Demenz

I. Medizinisch-naturwissenschaftliche Aspekte

Bei Demenz handelt es sich um einen klinischen Begriff, der die Abnahme des Gedächtnisses und des Denk- und Sprachvermögens der Betroffenen bezeichnet, die in den allermeisten Fällen einen irreversiblen Prozess darstellt. Zugrunde liegt fast immer eine hirnorganische Störung, die ihrerseits irreversibel voranschreitet. Die Folgen sind eine starke Beeinträchtigung der alltäglichen Lebensvollzüge der Betroffenen bis hin zum vollständigen Verlust einer selbstständigen Lebensführung. Dies erfordert meist häusliche und institutionelle Pflege sowie eine rechtliche Betreuung.

Formen, Ursachen und Verbreitung von Demenzerkrankungen

In den irreversiblen Fällen, die zumeist neurodegenerativ, zuweilen auch neurovaskulär bedingt sind, spricht man auch von primärer Demenz. Eine nur sekundäre Erscheinungsform liegt hingegen bei einer nicht-hirnorganischen funktionellen Störung der Gehirnfunktionen vor, die grundsätzlich revidierbar oder heilbar ist, wie etwa eine Hirnläsion oder neurologische Störungen aufgrund von Vergiftungen, Herz-Kreislauferkrankungen oder Schilddrüsenerkrankungen. 

Die primäre Demenz bildet heute die überwiegende Mehrheit der Demenzfälle – die weiteren Informationen dieses Blickpunkts beziehen sich allein auf diese Fälle. Innerhalb der Formen primärer Demenz lag 2016 in Ländern des globalen Nordens bei 60 % der klinischen Syndrome die Alzheimer-Erkrankung zugrunde. Weitere neurodegenerative Ursachen sind u. a. die Parkinson-Krankheit, die Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, Chorea Huntington, die Lewy-Körper-Demenz sowie die Frontotemporale Lobärdegeneration, die zusammengenommen jedoch nur ca. 10 % der Fälle ausmachen. Die neurovaskulär bedingten Formen bilden hingegen etwa 15 % der Fälle. Dasselbe gilt für Demenzformen eines gemischten Typs. 

Die Verbreitung von Demenzerkrankungen, die in den allermeisten Fällen erst im fortgeschrittenen biologischen Alter auftreten, nimmt aufgrund der insgesamt steigenden Lebenserwartung weltweit zu. 2018 waren global 50 Millionen Menschen betroffen, 2021 Schätzungen zufolge bereits 55 Millionen. In Deutschland lag 2020 die Zahl der Fälle bei 1,6 Millionen. Während dabei Personen im Alter von  60 Jahren nur zu 0,8 % betroffen waren, lag die Quote bei 80-Jährigen bei 20 % und bei 90-Jährigen bei 32 %.

Klinische Symptome und Phasen der Demenz 

Das Auftreten erster klinischer Symptome und der Nachweis einer biologischen Krankheitsursache hierfür bilden die Grundlage der allgemeinen Diagnose einer Demenz-Erkrankung. In standardisierten Verfahren werden als Symptome insbesondere Gedächtnisstörungen, weitere kognitive Defizite wie eine beeinträchtigte Fähigkeit zur Planung und Organisation sowie die signifikante Beeinträchtigung überprüft, die aufgrund dieser Störungen bei der Bewältigung des Alltags eintritt. Ergänzend werden differentialdiagnostisch andere mögliche Ursachen wie etwa schwerere Depressionen als Ursache der Symptome ausgeschlossen. Anhand des Schweregrads der Beeinträchtigungen lassen sich primäre Formen der Demenz in drei Phasen mit unterschiedlich stark ausgebildeten klinischen Symptomen einteilen. Das erste Stadium ist das der leichten Demenz. Hier liegen bereits deutliche Störungen des Kurzzeitgedächtnisses vor. Erkrankte sind noch imstande, alleine zu leben, haben aber bereits Schwierigkeiten bei der Bewältigung komplexerer Aufgaben. Im zweiten Stadium, der bereits mittelschweren Demenz, ist das Erinnerungsvermögen kaum noch funktionsfähig. Altvertrautes und gewohnte Abläufe werden zwar noch verstanden, aber aktuelle Informationen zur eigenen Person und zu nahestehenden Personen sind nicht mehr abrufbar. Ein selbständiges Leben ist nicht mehr möglich. Im dritten Stadium, der schweren Demenz, äußern die Betroffenen keine klaren Gedankengänge mehr und verfügen bloß noch über sehr fragmentarische Gedächtnisleistungen und Routinen. Nahestehende Personen werden nicht mehr erkannt. Hinzu können körperliche Funktionsstörungen wie Bewegungsdysfunktionen, Inkontinenz und Schluckstörungen treten. Eine Bettlägerigkeit mit dem Risiko tödlich verlaufender Sepsen oder Pneumonien ist die Folge. 

