Enhancement
Stand: Juni 2022
Ansprechpartner: Marius Bartmann
Das englische Wort „Enhancement“ lässt sich im Deutschen – je nach Kontext – am treffendsten mit „Verbesserung“, „Steigerung“, „Verstärkung“ oder auch „Erhöhung“ wiedergeben. Im bioethischen Zusammenhang wird in der Debatte um Enhancement im allgemeinen Sinn diskutiert, wie der Einsatz von Mitteln und Verfahren zur Verbesserung unterschiedlicher menschlicher Eigenschaften moralisch und rechtlich zu beurteilen ist. Im engeren Sinn wird der Begriff „Enhancement“ aber nur zur Bezeichnung solcher Verbesserungen menschlicher Eigenschaften verwendet, die sich nicht als Beitrag zur Wiederherstellung oder Bewahrung der physischen oder psychischen Gesundheit verstehen lassen. Diesem Verständnis zufolge dienen Enhancement-Maßnahmen also weder therapeutischen noch präventiven Zwecken und fallen damit aus dem genuinen Aufgabenbereich der Medizin heraus.
Eine scharfe Abgrenzung von therapeutischen Maßnahmen und Enhancement kann nicht immer getroffen werden. Allerdings fallen Enhancement-Maßnahmen nicht schon deshalb aus dem klassischen Aufgabenbereich der Medizin heraus, weil es sich bei ihnen um nicht-therapeutische Verbesserungen gesunder Menschen handelt. Auch typische Präventivmaßnahmen wie Impfungen richten sich an gesunde Menschen und versuchen diese zu verbessern, indem die Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten gemindert wird. Der Bereich des Enhancements lässt sich jedoch von den fraglos zur Medizin gehörenden Bereichen der Prävention und Therapie unter Hinweis darauf abgrenzen, dass letztere im Gegensatz zum ersten einen Krankheitsbezug aufweisen. Diesem Verständnis zufolge dienen die von der Medizin angestrebten Verbesserungen stets der Bekämpfung allgemein anerkannter Mangelzustände wie Krankheiten oder Behinderungen, wohingegen Enhancement auf die „bloße“ Optimierung menschlicher Eigenschaften abzielt.
Therapeutische, präventive oder Enhancement-Interventionen werfen ethische Fragen auf. Die normative Relevanz besteht bereits bei der Unterscheidung zwischen therapeutischen und präventiven Interventionen auf der einen und Enhancement-Maßnahmen auf der anderen Seite. Diese wird üblicherweise damit begründet, dass Gesundheit im Sinn der Abwesenheit von Krankheit und Behinderung ein fundamentales Gut sei, an dem Individuum und Gesellschaft gleichermaßen Interesse haben. Im Falle des Enhancements ist aber zu diskutieren, welche Arten von Verbesserungen, die über therapeutische Zwecke hinausgehen, nicht auch von gesellschaftlichem Interesse sein könnten. Kritisierende der Unterscheidung zwischen medizinischen Interventionen einerseits und Enhancement-Maßnahmen andererseits verweisen darauf, dass diese ebenso unscharf ist wie der Krankheitsbegriff selbst. Tatsächlich gibt es in der Medizin bis heute keine allgemein anerkannte Auffassung dazu, wie sich krankhafte von gesunden Zuständen abgrenzen lassen. Innerhalb der Enhancement-Debatte werden verschiedene Strategien zur Bewältigung der theoretischen Herausforderung verfolgt, die sich aus der Kontroverse um den Krankheitsbegriff ergibt. Als allgemeine Richtschnur ist es zwar plausibel, medizinisch indizierte Maßnahmen als besonders förderungswürdig auszuzeichnen. Wenn diese Förderungswürdigkeit jedoch durch eine Kosten-Nutzen-Bilanz begründet wird, so muss auch der gesamtgesellschaftliche Nutzen von Enhancement-Maßnahmen nicht grundsätzlich hinter dem therapeutischer Interventionen zurückstehen.
Wenn im Sinn der engeren Begriffsbestimmung Enhancement primär als Zweckentfremdung (oder sogar Missbrauch) biomedizinischer Mittel und Verfahren zur Optimierung der Eigenschaften gesunder Menschen aufgefasst wird, kann bezüglich der eingesetzten Methoden weiter zwischen pharmazeutischem, chirurgischem oder biotechnischem Enhancement unterschieden werden, wobei Letzteres unter anderem gen- und neurotechnische Eingriffe umfasst. Ist bei der Beschäftigung mit dem Enhancement-Begriff dagegen die allgemeinere Fragestellung leitend, in welchen normativen Grenzen sich menschliches Optimierungsstreben abspielen sollte, gibt es keinen Grund, die Betrachtung auf medizinisch-technische Verbesserungsstrategien zu beschränken. Diesem Verständnis zufolge lassen sich auch Bildungs- und Trainingsprogramme, die Einhaltung günstiger Schlaf- und Ernährungsgewohnheiten oder auch die Einnahme von Genussmitteln wie Kaffee, Tee oder Alkohol (sogenannte lifestyle drugs) als Enhancement auffassen.
Eine weitere Einteilung von Enhancement-Maßnahmen lässt sich hinsichtlich der Eigenschaften oder Funktionen, auf deren Verbesserung sie abzielen, vornehmen. Hinsichtlich der Zielfunktionen lässt sich etwa differenzieren zwischen einem Enhancement
- der physischen Leistungsfähigkeit wie beispielsweise beim Doping im Sport,
- des äußeren Erscheinungsbilds wie in der ästhetischen Medizin,
- dem Enhancement kognitiver Fähigkeiten oder emotionaler Zustände sowie
- dem Enhancement mittels genetischer Methoden.
Während die Verbesserungen kognitiver Eigenschaften (3.) in populären Medien gerne als „Gehirn-Doping“ angesprochen werden, hat sich in der bioethischen Fachdebatte zu ihrer Bezeichnung der Begriff „Neuroenhancement“ durchgesetzt. Enhancement mittels gentechnischer Methoden (4.) kann theoretisch auf die drei erstgenannten Funktionen abzielen. Sollte das menschliche Genom eines Tages komplett verstanden und ein möglichst sicherer Schluss von einem Genotyp auf einen Phänotyp möglich sein, könnten sowohl äußere Merkmale als auch Tendenzen für psychische Eigenschaften durch genetische Eingriffe verändert bzw. bestimmt werden.
Nicht alle Zielsetzungen des Enhancements lassen sich befriedigend mit den vier genannten Kategorien erfassen. Ein Sonderbereich betrifft beispielsweise Bemühungen, das menschliche Altern zu verlangsamen oder ganz aufzuhalten. Anti-Aging-Maßnahmen betreffen Zielfunktionen aus allen oben erwähnten Bereichen, weil es nicht nur darum geht, gesund älter zu werden, sondern dabei möglichst auch noch länger gut auszusehen und geistig fit zu bleiben. Ein anderer Sonderfall ist der des moralischen Enhancements, womit Versuche gemeint sind, das moralische Verhalten der Menschen zu verbessern. Das moralische Enhancement ist ein Spezialfall des Neuroenhancements. Ethiker*innen gehen davon aus, dass alle von Veränderungen betroffenen Fähigkeiten und Eigenschaften, die Menschen dazu führen, moralisch besser zu handeln, von kognitiver oder psychischer Natur sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass moralisches Enhancement nicht im gleichen Sinn einen Unterbereich des Neuroenhancements darstellt wie kognitives Enhancement oder emotionales Enhancement. Vielmehr unterscheiden sich verschiedene Theorien des moralischen Enhancements gerade dadurch, dass die einen Möglichkeiten der Verbesserung des Menschen eher im kognitiven, andere dagegen im emotional-motivationalen Bereich sehen. Nicht nur die Wahl der Methoden, sondern auch die Wahl der Ziele und Gründe, warum sich ein Mensch für Enhancement entscheidet, sowie die damit verbundenen Folgen für die Person und die Gesellschaft erfordern eine ethische Beurteilung.
Da Enhancement ein Überbegriff für wunscherfüllende Eingriffe unterschiedlicher Art ist, werden hier die wichtigsten Bereiche des Enhancements vorgestellt. Diese sollen als konkrete Beispiele zur Veranschaulichung der Debatten dienen. In diesem Abschnitt (II.) werden für jeden Bereich jeweils zunächst zentrale Begriffe und Methoden erläutert sowie im Anschluss rechtliche Aspekte thematisiert. Im nächsten Abschnitt (III.) werden dann die mit diesen Bereichen verbundenen ethischen Fragestellungen und Probleme besprochen. Die vier Bereiche sind:
- Doping im Breiten- und Leistungssport
- Ästhetische Medizin
- Neuroenhancement
- Genetisches Enhancement
1. Doping im Breiten- und Leistungssport
1.1 Begriff und Methoden
Doping ist die wahrscheinlich bekannteste und älteste Form des Enhancements. Verschiedenen Quellen zufolge wurde bereits bei sportlichen Wettbewerben in der griechischen und römischen Antike zu ausgefallenen Diäten und Substanzen (etwa Pilze oder Rinderhoden) gegriffen, um die körperliche Leistungsfähigkeit zu steigern. Durch die Weiterentwicklung von Medizin und Technik ist Doping im Sport heutzutage ein stets präsentes und viel diskutiertes Thema. Die wichtigsten Ziele des Dopings im Sport sind die Steigerung von Körperkraft und Ausdauer. Auf physiologischer Ebene lassen sich diese Ziele vor allem durch Beeinflussung der Skelettmuskulatur (Muskelwachstum, -zusammensetzung und -regeneration) und der Energieversorgung (u. a. durch Verbesserung der Sauerstoffzufuhr) erreichen. Weil sportliche Leistungsfähigkeit neben dem physischen Parameter auch durch die psychische Verfassung der Athlet*innen bestimmt wird, lassen sich manche Methoden des Dopings, die etwa auf Steigerung der Wachheit und Konzentrationsfähigkeit abzielen, auch dem Bereich des Neuroenhancements zuordnen.
