen der Züricher Staatsanwaltschaft und der Sterbehilfeorganisation EXIT wurde am 16. Juni 2010 in einer öffentlichen Beratung durch das schweizerische Bundesgericht für ungültig erklärt. Der Gegenstand der Einigung sei von so großer Bedeutung, dass er nicht kantonal geregelt werden könne. Damit wird es umso dringlicher, dass der Bund einen Konsens in Sachen Sterbehilfe erzielt. Bisweilen werden häufig die Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) zur Betreuung von betroffenen Personen am Lebensende als Standesregeln herangezogen.

Schweizerische Depeschenagentur: "Exit-Deal mit Staatsanwaltschaft ist illegal". NZZ-Online, 16. Juni 2010. Online Version

Medizinisch-ethische Richtlinien der SAMW. Online Version

Währenddessen formiert sich aus der Bevölkerung im Kanton Protest. Dieser schlägt sich in einer Zwillingsinitiative nieder, die erstens einen "Stopp der Suizidhilfe" fordert (und hierfür 8736 Unterschriften sammelte) und zweitens ein "Nein zum Sterbetourismus im Kanton Zürich" (wofür sich 9216 Unterstützer fanden). Damit ist in beiden Fällen die notwendige Zahl der Unterschriften für eine Volksabstimmung (nämlich 6000) überschritten, so dass nun der Kantonsrat eine solche Abstimmung durchführen muss, auch wenn die Rechtmäßigkeit der zweiten Initiative kurzfristig in Frage stand.

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