Prädiktionsmöglichkeiten und Früherkennung von Demenz 

Die Forschung zur Prädiktion von Demenz zielt darauf ab, anhand einer festgestellten Disposition oder bestimmter Risikofaktoren bei einer zu dem Zeitpunkt der Untersuchung gesunden Person das Risiko einer späteren demenziellen Erkrankung vorherzusagen. Die Möglichkeiten der Prädiktion einer späteren Demenzerkrankung sind derzeit sehr begrenzt. Eine seltene Form der Alzheimer-Demenz, die autosomal dominant vererbt wird, lässt sich hingegen mithilfe prädiktiver Gentests feststellen. 

Abzugrenzen ist die Prädiktion der Demenz von ihrer Früherkennung oder Frühdiagnostik, die auf die Diagnose einer Erkrankung bei einer oftmals noch symptomfreien Person in einem besonders frühen Stadium gerichtet ist. Sowohl die Forschung zur Prädiktion als auch die zur Früherkennung sind maßgeblich auf die am häufigsten vorliegende Form der Alzheimer-Demenz fokussiert. In der präklinischen Phase der Alzheimer-Krankheit finden neurodegenerative Prozesse bereits systematisch statt. Aufgrund der Kompensation der Ausfälle durch Hirnreserven bleibt die Erkrankung dabei jedoch auf klinischer Ebene noch symptomfrei. Die Frühdiagnostik ist darauf gerichtet, diese Prozesse in einem bereits frühen Stadium zu erkennen und daran anschließend bestenfalls das Fortschreiten der Prozesse und der späteren Erkrankung durch therapeutische Maßnahmen zu verlangsamen. Gegenwärtige Methoden der Früherkennung der Alzheimer-Demenz verfahren mittels des Nachweises von Amyloid-Ablagerungen, von Anhäufungen des neuronalen Proteins Tau sowie des Nachweises einer spezifischen Schädigung von Nervenzellen. Insbesondere sog. Liquoruntersuchungen, Magnetresonanztomographien und die Positronen-Emissions-Tomografie (PET) ermöglichen es dabei, über den Einsatz sogenannter Biomarker die oben genannten molekularen Veränderungen nachzuweisen.  

Von besonderer Bedeutung für die Früherkennung von Demenz ist das Vorliegen einer sogenannten leichten kognitiven Beeinträchtigung (LKB) (Engl.: Mild Cognitive Impairment, MCI), die eine bleibende kognitive Störung im Alter darstellen kann, aber auch eine Vorstufe für eine sich anschließend entwickelnde Demenz sein kann. Liegt eine leichte kognitive Beeinträchtigung (LKB) vor und lassen sich im Gehirn mithilfe von Biomarkern spezifische molekulare Veränderungen nachweisen, die typisch für die Alzheimer-Demenz sind, können vermehrt individuelle Risikoschätzungen aufgestellt werden. In diesen Fällen kann grundsätzlich eine Demenz vorhergesagt werden. Mit den Methoden der Prädiktion und Frühdiagnostik und ihren Ergebnissen bleiben jedoch in vielen Bereichen Unsicherheiten verbunden.

Prävention und Therapiemöglichkeiten von Demenzerkrankungen 

Eine Methode zur Heilung von Alzheimer und anderen primären Formen der Demenz ist derzeit nicht verfügbar. Bisher entwickelte medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapien sind auf die Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung und ihrer Symptome gerichtet. Unter anderem deshalb ist der Nutzen einer prädiktiven Untersuchung oder einer frühen medizinischen Diagnose auch unabhängig von den methodischen Unsicherheiten umstritten. 