Derzeit gilt es nach Artikel 2.1.1 des Welt-Anti-Doping-Codes der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) als Verstoß gegen Anti-Doping Bestimmungen, wenn in den Proben von Athlet*innen ein verbotener Stoff, einer seiner Metaboliten (Stoffwechsel- bzw. Abbauprodukte) oder Marker vorliegen. Da eine trennscharfe allgemeine Dopingdefinition schwierig ist, wird in jüngerer Zeit vorwiegend darauf gesetzt, bestimmte für Doping geeignete Stoffe in Verbotslisten zu erfassen. Auch Methoden und Verfahren wie z. B. Gendoping werden erfasst. Die wichtigste Liste dieser Art wird von der WADA herausgegeben und jährlich aktualisiert. Die Verbotsliste ergänzt und konkretisiert den Welt Anti-Doping Code. In den Vorbemerkungen dieses Codes wird der Sinn dieser Regeln aber nur sehr allgemein bestimmt: Es gehe um den Schutz dessen, was am Sport „intrinsisch wertvoll“ sei, nämlich um die Wahrung des „Sportsgeistes“. In die Verbotsliste aufgenommen werden sollen laut Artikel 4.3 Stoffe oder Methoden, die zwei von drei der folgenden Kriterien erfüllen: (1) wissenschaftlich oder durch Erfahrung belegtes Potenzial der Leistungssteigerung; (2) medizinisch oder durch Erfahrung belegtes Potenzial der Gesundheitsgefährdung; (3) die Anwendung der Substanz oder Methode verletzt besagten Sportsgeist.
Kritisierende der heute im internationalen Kampf gegen Doping unternommenen Anstrengungen haben immer wieder darauf hingewiesen, dass nur ein Bruchteil der Anwendenden verbotener Stoffe und Verfahren durch die gegenwärtig im Leistungssport üblichen Kontrollen überführt werden könne. Aber auch der alternative Zugang zur Abschätzung der Verbreitung des Dopings im Leistungssport durch Umfragen unter Athlet*innen weist eigene methodische Schwierigkeiten auf. Insbesondere muss den Teilnehmenden an solchen Umfragen die Gewissheit vermittelt werden, dass sich aus wahrheitsgemäßen Auskünften zur eigenen Nutzung von Dopingmitteln oder -verfahren keine negativen Konsequenzen für sie ergeben werden. Die Anonymität von Umfrageergebnissen lässt sich besonders überzeugend mit der sogenannten Randomized Response Technique darstellen, die speziell entwickelt wurde, um ehrliche Auskünfte über sozial unerwünschte Verhaltensweisen zu erhalten. Mehrere Studien haben die Verbreitung des Dopings bei deutschen Spitzensporttreibenden mit dieser Umfragetechnik untersucht. Je nach dem genauen Umfragedesign und den betrachteten Gruppen an Sporttreibenden unterscheiden sich die Studienergebnisse erheblich; sie stützen jedoch durchgehend die These, dass der Anteil an Athlet*innen, die zu Dopingmitteln greifen, um ein Vielfaches höher liegt, als die Befunde von Dopingkontrollen vermuten lassen. Einer Reihe von Studien zufolge ist zumindest in manchen Sportarten die Nutzung leistungssteigernder Substanzen und Verfahren im Bereich des Freizeit- und Breitensports sogar noch verbreiteter als im Leistungssport.
1.2 Rechtliche Aspekte
Doping als solches, also die Einnahme oder Anwendung von Substanzen oder Methoden, die im Spitzensport verboten sind, war in Deutschland lange Zeit nicht rechtswidrig. Dopingvergehen unterlagen jedoch der Sportgerichtsbarkeit. Die von den verschiedenen Sportverbänden eingerichteten Sportgerichte konnten Sanktionen gegen Sporttreibende verhängen, die gegen die in der jeweiligen Satzung festgeschriebenen Anti-Doping-Richtlinien verstießen.
Diese Rechtslage änderte sich jedoch im Jahr 2015, als der Deutsche Bundestag den Entwurf der Großen Koalition für ein Gesetz gegen Doping im Sport (AntiDopG) ratifizierte, der sowohl 2017 als auch 2020 leichte Änderungen erfahren hat und für den im April 2021 über eine Gesetzesentwurf zur Änderung beraten wurde. Das Gesetz verbietet die Anwendung eines Dopingmittels oder einer Dopingmethode im Sinne des Internationalen Übereinkommens gegen Doping der UNESCO ohne medizinische Indikation „in der Absicht, sich in einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vorteil zu verschaffen.“ Für diesen Tatbestand des „Selbstdopings“ ist als Strafmaß eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vorgesehen. Auch das Herstellen, Veräußern bzw. Handeln, Vermitteln und Verschreiben ist durch das Anti-Doping-Gesetz nach § 2 verboten. In besonders schweren Fällen – etwa bei Gesundheitsgefährdung, Körperschädigung, Tod oder Vertrieb mit großem Eigennutz und größeren Vermögensvorteilen – ist diesbezüglich eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vorgesehen. Der Besitz größerer Mengen von Dopingmitteln, ihr Inverkehrbringen sowie ihre Anwendung bei anderen waren vor Inkrafttreten des Anti-Doping-Gesetzes bereits nach Regelungen im Arzneimittelgesetz (AMG) strafbar. In mehreren anderen europäischen Ländern wie Frankreich, Italien oder Spanien gibt es ähnliche strafrechtliche Verbote des Umgangs mit Dopingmitteln bzw. -verfahren.
Weil im vorliegenden Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes Selbstdoping nur im Kontext von Wettbewerben des organisierten Sports untersagt wird, beziehen sich die entsprechenden Regeln im Wesentlichen auf Spitzensporttreibende, die dem Kontrollregime der Nationalen Anti Doping Agentur Deutschland (NADA) unterstehen. Demnach wird die Anwendung von Dopingmitteln und -methoden im Breiten- bzw. Freizeitsport weiterhin legal sein, jedenfalls sofern der Umgang mit den dabei genutzten Mitteln nicht aus anderen Gründen verboten ist, weil er etwa im Widerspruch zu Regelungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) oder des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) steht. Maßgeblich hierfür ist das grundgesetzlich geschützte Persönlichkeitsrecht, das ein Recht auf Selbstgefährdung einschließt, wenn hierdurch andere nicht geschädigt werden. Wer jedoch einem anderen Zugang zu Substanzen oder Verfahren verschafft, die im Spitzensport verboten sind, damit dieser sie zu Zwecken der Leistungssteigerung einsetzen kann, der handelt sowohl nach alter als auch nach neuer Gesetzeslage gesetzwidrig. Dabei spielt es keine Rolle, ob die betreffende Person sich durch die Anwendung der betreffenden Mittel einen Vorteil in einer sportlichen Wettbewerbssituation zu schaffen beabsichtigt oder nicht. Beispielsweise machen sich sowohl Fitnesstrainer*innen strafbar, die (von ihnen illegal beschaffte) Anabolika an Hobby-Bodybuilder*innen zum Zweck des Muskelaufbaus weitergeben, als auch die ärztlichen Fachkräfte, die dies durch die (unabhängig von diesem Zweck betrachtet legale) Verschreibung eines entsprechenden Präparats ermöglichen.
2. Ästhetische Medizin
2.1 Begriff und Methoden
Die ästhetische Medizin ist ein weiteres etabliertes Feld der wunscherfüllenden Medizin. Im Gegensatz zu Doping ist diese Form des Enhancements aber weitgehend gesellschaftlich akzeptiert und zählt in manchen Fällen schon zu den medizinischen Routineeingriffen, insbesondere im Bereich chirurgischer Maßnahmen, die im Folgenden thematisiert werden.
Gemäß der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) werden diejenigen Eingriffe als ästhetisch bezeichnet, deren Ziel die „Harmonisierung der äußeren Erscheinung“, welche ohne medizinische Notwendigkeit, aber aufgrund der „Unzufriedenheit“ in Bezug auf das Aussehen durchgeführt werden und zu einem besseren Körpergefühl führen können. Damit könnten eventuell auftretendes mangelndes Selbstvertrauen, Minderwertigkeitsgefühle, depressive Stimmungsbilder sowie psychische Schwierigkeiten der Alltagsbewältigung begegnet werden. Die häufigsten ästhetischen Eingriffe seien neben dem Anliegen der Ohren, Korrekturen der weiblichen Brust sowie Nasenkorrekturen nach dem Deutschen Ärzteblatt Oberlidstraffungen, Fettabsaugungen und Brustvergrößerungen. Ein zentrales deutsches Register für Schönheitsoperationen gibt es nicht.
