Transplantationsimmunologie und Immunsuppression

Die wichtigste Funktion des Immunsystems ist die Abwehr gegen Infektionen. Von entscheidender Bedeutung dabei ist die Fähigkeit des Immunsystems, zwischen „eigen“ und „fremd“ unterscheiden zu können. Transplantate werden häufig als fremd eingestuft und infolgedessen abgestoßen. Ausschlaggebend für die Einstufung des Transplantats als eigen bzw. fremd sind so genannte humane Leukozyten-Antigene (HLA), die sich auf nahezu allen Körperzellen befinden. Bei Transplantationen von Organen oder von fremdem Gewebe sucht man nach mit der erkrankten Person HLA-kompatiblen Spendenden, also jemandem, dessen HLA-System demjenigen der empfangenden Person ähnelt, um so immunologische Abwehrreaktionen minimieren zu können. Wenn es eine besonders gute Übereinstimmung zwischen den HLA-Merkmalen von empfangender und spendender Person gibt, beispielsweise bei eineiigen Zwillingen, findet keine oder nur eine geringe Abstoßungsreaktion statt, d.h. das Organ wird auf Dauer vom Organismus der empfangenden Person akzeptiert. 

Heutzutage können Organtransplantationen auch dann vorgenommen werden, wenn die HLA-Merkmale von spendender und empfangender Person weniger gut übereinstimmen, da die Reaktionen gegen das fremde Organ mit Hilfe immunsuppressiver Medikamente kontrolliert werden können. Immunsuppressiva sind Medikamente, die die natürliche Abwehr des Immunsystems unterdrücken beziehungsweise abschwächen. Sie werden nicht nur bei Transplantationen, sondern auch bei Entzündungen und Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Immunsuppressiva wurden in den 1960er Jahren entwickelt und seitdem ständig verbessert. Es gibt eine Vielzahl von Substanzen, die eine immunsuppressive Wirkung haben. Die bekanntesten sind Ciclosporin, Methotrexat, Azathioprin und Calcineurin-Inhibitoren. Direkt nach der Transplantation erhält der Empfangende eines Transplantats hohe Dosierungen immunsuppressiver Medikamente, in den folgenden Wochen und Monaten wird die Dosis verringert. Da Immunsuppressiva nicht nur die Abwehrkräfte hemmen, die das neue Organ bedrohen, sondern auch die, mit denen sich der Mensch gegen Infekte usw. wehrt, ist die Gefahr an Infektionen zu erkranken für die transplantatempfangende Person sehr hoch. Zudem werden häufig andere Erkrankungen, wie z.B. Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit), Bluthochdruck oder eine Einschränkung der Nierenfunktion, ausgelöst.

Stolp, J. / Zaitsu, M. / Wood, K. J. (2019): Immune Tolerance and Rejection in Organ Transplantation. In: Methods in Molecular Biology 1899, 159–180. doi: 10.1007/978-1-4939-8938-6_12. Online Version (Englisch)

Kirste, G. (2008): Medizinische Aspekte der Organtransplantation. In: Beckmann, J. / Kirste, G. / Schreiber, H.-L. (Hg.): Organtransplantation. Ethik in den Biowissenschaften – Sachstandsberichte des DRZE, Bd. 7. Freiburg i.B.: Alber.  

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