Abzugrenzen von den Therapiemöglichkeiten sind die Strategien zur Prävention von Demenz. Prävention setzt vor dem Entwickeln erster Symptome an und zielt auf das lebensstilbezogene Vermindern von Risikofaktoren bzw. Verbessern von Schutzfaktoren ab und auf die Intervention in molekulare Prozesse, um so die Anzahl der Neuerkrankungen zu reduzieren. Präventionsstudien untersuchen beispielsweise medikamentöse Eingriffe, welche vor dem Auftritt erster Symptome die Amyloid-Ablagerungen verringern können und die möglichen positiven Effekte infolge einer Anpassung des Lebensstils unter anderem hinsichtlich sozialer und kognitiver Betätigung, Ernährungs- und Schlafgewohnheiten. 

Mit der aktuellen Forschung zu Therapiemöglichkeiten von Demenzen verbindet sich die Hoffnung, durch verschiedene Interventionen den Verlauf der Erkrankung und ihre neurodegenerativen Prozesse zumindest zu verzögern. Ziel der Kombinationen aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Therapieansätzen ist es, für demenziell erkrankte Personen möglichst lange eine selbständige Bewältigung von Alltagstätigkeiten, die Fähigkeit zur Selbstbestimmung sowie allgemein eine gute Lebensqualität zu erhalten.  

Eine Gruppe der medikamentösen Therapien zielt auf die Regulierung von Gehirn-Botenstoffen (Neurotransmitter) ab, die u. a. bei der Alzheimer-Demenz durch neurodegenerative Prozesse beeinträchtigt wird. Eine andere Gruppe medikamentöser Therapien ist auf die Behandlung begleitender Verhaltenssymptome wie etwa Depression, Unruhe, Realitätsverkennungen, Desorientierung, Schlafstörungen und Aggressivität gerichtet, die im Kontext einer Demenz häufig auftreten. Als Medikamente können hier Antidepressiva und Neuroleptika positiv einwirken. Schwere Verhaltensstörungen beeinträchtigen oftmals den Umgang mit demenziell erkrankten Personen und sind ein wesentlicher Grund für die Überführung in institutionelle Formen der Pflege und Betreuung. 

In Ergänzung spielen nicht-medikamentöse Therapien bei der Behandlung von demenziell erkrankten Personen eine wichtige Rolle, indem sie physische und kognitive Abläufe gezielt aktivieren und üben. Beispielsweise werden unter anderem Logopädie, Physio- und Ergotherapie aber auch Ansätze wie etwa Kunst- und Musiktherapie eingesetzt, um gezielt Symptome und Begleiterscheinungen der Erkrankung in ihrem Auftreten zu verzögern oder nach ihrem Auftreten abzumildern. In der letzten, schweren Phase der Demenz werden in der Regel Ansätze der Palliativversorgung bei der Behandlung der erkrankten Personen hinzugezogen.

II. Rechtliche Aspekte

Die demenzielle Erkrankung einer Person berührt im fortschreitenden Verlauf mehrere Fähigkeiten und Lebensbereiche. Einschlägige Regelungen finden sich daher ebenso im Zivil-, Straf-, Sozial- wie im Verwaltungsrecht. Nur wenige Regulierungen nehmen explizit Bezug auf die Krankheit der Demenz. Die einschlägigen Normen sind an dem Vorliegen einer jeweils relevanten Fähigkeit orientiert, die insbesondere durch die primären Formen der Demenz betroffen sein können. Das übergreifende Ziel der einzelnen Regelungen ist es dabei, die Selbstbestimmung der Betroffenen als zentrales Rechtsgut jeder Person auch bei beeinträchtigter oder nicht mehr vorhandener Fähigkeit zur Willensbildung und -äußerung möglichst weitgehend zu wahren.