Weitere Unterscheidungen in Bezug auf Nutzen, Risiken und Ziele können für eine ethische Einschätzung relevant sein. So kann etwa zwischen Eingriffen, die negative Aufmerksamkeit bzw. eine Stigmatisierung vermindern, und solchen, die auf eine Vergrößerung positiver Aufmerksamkeit in Form einer bloßen Attraktivitätssteigerung abzielen, unterschieden werden. Unter bestimmten Bedingungen wäre es beispielsweise akzeptabel, Kinder mit ästhetischen Operationen vor Stigmatisierung zu bewahren. Hingegen wären Operationen mit dem reinen Ziel einer gesteigerten körperlichen Attraktivität bei Minderjährigen zu vermeiden.
2.2 Rechtliche Aspekte
Die im allgemeinen Sprachgebrauch durchaus üblichen Bezeichnungen „Schönheitschirurgie“, „Schönheitsoperationen“ oder „kosmetische Operationen“ sind rechtlich nicht geschützt. So sagt auch die reine Bezeichnung einer ärztlichen Fachperson als „Schönheitschirurg*in“ oder das Angebot kosmetischer Operationen nichts über die tatsächlich vorhandenen Qualifikationen aus. In Deutschland ist nur die im Rahmen des ärztlichen Weiterbildungsrechts verwendete Bezeichnung „Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie“ geschützt, die mit der Zusatz-Weiterbildung „Plastische Operationen“ absolviert werden muss. Wenn ärztliche Fachkräfte ohne eine solche Spezialisierung ästhetische Operationen anbieten, wird die Qualität ihrer Durchführung – etwa beim Streit um einen möglichen Behandlungsfehler – gleichwohl an den fachärztlichen Standards bemessen. Man kann die erst 2005 eingeführte Erweiterung des Facharzttitels „Plastische Chirurgie“ um den Bereich der Ästhetischen Chirurgie als offizielle Anerkennung des Enhancement-Anteils des ärztlichen Dienstleistungsspektrums verstehen, weil sich ästhetische Operationen im Gegensatz zu plastischen bzw. rekonstruktiven Eingriffen gerade durch das Fehlen einer medizinischen Indikation auszeichnen.
In Bezug auf nicht-therapeutisch indizierte ästhetische Operationen bei Minderjährigen ist aktuell noch nicht abzusehen, ob und wann gesetzliche Einschränkungen oder ein Verbot in Deutschland verabschiedet werden wird. Im Gegensatz dazu trat z. B. in Österreich 2013 das Bundesgesetz über die Durchführung von ästhetischen Behandlungen und Operationen (ÄsthOpG) in Kraft, das Schönheitsoperationen bei unter 16-Jährigen verbietet und bei 16 bis 18-Jährigen eine psychologische Vorabberatung vorsieht.
Insgesamt ergeben sich aber aus der fehlenden medizinischen Indikation ästhetischer Eingriffe einige Besonderheiten für das medizinische Behandlungsverhältnis, die zum Teil auch rechtliche Relevanz besitzen. Beispielsweise sind an die Informations- und Aufklärungspflichten, die sich aus dem Behandlungsvertrag zwischen ärztlicher Fachperson und zu behandelnder Person ergeben, besonders hohe Anforderungen zu stellen. Allgemein gilt, dass die Aufklärung vor einem ärztlichen Eingriff umso sorgfältiger erfolgen muss, je weniger dringlich und je gefährlicher ein Eingriff ist. Da rein ästhetische Eingriffe medizinisch nicht notwendig sind, müssen ärztliche Fachkräfte besonders umfassend und eingehend über Erfolgsaussichten, Behandlungsalternativen sowie über gesundheitliche und finanzielle Schadensrisiken aufklären. Zu den besonderen Sorgfaltspflichten von den ärztlichen Fachpersonen, die ästhetische Eingriffe anbieten, zählt weiterh in auch die Prüfung, ob der Wunsch nach einem solchen Eingriff in einer behandlungsbedürftigen psychischen Störung wurzelt. Als regelrecht kontraindiziert gelten ästhetische Eingriffe beispielsweise beim Vorliegen einer Dysmorphophobie. Von dieser Körperwahrnehmungsstörung betroffene zu behandelnde Personen empfinden kleinere Schönheitsfehler als gravierende Entstellungen. Chirurgische Korrekturen dieser Mängel führen allenfalls zu einer vorübergehenden Verbesserung des Selbstwertgefühls dieser behandelten Person, häufig verlagert sich aber die Unzufriedenheit direkt auf ein neues Merkmal. Bleibt die Dysmorphophobie unerkannt, lassen die an ihr leidenden Personen gelegentlich ganze Serien ästhetischer Eingriffe an sich vornehmen. Auch hinsichtlich der Werbung für ästhetische Operationen gelten besondere Auflagen: Beispielsweise dürfen diese nach § 11 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) nicht mit Vorher-Nachher-Bildern beworben werden.
3. Neuroenhancement
3.1 Begriff und Methoden
Die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten durch eigentlich für medizinische Behandlungen entwickelte Pharmazeutika oder andere technische Methoden ist ein noch wenig erforschtes Feld des Enhancements. Die aktuelle Debatte über die Nutzung medizinischer bzw. technischer Mittel und Verfahren durch gesunde Menschen zur Optimierung psychischer Charakteristika hat also den nicht-therapeutischen Gebrauch von Psychopharmaka zum Ausgangspunkt, der aufgrund des steigenden Leistungsdrucks und der leichteren Verfügbarkeit mittlerweile keine Seltenheit mehr ist. Die ältere Bezeichnung des Untersuchungsfelds als „kosmetische Psychopharmakologie“ verweist einerseits auf mutmaßliche Möglichkeiten zur Verbesserung der psychischen Befindlichkeit, die etwa moderne Antidepressiva mit günstigem Nebenwirkungsprofil offerieren könnten. Andererseits rückten verstärkt Versuche gesunder Menschen in den Fokus, durch die Einnahme von Psychostimulanzien („Aufputschmitteln“) kognitive Fähigkeiten wie Konzentration oder Erinnerungsvermögen positiv zu beeinflussen, um so etwa den steigenden Anforderungen in Studium oder Beruf besser gewachsen zu sein. Zur gesonderten Bezeichnung von Verbesserungsbestrebungen im kognitiven Bereich hat sich der Ausdruck „kognitives Enhancement“ etabliert. Als weit gefasster Oberbegriff, der sich neben kognitiven Fähigkeiten auch auf emotionale und motivationale Optimierungsziele bezieht und darüber hinaus neben pharmazeutischen Präparaten auch neuro- oder gentechnische Verfahren einschließt, hat sich im akademischen Bereich in den letzten Jahren der Terminus „Neuroenhancement“ durchgesetzt. In Medien- und Presseberichten wird das Phänomen – meist abschätzig – auch als „(Ge-)Hirndoping“ bezeichnet.
Je nach psychischer Zielfunktion wird Präparaten aus verschiedenen pharmakologischen Substanzklassen nachgesagt, auch spezifische Verbesserungen bei gesunden Menschen bewirken zu können. Für die Zwecke des kognitiven Enhancements bieten sich zunächst Psychostimulanzien an, zu denen unterschiedlichste Substanzen gehören, deren Präparationen in einigen Fällen frei verkäuflich (Coffein), zumeist aber verschreibungspflichtig (Modafinil, Atomoxetin) sind und in vielen Fällen sogar dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstehen. Man sollte sich nicht davon irritieren lassen, dass viele Psychostimulanzien rechtlich als Betäubungsmittel anzusehen sind, obwohl sie typischerweise gerade nicht betäubend, sondern vielmehr aufputschend wirken. Das BtMG klassifiziert manche Stimulanzien als verkehrsfähige (die meisten Amphetamin-Derivate wie z. B. Methylphenidat), andere dagegen als nicht verkehrsfähige Betäubungsmittel (MDMA, Cathinon). Neben den Stimulanzien wird aufgrund theoretischer Überlegungen auch vorwiegend Medikamenten aus der Stoffklasse der Antidementiva (z. B. Alzheimer-Therapeutika mit dem Wirkstoff Donepezil) ein Nutzwert für Zwecke des kognitiven Enhancements zugeschrieben, wie etwa bessere Konzentrations- und Denkfähigkeit. Die Einnahme von Stimulanzien kann außer im kognitiven Bereich auch mit positiven Effekten in den Bereichen der emotionalen und motivationalen Befindlichkeit einhergehen. Primär wegen ihrer möglichen positiven Wirkung auf die Befindlichkeit bzw. Stimmung psychisch gesunder Menschen werden dagegen angstlösende (Anxiolytika) und gegen depressive Störungen wirksame Psychopharmaka (Antidepressiva) als Neuroenhancement-Präparate diskutiert.
Jenseits pharmazeutischer Präparate kommen auch neurotechnische Verfahren zur Stimulation des Gehirns zur Realisierung von Zwecken des Neuroenhancements in Betracht. Für alle Verfahren, deren Anwendung wie die Tiefe Hirnstimulation einen neurochirurgischen Eingriff am Gehirn erforderlich macht, gilt allerdings, dass die mit ihnen verbundenen Risiken zu gravierend sind, als dass ihr Einsatz für ein Neuroenhancement von gesunden Personen akzeptabel wäre. Andere Neurostimulationsverfahren, die in diesem Sinn nicht-invasiv sind, erscheinen dagegen als sicher genug, um auch ohne therapeutischen Grund angewandt zu werden, was in der neurowissenschaftlichen Forschung auch regelmäßig geschieht. Während nicht-invasive Stimulationsverfahren wie die Transkranielle Magnetstimulation (TMS) wegen ihres hohen technischen Aufwands kaum in der Breite als Enhancement-Verfahren Anwendung finden dürften, ist ein Verfahren wie die Transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) nahezu für jede Person erschwinglich und technisch leicht beherrschbar. Neuropsychologische Experimente haben erste Belege für bescheidene Enhancement-Effekte nicht-invasiver Stimulationsverfahren vor allem im kognitiven Bereich geliefert. Weitgehend ungeklärt ist jedoch, ob sich solche Effekte in lebensweltlichen Arbeits- und Lernsituationen als relevanter Nutzen niederschlagen.
3.2 Rechtliche Aspekte
Die Einnahme von Neuroenhancement-Präparaten ist wegen des grundgesetzlich geschützten Persönlichkeitsrechts, das ein Recht auf Selbstgefährdung einschließt, in der Regel nicht strafbar. Sehr wohl kann jedoch der Besitz bzw. Erwerb der jeweiligen Präparate rechtswidrig sein, wobei sich wesentliche juristische Differenzierungen aus der Art der konsumierten Substanzen ergeben. Viele verschreibungspflichtige Medikamente, aber auch Drogen vom Schwarzmarkt, die für Zwecke des Neuroenhancements konsumiert werden, enthalten Stoffe, die den Vorschriften des deutschen Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) unterliegen. Neben der Herstellung von bzw. dem Handel mit Betäubungsmitteln verbietet das BtMG sowohl deren Besitz als auch ihren Erwerb, selbst wenn es dabei nur um den Eigenkonsum geht. Auf die Straflosigkeit des Konsums von Betäubungsmitteln kann man sich allenfalls dann berufen, wenn man diese zur sofortigen Verwendung unter Aufsicht zugeteilt bekommt (so dass diese nicht in den eigenen Besitz übergehen). Da diese Konstellation bei der Nutzung von Neuroenhancement-Substanzen in den seltensten Fällen vorliegen dürfte, macht sich in der Regel strafbar, wer sich Betäubungsmittel ohne entsprechende Verschreibung für Zwecke des Enhancements verschafft. Wenn beispielsweise eine jugendliche Person ein Methylphenidat-haltiges Medikament auf Betäubungsmittelrezept zur Behandlung seiner ADHS erhalten hat, sie die Tabletten aber an eine bekannte Person weitergibt, die sie zur Steigerung ihrer kognitiven Leistungsfähigkeit einnehmen will, so verstoßen beide gegen das BtMG. Zudem ist laut § 6a Arzneimittelgesetz (AMG) der Besitz nicht geringer Mengen bestimmter Stoffe verboten, wenn diese für Doping im Sport eingesetzt werden sollen. Der Anhang zum AMG, in dem die betreffenden Stoffe aufgelistet werden, orientiert sich an der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA).
Strafbar im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes macht sich ebenfalls, wer für sich selbst oder andere durch falsche Angaben von einer ärztlichen Fachperson die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen versucht (BtMG, § 29, Absatz 1, Nr. 9). Auch von ärztlicher Seite aus wird in vielen Fällen rechtswidrig gehandelt, wenn etwa beim Ausstellen eines Rezepts die besonderen Sorgfaltspflichten im Umgang mit der Verordnung von Betäubungsmitteln vernachlässigt werden. Das Erschleichen eines Rezepts durch Täuschung einer ärztlichen Fachkraft kann selbst dann einen Gesetzesverstoß darstellen, wenn es sich bei einem gewünschten Neuroenhancement-Präparat nicht um ein Betäubungsmittel, sondern um ein der normalen Verschreibungspflicht unterliegendes Arzneimittel handelt. So macht sich des Betrugs an seiner Krankenkasse schuldig, wer die Kosten einer erschlichenen Verschreibung ganz oder teilweise von dieser erstattet bekommt.
4. Genetisches Enhancement
4.1. Begriff und Methoden
Als zukunftsweisender und derzeit am lebhaftesten diskutierter Bereich des Enhancements kann die Debatte um Eingriffe in das menschliche Genom zu nicht-medizinischen Zwecken betrachtet werden. Zwar ist das genetische Enhancement im Gegensatz zu den anderen Bereichen noch nicht sehr verbreitet, die rasche Entwicklung von neuen Methoden ermöglicht jedoch Szenarien, in denen Veränderungen des Erbguts über die Behandlung von Krankheiten hinausgehen.
Die gezielte Veränderung genetisch determinierter Eigenschaften nach individuellem Wunsch wird als „genetisches Enhancement“ oder „enhancement genetic engineering“ bezeichnet. Generell wird unterschieden zwischen der Körperzellen-Gentechnik, mit der gezielt in das Erbgut somatischer Zellen eingegriffen wird, um ein bestimmtes Merkmal in einer Einzelperson zu verändern, und der Keimzellen-Gentechnik, durch die über die Keimbahn gewünschte Merkmale von Nachkommenden nach Wunsch beeinflusst werden können.
Die ersten Versuche, Krankheiten mit Hilfe von Gentherapien zu behandeln, erfolgten ab dem Jahr 1990, in dem die weltweit erste gentherapeutische Behandlung an der damals vierjährigen Ashanti DeSilva durchgeführt wurde, die an einem seltenen schweren Immundefekt litt. Anfangs waren gentherapeutische Maßnahmen oft von schweren Rückschlägen begleitet. Erste zugelassene Medikamente wurden wegen geringer Erfolge bald wieder vom Markt genommen (Cerepro, Glybera) und die anfängliche Euphorie um neue gentherapeutische Methoden ebbte schnell wieder ab, insbesondere aufgrund des problematischen medizinischen Risiko-Nutzen-Verhältnisses. Aufgrund neuer Fortschritte und Entwicklungen sind jedoch aktuell Gentherapien als potenzielle Therapiemethoden wieder in den Fokus gerückt.
Alle Gentherapien, die bisher entwickelt und in klinische Studien geprüft wurden, hatten die Behandlung schwerer Krankheiten mittels Körperzellen-Gentechnik zum Ziel. Die bisher am umfassendsten erforschte Form der Gentherapie im Bereich der Körperzellen-Gentechnik ist die Addition von Genen, um fehlende oder fehlerhafte Gene zu ersetzen. Hierbei gibt es virale und nicht-virale Methoden.
Bei der viralen Methode wird die Fähigkeit von Viren genutzt, genetisches Material in Zellen einzubringen. Die Viren werden dafür genetisch so verändert, dass sie keine pathogenen, d. h. krankmachenden, Eigenschaften mehr besitzen und so lediglich das korrekte Gen in die Zelle befördern. Diese sogenannten „viralen Vektoren“ werden entweder direkt in das gewünschte Gewebe oder aber in diejenigen Stammzellen eingefügt, die außerhalb des Körpers kultiviert und später transplantiert werden. Durch diese Methode kann das korrekte Gen dann in den Zellen abgelesen werden. Eine vielversprechende Gentherapie mit viralen Vektoren ist beispielsweise die ex-vivo Stammzellen Gentherapie Strimvelis. Sie richtet sich gegen eine seltene Immundefizienz verursacht durch Adenosin-Desaminase Mangel (ADA-Mangel): Mit Hilfe der Infusion von CD34+-Knochenmarkzellen, die mit einem ADA-enthaltenen Vektor transformiert wurden, konnte die Zahl der aktiven Immunzellen von Kindern, die an einer seltenen schweren Immundefizienz (ADA-SCID) litten, erheblich gesteigert werden. Die Überlebensrate liegt bisher bei 100 %.
Methoden nicht-viraler Gentherapien umfassen etwa das Einschleusen von DNA in die Zellen per Injektion, Elektroporation (vorübergehende Erhöhung der Durchlässigkeit von Zellmembranen), Genkanone (Beförderung per Einschuss durch Partikel), Sonoporation (akustische Raumbildung durch Mikrobläschen), Magnetofection (Verwendung magnetischer Felder, um nukleinsäurehaltige Partikel konzentriert in die Zellen zu befördern) sowie durch die Verwendung von Oligonukleotiden, Lipoplexen, Dendrimeren und anorganischen Nanopartikeln. Nachteilig bei all diesen Fällen ist, dass das Gen nicht zielgenau in das Erbgut der Zelle befördert werden kann. Dadurch kann es zu Insertionsmutagenesen kommen, weil sich das Gen erst einen neuen zufälligen Platz im Erbgut suchen muss und dadurch wichtige andere Gene beeinflussen kann.
Ein weiterer nicht-viraler Ansatz der Gentherapie ist die Korrektur fehlerhafter Gene mit Hilfe von Nucleasen. Auch als „Genscheren“ bezeichnete Techniken wie CRISPR/Cas9, TALEN und ZFN können die Eigenschaften von Nucleasen nutzen, um die DNA zielgenau und sequenzspezifisch zu zerschneiden. Diese Techniken sind wesentlich jünger als etwa die der viralen Vektoren und deshalb noch wenig erforscht. Erfolgversprechende Versuche mit CRISPR/Cas9, durch die bereits DNA-Sequenzen innerhalb der Zellen von Zellkulturen und Versuchstieren unter Einsatz eines Enzyms sehr kostengünstig und präzise inaktiviert, ergänzt oder herausgeschnitten werden können, lassen letztlich auf eine Behandlung schwerer menschlicher Krankheiten wie Krebs oder AIDS hoffen. Doch auch hier ist noch mit Fehlern bzw. sogenannten „off-target Effekten“ wie Punktmutationen, Deletionen, weiteren Insertionen, Inversionen und Translokationen zu rechnen.