Medizinische Versorgung und Pflege

Von besonderer Bedeutung im Kontext von demenziell erkrankten Personen sind die gesetzlichen Bestimmungen zur medizinischen Versorgung und Pflege. Allgemein zielt der Schutz der Selbstbestimmung im medizinischen Kontext darauf ab, Personen eine freie und informierte Einwilligung in eine medizinische Behandlung zu ermöglichen. Eingeschlossen ist darin auch die Möglichkeit der Ablehnung einer Maßnahme. Im Hinblick auf die Behandlung demenziell erkrankter Personen entsteht daraus die zentrale Herausforderung, den mit schwerer Demenz einhergehenden Rückgang oder den gänzlichen Verlust der Einwilligungsfähigkeit und die Maßgabe der Einwilligung miteinander zu vereinen.

Information, Aufklärung und Einwilligung

Maßgebend zur Einwilligung in medizinische Behandlungen sind die Normen von § 630 BGB zum sogenannten Behandlungsvertrag. Behandelnde sind verpflichtet, die Betroffenen insbesondere über Art, Durchführung, Risiken und Notwendigkeit einer Behandlung aufzuklären. Nur wenn erstere nach dieser Information einwilligen, darf die Behandlung durchgeführt werden. Aufklärung und Erfordernis der Einwilligung zielen auf den Schutz der Selbstbestimmung der Personen im gesamten Rahmen der Behandlung ab. Im Sinne der informationellen Selbstbestimmung und eines daraus abgeleiteten Rechts auf Nichtwissen können Personen, deren Behandlung erwogen werden soll, nicht aber Behandelnde, auf die Aufklärung verzichten. Das Erfordernis der Einwilligung bleibt dabei weiter bestehen. Die Einwilligungsfähigkeit ist rechtlich definiert als die Fähigkeit der Person Wesen, Bedeutung und Tragweite der Behandlung in Grundzügen zu verstehen. Inwiefern bei demenziell erkrankten Personen eine Einwilligungsfähigkeit vorliegt, wird nicht allgemein, sondern angelehnt an den jeweils zu entscheidendem Sachverhalt bestimmt.

Ist die betreffende Person z. B. aufgrund einer fortgeschrittenen Demenz einwilligungsunfähig, so „ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung […] die Maßnahme gestattet oder untersagt.“ (§ 630d Abs. 1, Satz 2). Ausnahmen bilden unaufschiebbare Behandlungen im Fall eines rechtfertigenden Notstandes. Zentrale Hintergründe zu Patientenverfügungen finden sich in den gleichnamigen Abschnitten weiter unten.

Vorsorgevollmachten und Betreuung

In Voraussicht auf eine später beeinträchtigte oder gänzlich abwesende Einwilligungsfähigkeit besteht für alle Personen bei noch vorhandener Geschäftsfähigkeit die Möglichkeit, Angehörigen oder anderen Vertrauenspersonen Vollmachten zu erteilen (s. weiterführend §§ 104 und 1896 BGB). Das Erfordernis, in eine Behandlung einzuwilligen oder auf diese zu verzichten, wird in diesem Fall prospektiv auf Andere übertragen.

Vollmachten stellen schriftlich festgehaltene Willenserklärung dar, die eine Person im Sinne der vollmachtgebenden Person berechtigen, unter konkreten Umständen bestimmte Aufgaben und Entscheidungen für diese zu übernehmen. Die sogenannte Vorsorgevollmacht ist von besonderer Bedeutung, da sie den Bevollmächtigten die weitestgehenden Befugnisse zur Entscheidung auch in medizinischen und pflegerischen Kontexten einräumt. In der Phase der leichten Demenz liegt die für das Ausstellen einer Vollmacht erforderliche Geschäftsfähigkeit bei den erkrankten Personen meist noch vor.

Wenn keine Vorsorgevollmacht vorliegt (§ 1896 Abs. 2 Satz 2) und die Geschäftsfähigkeit bereits beeinträchtigt ist, kann eine Betreuungsverfügung erlassen werden. Maßgeblich sind hierzu die Bestimmungen in §§ 1896-1908 BGB zur sogenannten rechtlichen Betreuung. Beispielsweise ist darin die Bestellung der natürlichen Person, die als rechtliche*r Betreuer*in für die dann einwilligungsunfähige Person fungiert, reglementiert. Zentrale Aufgabe der Betreuenden ist es „die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, wie es dessen Wohl entspricht. Zum Wohl des Betreuten gehört auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.“ (§ 1901 Abs. 2 BGB).