Die Anwendung gezielter Keimbahneingriffe in Embyronen, Keimzellen oder Stammzellen müssen unterschiedlich bewertet werden und gehen mit differierten Kosten-Nutzen-Risiken einher. Generell birgt die Keimzellen-Gentechnik dennoch deutlich höhere Risiken unvorhersehbarer Konsequenzen als die Körperzellen-Gentherapie und sieht sich deshalb mit umfassenderen technischen und ethischen Bewertungen konfrontiert. Aus diesem Grund wurden sowohl in Europa als auch den Vereinigten Staaten von Amerika vorerst keine klinischen Studien zugelassen. Eine erste Studie zur Anwendung von CRISPR/Cas9 in menschlichen Embryonen wurde 2016 veröffentlicht. Im Jahr 2018 gab es den weltweit ersten Fall einer Geburt zweier genetisch veränderter Mädchen in China, der international sehr viel Aufsehen erregte.
4.2 Rechtliche Aspekte
Es gibt Ansätze für völkerrechtliche Übereinkünfte zu gentherapeutischen Verfahren, diese sind allerdings von etlichen Staaten noch nicht ratifiziert. So sind etwa Eingriffe in das menschliche Genom nach Artikel 13 der Biomedizinkonvention des Europarats, die schon 1997 in Kraft trat, nur zu präventiven, diagnostischen oder therapeutischen Zwecken erlaubt. Jeder Eingriff mit dem Ziel einer genetischen Veränderung der Nachkommenden – dabei sind diverse Eingriffe in die Keimbahn inbegriffen – ist zum Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde verboten. Derselbe Artikel sieht sich jedoch mit etlichen Abgrenzungsfragen und verschiedene Auslegungen konfrontiert. Auch nach Artikel 24 der 1997 erlassenen Allgemeinen Erklärung über das menschliche Genom und Menschenrechte der UNESCO widersprechen Keimbahninterventionen der Menschenwürde. Allerdings wird hier kein eindeutiges Verbot ausgesprochen. Stattdessen soll das International Bioethics Committee (IBC) der UNESCO lediglich Konsultationen durchführen und Empfehlungen aussprechen. 2015 rief das IBC die Mitgliedsstaaten dazu auf, ein gemeinsames Moratorium gegen Keimbahninterventionen zu beschließen. Nach Artikel 3, Absatz 2 der EU-Grundrechtscharta sind zwar alle eugenischen Praktiken unzulässig, auch diese Norm lässt sich aber im Rahmen therapeutischer Anwendungen ausweiten und diskutieren.
Die Rechtslage in ausländischen Rechtsordnungen ist äußerst divers. Speziell in Deutschland wird zwar rechtlich zwischen somatischer Gentherapie und Keimbahntherapie unterschieden, allerdings fehlen ausdrückliche Regelungen bzw. explizite Vorgaben im Umgang mit Keimbahninterventionen. Während im Bereich der somatischen Gentherapie darauf gesetzt wird, die Risiken durch ein Geflecht von materiell-rechtlichen Zulässigkeitsbedingungen zu reduzieren und damit ihren Einsatz innerhalb eines verantwortbaren Rahmens zu ermöglichen, ist die künstliche Veränderung der Erbinformation menschlicher Keimzellen und die Verwendung dieser per Befruchtung nach § 5 des Embryonenschutzgesetzes (ESchG) verboten. Auch wird mit § 2 ESchG die Verwendung menschlicher Embryonen zu Forschungszwecken untersagt.
Die konkreten gesetzlichen Anwendungen medizinisch indizierter Gentherapien im Rahmen klinischer Studien beschränken sich bis jetzt auf Regelungen für Arzneimittel und Forschung. Gentherapeutika sind als Rezepturarzneimittel vom zentralisierten Zulassungsverfahren ausgenommen, es besteht jedoch eine Herstellungserlaubnispflicht. Relevante Regelungen finden sich im Arzneimittelgesetz (AMG), der GCP-Verordnung und im Gentechnikgesetz (GenTG).
Da die Gentechnologie ein noch eher junges Forschungsfeld darstellt und das menschliche Genom bei Weitem noch nicht gänzlich erforscht ist, sind genetische Eingriffe in das menschliche Erbgut mit teils großen Unsicherheiten verbunden. Nicht nur ist das Nutzen-Risiko-Verhältnis der Gentherapie im Allgemeinen, sondern von genetischem Enhancement im Besonderen, genauestens abzuwägen. In Bezug auf den Nutzen-Faktor kann die Gentechnologie sowohl zur Therapie von Krankheiten als auch für Enhancement-Zwecke eingesetzt werden. Generell ist die Bekämpfung von Krankheiten ein hoch zu bewertendes Ziel, das Vorrang vor der Korrektur einer bestimmten anderen Eigenschaft hat. Somit können Gentherapien und die Erforschung und Entwicklung von genetischen Heilmethoden auch bei bestehendem Risiko als wünschenswerter erachtet werden als gentechnische Eingriffe mit Bezug auf Enhancement ohne medizinische Indikation. Insbesondere gehen Eingriffe in die Keimbahn noch immer mit unabsehbaren Risiken einher und sind deshalb nach Einschätzung des Deutschen Ethikrats als ethisch unverantwortlich einzuschätzen. Aus diesem Grund fordert der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme aus dem Jahr 2019 ein Anwendungsmoratorium und empfiehlt Bundesregierung und Bundestag, sich für eine verbindliche internationale Vereinbarung einzusetzen.
Ein weiterer Aspekt ist, dass wegen des hohen Forschungsaufwands genetische Interventionen ein (noch) sehr kostspieliges Unterfangen sind. Therapien müssen individuell abgestimmt werden und beschränken sich derzeit noch auf kleine Zielgruppen, was dazu führt, dass sich die Kosten auf mehrere hunderttausend Euro pro Person in Behandlung belaufen. Auf lange Sicht könnten Keimbahntherapien, aber auch somatische Geninterventionen eine Kostenersparnis im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen bieten, da bei Erfolg keine Folgebehandlungen nötig sind. Durch zunehmende Erfahrungen mit genetischen Interventionen im medizinischen Bereich könnte diese Art der Therapie eine ebenbürtige oder sogar vorzuziehende Option werden.
Ethische Erwägungen zur Bewertung der Bereiche und Methoden des Enhancements beginnen oft bei den damit verbundenen, aber teils noch ungeklärten Fragen gesundheitlicher Risiken und Nebenwirkungen. Weitergehende ethische Überlegungen basieren jedoch häufig auf der Annahme, dass die Umstände, in denen eine Person sich für Enhancement entscheidet, gewissen idealen Bedingungen unterliegen: Wirksamkeit und erwiesene Sicherheit des Eingriffs sowie absolute Freiwilligkeit. Nachfolgend wird auf die am häufigsten diskutierten ethischen Debatten Bezug genommen. Auch hier wird mit allgemeinen Abgrenzungsfragen von Natürlichkeit und Unnatürlichkeit (1.) sowie von noch zu klärenden Fragen nach der Sicherheit und Abgrenzung von Krankheit und Enhancement begonnen, insbesondere in Bezug auf Herausforderungen des ärztlichen Ethos (2.). Anschließend wird sowohl die Möglichkeit der Bedrohung von Gerechtigkeit (3.) als auch von personaler Identität und Persönlichkeit besprochen (4.), die schließlich auch Fragen bezüglich der Autonomie und Authentizität betreffen (5.).
1. Enhancement wider die Natur?
Insbesondere futuristische Enhancement-Szenarien, die z. B. die Optimierung von Leistungen durch genetische Eingriffe wie die Einführung tierischer Gene in das menschliche Erbgut oder den Erwerb ganz neuer Fähigkeiten durch die Kopplung des menschlichen Körpers mit technischen Systemen beinhalten, stoßen nicht selten auf den Vorbehalt, die betreffenden Eingriffe seien unnatürlich oder verstießen jedenfalls gegen die menschliche Natur. Natürlichkeits-Argumente gegen Enhancement im Allgemeinen oder gegen bestimmte Formen sind mit zwei bedeutenden Schwierigkeiten behaftet: Zum einen gibt es keinen Konsens in der Frage, wie die menschliche Natur oder die Natur als solche begrifflich genauer zu bestimmen sind. Zum anderen stellt sich die Frage, aus welchen Gründen der Mensch die Natur als Richtschnur oder Schranke seines Handelns anerkennen sollte.
Ein gängiges Verständnis des Naturbegriffs wird über den Gegenbegriff der Kultur bestimmt: Während Kultur dasjenige meint, was vom Menschen geschaffen oder „künstlich“ durch ihn verändert wurde, steht Natur diesem Verständnis zufolge für alles unabhängig vom Menschen Existierende oder durch ihn Unbeeinflusste. Auf dieser Grundlage lassen sich an verschiedensten Phänomenen natürliche von künstlichen bzw. kulturbezogenen Aspekten unterscheiden. Aus ethischer Sicht bietet die Gegenüberstellung von Natur und Kultur allein aber keine plausible Begründung dafür, Natur als etwas grundsätzlich Bewahrenswertes aufzufassen. Vielmehr scheint der Mensch in einem prinzipiellen Spannungsverhältnis zur Natur zu stehen, kann er doch nur dadurch überleben, dass er in die Natur eingreift. Weder sind Kulturprodukte wie Bachkantaten oder mathematische Beweise „an sich“ negativ, noch sind Naturphänomene stets positiv zu bewerten, wie etwa Vulkanausbrüche oder Seuchen zeigen. Folglich müssen auch Enhancement-Maßnahmen vor dem Hintergrund dieser Bestimmung des Naturbegriffs nicht schon deshalb als problematisch gelten, weil sie in diesem Sinne unnatürlich sind.
In einem zweiten verbreiteten Sinn steht die Natur einer Sache für ihr „Wesen“. Diese Lesart ist einschlägig, wenn Enhancement als mit der menschlichen Natur unvereinbar betrachtet wird. Allerdings scheint sie kaum dazu geeignet, einen Generalverdacht gegenüber menschlichen Verbesserungsbestrebungen zu rechtfertigen, denn die meisten Positionen der philosophischen Anthropologie stimmen darin überein, dass es ein wichtiger Wesenszug des Menschen sei, sich nicht mit seiner mangelhaften natürlichen Ausstattung zufriedenzugeben, sondern diese durch technische und andere kulturelle Errungenschaften zu ergänzen bzw. zu vervollkommnen. Trotzdem scheint der Einwand gerechtfertigt, dass einzelne Techniken oder Ziele des Enhancements der menschlichen Natur zuwiderlaufen. Beispielsweise verweisen von den vielen Bioethiker*innen, die Eingriffe in die menschliche Keimbahn für grundsätzlich inakzeptabel halten, einige darauf, dass hierdurch die Natur des Menschen im Sinne seines Genpools dauerhaft verändert werde. Dagegen spricht allerdings, dass selbst bei dem Versuch, die menschliche Natur durch den Genbestand der biologischen Art Homo sapiens zu explizieren, die natürliche Veränderung der genetischen Ausstattung durch Evolution berücksichtigt werden muss. Vor diesem Hintergrund ist es nicht besonders plausibel, künstliche Eingriffe in das menschliche Genom grundsätzlich als ethisch fragwürdig zu betrachten. Fordert man dagegen lediglich, dass nur solche genetischen Manipulationen unterbleiben sollten, mit denen Individuen geschaffen werden, die im Sinne des biologischen Artbegriffs nicht mehr als Angehörige der Spezies Homo sapiens gelten könnten, würde diese Einschränkung nur die denkbar extremsten Formen eines genetischen Enhancements betreffen.
Ein weiteres Problem von Natürlichkeits-Argumenten liegt darin, dass sie die betreffenden Verfahren als solche und nicht nur ihre Anwendungen zu Zwecken des Enhancements diskreditieren. Dies kann Menschen verunsichern oder sogar ihrer Diskriminierung Vorschub leisten, die aus den betreffenden Verfahren einen therapeutischen Nutzen ziehen. Wird es beispielsweise für inakzeptabel gehalten, Menschen durch die Entwicklung geeigneter Schnittstellen zwischen Gehirnen und Maschinen die Möglichkeit zu geben, technische Systeme per Gedankenkraft zu kontrollieren, so beträfe dies nicht nur Cyborgs mit übermenschlichen Fähigkeiten, sondern auch Menschen, die mithilfe solcher Schnittstellen eventuelle Behinderungen kompensieren könnten.
Auch wenn man es aus den genannten begrifflichen und normativen Gründen nicht für überzeugend hält, Enhancement-Verfahren wegen ihrer Widernatürlichkeit oder Künstlichkeit kategorisch abzulehnen, kann man doch in einem schwachen Sinn auf den Naturbegriff Bezug nehmen. So argumentieren manche Bioethiker*innen gemäß dem Slogan „nature knows best“, dass immer dann, wenn natürliche Grenzen überschritten werden, besondere Vorsicht geboten sei.
2. Enhancement als Herausforderung des ärztlichen Ethos und mögliches Suchtpotenzial
Wird die Medizin in traditioneller Weise als Heilkunde aufgefasst, so lässt sich bereits dem Wortsinn entnehmen, dass ärztliche Fachpersonen zur Wiederherstellung der Gesundheit antreten, also vorwiegend im Krankheitsfall tätig werden. Neben dieser Auffassung hat sich in jüngerer Zeit ein „positives“, d. h. nicht defizitorientiertes Verständnis der Medizin als einer Wissenschaft etabliert, die sich mit den Bedingungen von Gesundheit und den Möglichkeiten zu ihrer Förderung, Bewahrung und Wiederherstellung befasst. Diese Umdeutung bleibt vage, wenn Gesundheit ihrerseits nur negativ als Abwesenheit von Krankheit verstanden wird. Es gibt jedoch eine Reihe von Versuchen, dem Begriff der Gesundheit einen positiven Gehalt zu geben. Besonders prominent, wenn auch wegen ihres hochgesteckten Anspruchs nicht unumstritten, ist die Definition der Weltgesundheitsorganisation (WHO), welche Gesundheit in ihrer Verfassung aus dem Jahre 1948 folgendermaßen bestimmt: „ein Zustand vollständigen physischen, geistigen und sozialen Wohlbefindens, der sich nicht nur durch die Abwesenheit von Krankheit oder Behinderung auszeichnet“. Würde sich unter ärztlichen Fachkräften diese Auffassung von Gesundheit mit der sich daraus ergebenden Bestimmung des Aufgabenbereichs der Medizin durchsetzen, so müssten ihnen Enhancement-Maßnahmen nicht länger als „fachfremd“ erscheinen, jedenfalls sofern diese einen Beitrag zur Förderung des Wohlbefindens leisten.
Ärztliche Fachpersonen erleben Enhancement-Maßnahmen jedoch nicht nur deshalb als Herausforderung ihres professionellen Selbstverständnisses, weil diese eine traditionell krankheitsbezogene Auffassung von Medizin in Frage stellen: Eine weitere Befürchtung besteht darin, dass die zunehmende Bedeutung solcher Maßnahmen innerhalb des ärztlichen Dienstleistungsspektrums der bereits heute von vielen als problematisch wahrgenommenen Tendenz zur Kommerzialisierung der Medizin weiteren Vorschub leisten könnte. Ärztliche Fachkräfte sorgen sich darum, ähnlich wie gegenwärtig bereits ästhetische Chirurg*innen oder in Doping involviertes sportmedizinisches Personal, in den Verdacht zu geraten, mehr am eigenen Profit als am Wohl der von ihnen zu behandelnden Personen interessiert zu sein. In der Konsequenz könnte Vertrauensverlust und damit die Erosion der Grundlage des medizinischen Behandlungsverhältnisses drohen. Der Vorwurf der Kommerzialisierung der Medizin verbindet sich gelegentlich mit dem der Medikalisierung moderner Gesellschaften, demzufolge immer häufiger medizinische Lösungsstrategien für Probleme angestrebt werden, deren Wurzeln eigentlich im sozialen Bereich liegen.
Einen weiteren Problembereich betrifft die Abgrenzung von Krankheit und Enhancement sowie die Verschreibung von anfänglich für die therapeutische Nutzung indizierten Medikamente im Sinne eines Enhancements für gesunde Menschen. Dies ist nicht nur insbesondere hinsichtlich einer potenziellen Medikamentenabhängigkeit problematisch, sondern auch in Hinblick darauf, dass es keine Langzeitstudien zur Nutzung von Medikamenten im sogenannten „off-label Gebrauch“ gibt, dem Gebrauch abseits ursprünglicher Zwecke und Zulassung. Dies gibt Anlass zur Befürchtung, dass die Verbreitung von Arzneimittelabhängigkeiten erheblich zunehmen könnte, wenn immer mehr Menschen ganz ohne medizinischen Grund pharmazeutische Präparate zur Optimierung bestimmter Eigenschaften einnehmen würden. Besonders einschlägig ist diese Befürchtung für den Bereich des Neuroenhancements, da es hier um die Einnahme von Präparaten geht, die auf das zentrale Nervensystem bzw. die Psyche Einfluss nehmen und deshalb ein grundsätzliches Abhängigkeitspotenzial aufweisen.
Pharmazeutische Präparate, die regelmäßig zu Abhängigkeiten führen, können in Deutschland dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt werden. Da das Persönlichkeitsrecht ein Recht auf Selbstgefährdung einschließt, geht es bei der Einstufung von Substanzen als Betäubungsmittel nicht in erster Linie darum, Konsumierende vor Abhängigkeiten zu bewahren. Zur Rechtfertigung einer gesetzlichen Kontrolle des Umgangs mit bestimmten Stoffen wird vielmehr auf sozialschädliche Konsequenzen von Suchterkrankungen verwiesen, die im Fall gängiger illegaler Drogen etwa in der Form von Beschaffungskriminalität, Arbeitsunfähigkeit oder auch als gesundheitliche Folgeschäden auftreten. Ob sich in der Folge der dauerhaften und regelmäßigen Einnahme von pharmazeutischen Präparaten zu Zwecken des Enhancements vergleichbare Nachteile für die Allgemeinheit ergeben, ist eine offene Frage. Beachtenswert scheint in diesem Zusammenhang, dass viele Nutzende von Neuroenhancement-Präparaten äußerst leistungsorientiert sind, wohingegen die meisten Drogenkonsumierenden eher am persönlichen Genuss interessiert zu sein scheinen. Wer beispielsweise an kognitivem Enhancement interessiert ist, um beruflichen Anforderungen besser gerecht werden zu können, mag trotz einer entstehenden Abhängigkeit sogar (vorübergehend) einen gesteigerten Beitrag zum Gemeinwohl erbringen. Aufgrund fehlender Langzeitstudien, deren Beantragung und Durchführung wegen des Grundsatzes der Nichtschädigung anderer eigens hochproblematisch ist, ist allerdings nicht abzusehen, inwiefern auch diese Nutzung gesundheitsschädliche Folgen haben könnte.