Patientenverfügung

Eine wichtige Ergänzung zu den Bestimmungen bezüglich der Personen, die zum Wohl und anstelle einwilligungsunfähiger Personen Entscheidungen treffen sollen, stellt die Regulierung der sogenannten Patientenverfügung in § 1901a BGB dar. Eine ausführliche Darstellung der wesentlichen Normen sowie der Geschichte des Patientenverfügungsgesetzes werden in dem Blickpunkt Patientenverfügungen dargelegt.

Den Kern der auch als „Patientenverfügungsgesetz“ bezeichneten Vorschriften bilden die §§ 1901a, 1901b, 1904 BGB. Als Patientenverfügung wird in § 1901a Absatz 1 Satz 1 BGB die Einwilligung oder Untersagung „in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen […], Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe“ definiert. Patientenverfügungen bieten also die Möglichkeit, vor Eintritt einer möglichen Einwilligungsunfähigkeit zu bestimmen, welche medizinischen Maßnahmen in diesem Fall ergriffen oder auch unterlassen werden sollen. Die Verfügung schließt dabei oftmals auch Ausführungen zu lebensverlängernden Maßnahmen ein (s. hierzu weiterführend den Blickpunkt Sterbehilfe).

Eine Patientenverfügung ist nur dann bindend, wenn die in der Patientenverfügung festgelegten Wünsche und Vorstellungen einer Person auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen (§ 1901a Absatz 1 Satz 1 BGB). Wurde eine Patientenverfügung rechtmäßig verfasst und treffen die Bestimmungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, so haben Betreuende oder Bevollmächtigte dem Willen der betreuten Person Geltung zu verschaffen.

Ist eine Person bereits demenziell erkrankt, wird die Reichweite der Patientenverfügung, die dann noch erlassen werden kann, an der zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Fähigkeit bemessen, den Inhalt und die Tragweite der jeweiligen Entscheidungen zu verstehen und einen diesbezüglichen Willen zu äußern (Patientenverfügungen: § 1901a BGB).

Liegt keine Patientenverfügung vor oder ist sie nicht eindeutig auf die zu entscheidende Sachlage anwendbar, muss der mutmaßliche Wille der oder des Betreuten festgestellt und beachtet werden (§ 1901 Absatz 2 BGB). Der mutmaßliche Wille ist gem. § 1901a Absatz 2 Satz 2 aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln, wobei insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen der betreuten Person zu berücksichtigen sind (§ 1901a Absatz 2 Satz 3).

Ärztliche Maßnahmen, die ergänzend die Genehmigung durch ein Betreuungsgericht erfordern

Zum besonderen Schutz einwilligungsunfähiger Personen sieht die Gesetzgebung unter bestimmten Umständen ergänzend das Erfordernis der Genehmigung der Entscheidungen der Betreuungspersonen bzw. Bevollmächtigten durch ein Betreuungsgericht vor. So werden Entscheidungen der Betreuungspersonen bzw. Bevollmächtigten zur Durchführung bzw. Unterlassung ärztlicher Maßnahmen dann zusätzlich durch ein Betreuungsgericht geprüft, die zum Tod der Betreuten oder zu schweren und länger dauernden gesundheitlichen Schäden führen können (§ 1904 BGB) sowie zu freiheitsentziehenden Maßnahmen (§ 1906 BGB) und sog. ärztlichen Zwangsbehandlungen (§ 1906a BGB).