3. Enhancement als Bedrohung der Gerechtigkeit
Eine Bedrohung der Gerechtigkeit durch Enhancement kann nicht nur in Hinblick auf die Frage nach der Zumutbarkeit der Präparate und Methoden gegeben sein, sondern auch in Bezug auf Fragen nach der sozialen Verteilungsgerechtigkeit und dem damit verbundenen sozialen Druck.
Es kann demnach in unterschiedlichen Hinsichten für ungerecht gehalten werden, wenn sich Personen durch die Nutzung von Enhancement-Maßnahmen Vorteile gegenüber anderen verschaffen. Beispielsweise ist die Gewährleistung gerechter Wettbewerbsbedingungen das zentrale Anliegen des Kampfs gegen Doping im Leistungssport. Allein die Befürchtung, nicht mehr konkurrenzfähig zu sein, weil andere Wettkampfteilnehmende womöglich auf verbotene leistungssteigernde Mittel zurückgreifen, kann ein starkes Motiv für die Nutzung von Enhancement-Verfahren sein. Wohlgemerkt stehen Athlet*innen unter einem ähnlichen Druck, wenn sie darum wissen, dass Konkurrierende zulässige Trainingsmöglichkeiten, Materialien oder Geräte nutzen, die ihnen selbst nicht zur Verfügung stehen (z. B. Höhentraining). Analog zum Fall des Dopings ist es auch bedenklich, wenn Schulbesuchende oder Studierende mithilfe von illegal beschafften verschreibungspflichtigen Präparaten ihre Prüfungsleistungen zu verbessern suchen, selbst wenn deren Einnahme in den betreffenden Prüfungsordnungen nicht explizit verboten wird. Der Grund für die Bedenklichkeit ist, dass den anderen Prüfungsablegenden eindeutig nicht zugemutet werden kann, sich zur Wahrung der Chancengleichheit gegenüber den kognitiv enhancten Prüfungsablegenden ebenfalls auf rechtswidrigem Wege in den Besitz von Neuro-Enhancement-Präparaten (NEP) mit ungewisser Wirksamkeit und teils erheblichen Nebenwirkungen zu bringen. Die damit verbundene Frage der Zumutbarkeit von Enhancement-Eingriffen oder der Einnahme von NEPs müsste neu beurteilt werden, wenn einzelne von ihnen als so sicher zu bewerten wären, dass sie zur Anwendung bei gesunden Heranwachsenden oder jungen Erwachsenen zugelassen werden würden. Doch auch wenn es erlaubt wäre, NEPs ohne therapeutischen Grund einzunehmen, stünde deren Nutzung voraussichtlich nicht allen offen, weil sie sich wahrscheinlich nicht alle leisten könnten. Daher kann auch in einem Szenario mit einem legal verfügbaren nebenwirkungsarmen NEP noch gefragt werden, ob es ungerecht ist, wenn wohlhabende Einzelpersonen oder Personengruppen gegenüber weniger privilegierten durch die Einnahme von kostspieligen Psychopharmaka weitere Wettbewerbsvorteile gewinnen.
Bezüglich der Frage, welche Art und welches Ausmaß an sozialem Druck als akzeptabel angesehen wird, ist festzuhalten, dass ihre Beantwortung für verschiedene gesellschaftliche Wettbewerbsbereiche höchst unterschiedlich ausfällt. Faktisch herrscht überall dort, wo sehr spezielle Fähigkeiten und Eigenschaften den Ausschlag über die Eignung für begehrte gesellschaftliche Positionen geben, ein extrem hoher Konkurrenzdruck. Wer beispielsweise eine Karriere als fernsehmoderierende Person anstrebt, sieht sich mit hohen Erwartungen an sein äußeres Erscheinungsbild konfrontiert. In der Regel wird es als zumutbar erachtet, dass sich Bewerbende in diesem Bereich durch erheblichen Aufwand an Zeit und Kosten für kosmetische Maßnahmen und Körpertraining konkurrenzfähig halten. Vor allem wegen der mit solchen Eingriffen verbundenen gesundheitlichen Risiken erscheint es problematisch, wenn Bewerbende ihr Aussehen zusätzlich mit Maßnahmen der ästhetischen Chirurgie optimieren. Auch wenn die Nutzung solcher Mittel legal ist, ist es aus ethischer Sicht fragwürdig, wenn in der Folge andere unter Druck geraten, ihre Gesundheit ebenfalls durch deren Anwendung potenziell zu gefährden. Für die Bewertung dieser und anderer Konkurrenzsituationen spielt es auch eine Rolle, auf welcher Ebene der Druck zur Nutzung solcher Maßnahmen entsteht: auf individueller, gesellschaftlicher, oder staatlicher Ebene. Zum Beispiel erscheint es besonders problematisch, wenn der Druck von Gesetzgebenden oder von Institutionen ausgeübt wird. So wäre es eine inakzeptable Nötigung, wenn ein Fernsehsender in Bewerbungsgesprächen die Bereitschaft abfragen würde, sich bestimmten chirurgischen Maßnahmen zu unterziehen.
Die Vertretenden einer liberalen Haltung gegenüber der Anwendung von Enhancement-Maßnahmen beantworten Gerechtigkeitsfragen in Bezug auf die Zumutbarkeit von Eingriffen und die Einnahme von Enhancement-Präparaten gerne unter Hinweis darauf, dass es in unserer Gesellschaft auch akzeptiert wird, wenn Eltern ihren Kindern Nachhilfestunden finanzieren oder fernsehmoderierende Personen ihr Erscheinungsbild durch privat bezahlte ästhetische chirurgische Eingriffe verändern. Auf dieses Argument kann wiederum geantwortet werden, dass mögliche zukünftige ungerechte Verhältnisse nicht durch den Hinweis auf gegenwärtig faktisch akzeptierte Missstände gerechtfertigt werden sollten. Stattdessen sollten Bedenken bezüglich der Gerechtigkeit eines gesellschaftlich gebilligten pharmazeutischen Enhancements oder entsprechenden Eingriffen zum Anlass genommen werden, generell den liberalen Umgang mit Enhancement-Maßnahmen in allen Bereichen zu überdenken.
Bedenken bezüglich einer möglichen Verschärfung bereits vorhandener sozialer Ungleichheiten durch die verbreitete Anwendung von Enhancement-Maßnahmen treten vorwiegend dann auf, wenn nicht jeder Mensch Zugang zu diesen Maßnahmen hat. Demnach könnte der Staat ihnen begegnen, indem er freien Zugang zu bestimmten Enhancements garantieren würde. Befürwortende des pharmazeutischen Neuro-Enhancements argumentieren beispielsweise, dass zukünftig insbesondere die Subventionierung wirksamer und sicherer NEPs im öffentlichen Interesse liegen könnte, weil verbesserte kognitive Fähigkeiten Menschen in vielen Stellungen dabei helfen würden, ihren Dienst an der Gesellschaft in effizienterer Weise zu verrichten. Auf solche Gedankenspiele kann erwidert werden, dass es Verschwendung wäre, knappe öffentliche Mittel in die Optimierung der geistigen Fähigkeiten von Gesunden zu investieren, solange die optimale Versorgung kranker Menschen nicht gewährleistet wäre.
Ob die verbreitete Anwendung eines bestimmten Enhancement-Verfahrens unfaire soziale Verhältnisse begünstigen würde, lässt sich angesichts der vielen Faktoren, die auf die Entwicklung solcher Verhältnisse Einfluss nehmen, kaum mit Bestimmtheit vorhersagen. Es gibt aber bereits bestimmte Verbotslisten, die eine ungerechte Verwendung von Enhancement-Präparaten stark einschränken. Fairness spielt insbesondere in Sportwettbewerben eine zentrale Rolle, sodass es nicht verwunderlich ist, dass die Aufnahme eines Mittels in die Verbotslisten der Anti-Doping-Organisationen bereits dann legitim ist, wenn dessen Nutzung möglicherweise zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnte. Schwieriger zu rechtfertigen wären solche präventiven Verbote gegenüber potenziellen Enhancement-Verfahren in anderen gesellschaftlichen Bereichen, die nicht so konsequent an egalitaristischen Idealen ausgerichtet sind. Immerhin bedeutet jedes Verbot eine Einschränkung individueller Freiheitsspielräume, was im geschützten Wettbewerbsbereich des Sports leichter zu legitimieren ist als in alltäglichen Konkurrenzsituationen. Die potenziellen ungerechten Konsequenzen neuer Enhancement-Verfahren sind nicht nur ungewiss, sondern müssen auch gegen mögliche individuelle und soziale Nutzeneffekte abgewogen werden. Aus diesen Gründen rechtfertigen Gesichtspunkte der Fairness nach Ansicht vieler Bioethiker*innen eher eine Politik der staatlichen Aufsicht und Kontrolle bezüglich der Entwicklung und Anwendung solcher Verfahren als Verbote.