Eine solche zusätzliche Prüfung durch ein Betreuungsgericht entfällt, wenn aus einer vorliegenden Patientenverfügung der zu betreuenden Personen hervorgeht, dass die Durchführung bzw. Unterlassung der Maßnahme dem Willen der Person entspricht. Dies schließt, soweit die Patientenverfügung entsprechende Äußerungen enthält, auch die Durchführung bzw. Unterlassung von Maßnahmen ein, die die betreute, bereits einwilligungsunfähige Person verweigert. Meist treten diese Konstellationen im Kontext von freiheitsentziehenden Maßnahmen wie der Fixierung mit Bettgurten oder ärztlichen Behandlungen auf, der sich die Personen zu entziehen versuchen. Um sicherzustellen, dass es sich dabei um Handlungen zum Wohl der Person handelt und davon auszugehen ist, dass die Ablehnung krankheitsbedingt erfolgt, enthalten §§ 1906 und 1906a ergänzende Bestimmungen, die erfüllt sein müssen, um derartige Maßnahmen zu ergreifen.

Rechtfertigender Notstand

Liegt ein rechtfertigender Notstand vor (§ 34 StGB; §§ 630d,e BGB), in dem zugunsten von ‚Leib‘ oder ‚Leben‘ einer demenziell erkrankten Person ein medizinischer Eingriff durchgeführt werden muss und ist zugleich nicht die Möglichkeit gegeben, eine etwaige Patientenverfügung einzusehen oder etwaige Betreuende bzw. Bevollmächtige zu befragen, darf dieser auch ohne Einwilligung durchgeführt werden. Dies schließt neben Zwangsbehandlungen auch Maßnahmen wie die Fixierung oder die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung ein (§ 1906 BGB; §§ 312 ff. FamFG). Bei der Unterbringung der Betroffenen ist in der Regel die (nachträgliche) Genehmigung durch das Betreuungsgericht erforderlich.

Schuldfähigkeit

Die demenzielle Erkrankung einer Person begründet nicht allgemein die Schuldunfähigkeit derselben. Wie auch bei anderen Gründen für eine mögliche Schuldunfähigkeit wird in Strafverfahren gegen demenziell erkrankte Personen gemäß §§ 20-21 StGB am Einzelfall orientiert geprüft, ob Gründe für eine verminderte oder aufgehobene Schuldfähigkeit vorliegen. In diesem Rahmen wird durch ein psychiatrisches Gutachten beurteilt, ob die Einsichtsfähigkeit oder Steuerungsfähigkeit der betreffenden Person gestört sind. Ist dieses in dem jeweiligen Einzelfall einer demenziell erkrankten Person als Folge der Erkrankung zu bejahen, kann dies die Auslegung der Schuldfähigkeit beeinflussen.

Fahrtauglichkeit

Ohne eine Fahrerlaubnis ist gemäß § 2 StVG in Deutschland die Teilnahme am Straßenverkehr nicht zulässig. § 11 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) führt auf, unter welchen Bedingungen die Abwesenheit der notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen zum Entzug der Fahrerlaubnis führen kann. Anlage 4 a Abs. 3 führt dabei auch unter 7. 3. „schwere Altersdemenz und schwere Persönlichkeitsveränderungen durch pathologische Alterungsprozesse“ als Erkrankung auf, die Anlass geben kann, mittels eines medizinisch-psychologischen Gutachtens die Eignung der betreffenden Person zum Führen von Kraftfahrzeugen zu überprüfen. Grundlage des Gutachtens ist dabei die Bewertung der für das Autofahren notwendigen Fähigkeiten, also u. a. Tests zur Aufmerksamkeit, zum Reaktionsvermögen und zu visuellen Fähigkeiten. In Fällen, in denen eine demenziell erkrankte Person in ihrer Fahrtauglichkeit deutlich beeinträchtigt ist, jedoch weiterhin Auto fährt, können die einschlägigen Regelungen zur Aufhebung der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber Behörden und Regelungen zum Schadenersatz durch aufsichtspflichtige Angehörige gem. § 832 BGB berührt sein.

III. Ethische Aspekte

Im Fortgang einer Demenzerkrankung kommt es zu massiven Einbußen kognitiver Fähigkeiten sowie oftmals auch zu Veränderungen der Persönlichkeit. Dies führt im Umgang mit Demenzerkrankten zu ethischen Herausforderungen. Insbesondere die Anwendung etablierter ethischer Prinzipien ist mit Hindernissen und Unsicherheiten konfrontiert.

Demenz und der Status als Personen

In ethischen Kontexten werden bestimmte ethische Schutzansprüche häufig auf Personen beschränkt. Zugleich wird der Begriff einer Person meist anhand anspruchsvoller kognitiver Kompetenzen definiert, die einen selbstbewussten Bezug auf die Zukunft, das über längere Zeiträume (diachron) konsistente Verfolgen von Präferenzen, eine reflexive Bewertung der eigenen Wünsche und Handlungen sowie moralische Motivations- und Zurechnungsfähigkeit einschließen. Dies führt jedoch zu der problematischen Konsequenz, dass Demenzkranke im Spätstadium der Erkrankung nicht mehr als Personen im eigentlichen Sinne anzusehen sind, selbst wenn wir sie weiterhin wie Personen behandeln. Gegen diese Sichtweise wird eingewendet, dass passive Komponenten der Personalität auch im Falle der Demenz erhalten bleiben und eine eigene Phase des personalen Lebens konstituieren bzw. dass basale Formen oder Kernelemente des Personseins, die weniger stark – oder auch gar nicht mehr – von entwickelten kognitiven Fähigkeiten abhängen, auch in Spätphasen der Erkrankung noch vorliegen. Aus Sicht der theologischen Ethik wird ebenfalls der fortdauernde Personenkern des Menschen betont.

Demenz und die Kontinuität der Person in der Zeit

Unsicherheit besteht auch bezüglich der Frage, ob ein Patient oder eine Patientin in den Spätstadien der Erkrankung noch dieselbe Person ist wie zu Beginn oder vor dem Eintritt in die Krankheitsphase, so dass zum Beispiel eine zeitversetzte Selbstbestimmung durch frühere Willensäußerungen sinnvoll erfolgen kann. Dabei geht es nicht nur um mögliche qualitative Veränderungen der Persönlichkeit, sondern auch um das Problem, ob nicht irgendwann eine andere Person denselben Körper zu bewohnen beginnt, wenn das aktuelle Bewusstsein durch keine Erinnerungen mehr mit den früheren Lebensstadien verknüpft ist. Denn nach einem etablierten Denkmodell wird die Kontinuität der Person an psychologischen Verbindungen zur Vergangenheit festgemacht. Gegen diese Sichtweise lässt sich der Umstand ins Feld führen, dass zumindest Fragmente des Langzeitgedächtnisses oftmals bis zum Ende einer Demenzerkrankung erhalten bleiben. In diesen punktuellen Rückgriffen demenziell erkrankter Personen auf das Langzeitgedächtnis wäre auf diese Weise eine zumindest fragmentarische psychologische Anbindung an ihre Vergangenheit und somit ihre Kontinuität als Person gegeben.

Eine weitere Alternative besteht darin, die diachrone Fortexistenz der Person stärker an leiblich-physischen oder neuronalen Kriterien festzumachen. Insgesamt jedoch ist festzuhalten, dass eine ethische Orientierung über normative Fragen, deren Beantwortung die Klärung der zeitübergreifenden Kontinuität dementer Personen voraussetzt, durch den fehlenden Konsens über die Kriterien für diese diachrone Fortdauer erschwert wird.

Demenz und Kommunikation

Probleme bei der Anwendung ethischer Prinzipien ergeben sich ferner auch aufgrund der sehr stark eingeschränkten sprachlichen Kommunikation mit Personen im Spätstadium einer Demenzerkrankung, deren Sprachfähigkeit bereits sehr stark reduziert ist. So sieht sich der Schutz der Autonomie des Patienten oder der Patientin mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass aktuelle Willensäußerungen nicht mehr eindeutig verständlich sind bzw. die gesteigerte Gefahr des Missverstehens bergen. Dasselbe gilt für die Anwendung von Fürsorgepflichten und die Pflicht zur Vermeidung von Schädigungen angesichts einer Ungewissheit darüber, ob konkrete Äußerungen als Ausdruck von positiven Befindlichkeiten oder von Unbehagen zu deuten sind. Bis zu einem gewissen Grade können jedoch zumindest Mimik und Gestik durchaus noch differenzierte Auskunft über Wünsche und Befindlichkeiten geben.

Demenz und Selbstbestimmung

Besonders vielfältig sind die ethischen Schwierigkeiten, die sich mit dem Prinzip verbinden, Demenzpatientinnen und -patienten eine möglichst umfangreiche und langfristige Selbstbestimmung zu ermöglichen.

Eine herkömmliche Institution zur Sicherung der Patientenautonomie ist die zeitversetzt wirksame Selbstbestimmung mithilfe der Institution der Patientenverfügung, in der eine Person verbindlich festlegen kann, welche medizinischen Maßnahmen im Falle ihrer späteren Entscheidungsunfähigkeit ergriffen oder unterlassen werden sollen. Diese Form der zeitversetzten Selbstbestimmung setzt zunächst die zuvor erwähnte, mit Unsicherheiten behaftete Annahme voraus, dass die demente Person noch mit der kompetenten Autorin bzw. dem kompetenten Autor der Patientenverfügung identisch ist.

Zu der Frage nach der Kontinuität der demenziell erkrankten Person mit der vor der Erkrankung noch kompetenten Person tritt das Problem hinzu, dass aktuelle Willensäußerungen einer dementen Person dem autonomen Willen der noch voll entscheidungsfähigen Person widersprechen können. Ein prominentes Beispiel für einen solchen Fall widerstreitender Willensäußerungen ist der Fall des ehemaligen Tübinger Rhetorikprofessors Walter Jens, der im Stadium fortgeschrittener Demenz einen situationsbezogenen Lebenswillen geäußert hat, der früheren eigenen Aussagen entgegenstand, in denen er lebenserhaltende Maßnahmen im Falle einer fortgeschrittenen Demenzerkrankung abgelehnt hatte. Dies wirft die schwierige Frage auf, ob in einem solchen Fall der vorausfestlegende autonome Wille höher zu gewichten ist oder der sogenannte "natürliche Wille", der in der späteren situationsbezogenen Äußerung zum Ausdruck kommt. Die Meinungen hierzu gehen in der ethischen Debatte auseinander, wofür exemplarisch die Dworkin-Dresser-Debatte steht. Der Deutsche Ethikrat hat sich 2012 dafür ausgesprochen, lebensbejahende Willensäußerungen in solchen Fällen, in denen die Entscheidungsfähigkeit nicht sicher ausgeschlossen werden kann, angesichts der irreversiblen Folgen des Unterlassens lebenserhaltender Maßnahmen auch dann als Reste von Selbstbestimmung zu werten, wenn sie in Konflikt mit dem in einer Patientenverfügung ausgedrückten vorausverfügten Willen stehen.

Fügt sich eine demenziell erkrankte Person durch ihr Verhalten Schaden zu, steht besonders dringlich zur Diskussion, bis zu welchem Grad die durch den „natürlichen Willen“ noch mögliche Selbstbestimmung einer dementen Person, die in rechtlicher Hinsicht einwilligungsunfähig ist, zugunsten der Fürsorge um ihr leibliches Wohl hintangestellt werden darf oder muss. Diese Debatte schließt auch die Diskussion der ethischen Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen wie Zwangsernährung oder freiheitsentziehender Maßnahmen wie Fixierung ein, die zwar unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich zulässig, ethisch jedoch umstritten sind.

Neben ethischen Fragen zur Fähigkeit der Einwilligung demenziell erkrankter Personen wirft das Recht auf Selbstbestimmung auch ethische Fragen im Kontext der medizinischen Aufklärung auf. So ist ein zusätzliches Anwendungsfeld für Gesichtspunkte der Autonomie die Entscheidung darüber, sich im Fall des Vorliegens einer sogenannten leichten kognitiven Beeinträchtigung einer prädiktiven Diagnose zu unterziehen. Hierbei kommt insbesondere der Aspekt der informationellen Selbstbestimmung zum Tragen, der nach einem gängigen Verständnis ein Recht auf Nichtwissen einschließt. Nicht zuletzt angesichts der prädiktiven Unsicherheiten sowie der kaum vorhandenen Therapieangebote wird dieses Recht auf Nichtwissen innerhalb der ethischen Debatte in solchen Fällen stark gemacht.

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