Die Frage, ob Enhancement-Maßnahmen vorausgesetzt werden sollten, um bestimmte gesellschaftliche Stellungen bekleiden zu können, hängt auch von den verfügbaren Alternativen ab. Ein Beispiel wäre ein nebenwirkungsarmes Neuro-Enhancement-Präparat, durch das sich die Fehleranfälligkeit von Chirurg*innen oder Fluglots*innen signifikant reduzieren ließe. Auch in anderen Bereichen könnte Enhancement durchaus zu einer Kostenersparnis und somit zu einer Entlastung des Gesundheitssystems führen. Wenn durch genetisches Enhancement die Ausprägung unerwünschter Eigenschaften wie Aggressivität verringert oder die psychische Stabilität gestärkt werden könnte, dann könnte dadurch eventuellen Folgekosten vorgebeugt werden. In Bezug auf die Frage nach der Akzeptabilität sozialen Drucks stünden Fluglots*innen oder Chirurg*innen, die sich der gesellschaftlichen Erwartung nicht beugen möchten, ihre Fehlerquote durch den Einsatz eines zugelassenen NEPs zu minimieren, aber auch genügend andere befriedigende Betätigungsfelder zur Verfügung. Eine sehr problematische Entwicklung wäre dagegen denkbar, wenn die Einnahme potenter NEPs über spezielle Berufe hinaus in breiten Bevölkerungsschichten üblich werden würde. In der Folge könnten die Anforderungen an bestimmte kognitive Fähigkeiten so dramatisch steigen, dass nicht-enhancten Personen nur noch die anspruchslosen gesellschaftlichen Aufgaben anvertraut würden. Der mögliche soziale Nutzen, der sich aus einer Erhöhung der durchschnittlichen geistigen Leistungsfähigkeit der Bevölkerung ergeben mag, wäre dann gegen das Risiko der Herausbildung einer Zweiklassengesellschaft mit einer nicht-enhancten Unterschicht abzuwägen.
Generell sagt sozialer Druck aber nichts über dessen ethische oder rechtliche Akzeptabilität aus. Ebenso wie im Fall der Bedenken zur Verteilungsgerechtigkeit gesellschaftlicher Chancen ist man bei der normativen Beurteilung eines möglichen sozialen Drucks zum Enhancement auf Kriterien der Zumutbarkeit angewiesen. Die Nutzung einer bestimmten Enhancement-Maßnahme erscheint als umso größere Zumutung, je höher die damit verbundenen Risiken einerseits und der finanzielle und persönliche Aufwand andererseits sind. Weiterhin gilt für beide Problembereiche, dass die Grenze der Zumutbarkeit an Ungerechtigkeit bzw. sozialem Druck nur im Vergleich zu ähnlichen gesellschaftlichen Konfliktlagen genauer bestimmt werden kann.
4. Veränderungen der personalen Identität und Persönlichkeit
Besonders das Neuroenhancement wird von Kritisierenden gelegentlich als Bedrohung der personalen Identität gesehen. Allgemein geht es dabei um die Befürchtung, dass die Personengruppen, die ein bestimmtes Enhancement-Verfahren anwenden, sich so grundlegend verändern könnten, dass sie in einem wichtigen Sinn nicht mehr als dieselben Personen zu betrachten wären, die sie vor der Nutzung des Verfahrens waren. Zur Vermeidung von Missverständnissen ist es zweckdienlich, zwischen einem schwachen und einem starken Sinn zu unterscheiden, in dem eine Person in ihrer Identität betroffen sein kann. Der schwache Sinn bezeichnet Veränderungen des Typs, zu dem auch sogenannte „Identitätskrisen“ gerechnet werden können. Demnach wird befürchtet, dass sich eine Person in grundlegenden Eigenschaften mehr oder weniger tiefgreifend verändert, was sowohl bei ihr selbst als auch bei anderen zu Zweifeln über die eigene Identität führen kann. Auch wenn solche Veränderungen als krisenhaft erlebt werden können, bricht die Identität einer Person in ihrem Verlauf in der Regel aber nicht derart zusammen, dass man am Ende mit einer völlig neuen Person konfrontiert wäre. Fällt eine Veränderung dagegen so radikal aus, dass an die Stelle der ursprünglichen Person eine ganz andere Person zu treten scheint, so kann im starken Sinn von einem Wechsel personaler Identität gesprochen werden. Nicht jeder Personenbegriff lässt theoretischen Raum für diese starke Variante eines Wechsels personaler Identität. Wenn diese Möglichkeit eingeräumt wird, so ist in der bioethischen Literatur meist davon die Rede, dass Identität in einer numerischen Bedeutung betroffen ist. Zur Bezeichnung des Identitätsverständnisses, das Identitätsveränderungen im schwachen Sinn korrespondiert, wird als Gegenstück zur numerischen Identität je nach theoretischem Hintergrund von einer „individuellen“ oder auch „narrativen“ Identität gesprochen.
Die Veränderungen personaler Identität, die Kritisierende des Enhancements von diesem erwarten, werden in der Regel ausschließlich als Bedrohung angesehen. Diese rein negative Sichtweise ist jedoch nur angemessen, wenn personale Identität im starken Sinn auf dem Spiel steht. Allerdings dürften die psychischen Folgen des Enhancements kaum jemals so dramatisch ausfallen, dass es plausibel scheinen könnte, den Fortbestand der ursprünglichen Person in Frage zu stellen. Vermutlich werden alle Veränderungen, von denen Personen im Verlauf der Nutzung von Enhancement-Verfahren betroffen sein können, nur Identität im schwachen Sinn betreffen. Aus psychologischer Sicht dürften die meisten dieser psychischen Effekte als Persönlichkeitsveränderungen zu beschreiben sein. Als Nebenwirkungen können solche Effekte auch jenseits des Neuroenhancements auftreten, wenn etwa Doping mit Anabolika erhöhte Aggressivität bei Leistungssporttreibenden nach sich zieht. Auch wenn dies ein Beispiel für eine Persönlichkeitsveränderung durch Enhancement darstellt, die in den meisten Kontexten unerwünscht sein dürfte, kann sich die personale Identität im schwachen Sinn grundsätzlich auch zum Besseren ändern: Wenn es beispielsweise einer Person durch die (nicht therapeutisch indizierte) Einnahme eines Antidepressivums gelänge, eine (nicht pathologisch ausgeprägte) Schüchternheit zu überwinden, so könnte dies eine positiv zu bewertende Persönlichkeitsveränderung durch Neuroenhancement sein. In mittelbarer Folge könnte sich die Persönlichkeit noch weiter verändern, wenn etwa dank der herabgesetzten sozialen Hemmungen das Selbstwertgefühl oder die Selbstzufriedenheit dieser Person erheblich steigen würden.
Beide der hier unterschiedenen Auffassungen personaler Identität können für die Ethik des Enhancements von Nutzen sein. In Verbindung mit einem passend ausformulierten Personbegriff kann das Konzept eines starken Wechsels personaler Identität dazu dienen, einen Bereich inakzeptabler psychischer Folgen von Enhancement-Maßnahmen abzustecken. Die praktische Relevanz dieser Grenzziehung ist eher gering, weil es hier um so radikale Brüche der psychischen Kontinuität von Personen geht, dass jede Intervention, welche die personale Identität in diesem Sinne bedrohen würde, als mögliches Enhancement-Verfahren disqualifiziert wäre. Demgegenüber bewährt sich das schwache Verständnis personaler Identität bei dem Versuch, eine differenzierte Bewertung der psychischen Folgen von Enhancement-Verfahren vorzunehmen, weil es sowohl besonders relevante negative als auch positive Effekte auszuzeichnen gestattet. Es liegt nahe, bei der Beschreibung dieser Folgen auf begriffliche Ressourcen psychologischer Persönlichkeitstheorien zurückzugreifen, weil der Persönlichkeitsbegriff die Möglichkeit bietet, bloß vorübergehende und periphere psychische Effekte von solchen zu unterscheiden, die wegen ihrer relativen Stabilität und Zentralität maßgeblich für die Individualität bzw. schwach verstandene Identität einer Person sind. Neben begrifflichen Kriterien zur Beschreibung von Persönlichkeitsveränderungen werden zusätzlich normative Kriterien benötigt, um sie in ethischer Hinsicht zu bewerten. Beispielsweise dürften unabsehbare Persönlichkeitsveränderungen grundsätzlich problematischer sein als solche mit bekannter Auftretenswahrscheinlichkeit, weil Enhancement-Interessierte nur über letztere konkret aufgeklärt werden können.
5. Bedrohungen von Autonomie und Authentizität
Gelegentlich stoßen Enhancement-Verfahren auf ethische Vorbehalte, weil sie als Bedrohung der Selbstbestimmungsfähigkeit bzw. Autonomie ihrer Anwendenden betrachtet werden. Wie bereits im Fall des Begriffs der personalen Identität ist es auch bezüglich des Autonomiebegriffs hilfreich, zunächst eine grundsätzliche Differenzierung vorzunehmen. Der Begriff der Autonomie wird zum einen verwendet, um Personen Selbstbestimmungsfähigkeit in bestimmten grundlegenden oder „basalen“ Hinsichten zu- oder abzusprechen. So bezeichnen die Rechtsbegriffe der Geschäftsfähigkeit, Einwilligungsfähigkeit, Prozessfähigkeit oder auch der Religionsmündigkeit bereichsspezifische Aspekte der Autonomie, über die Menschen zu jedem gegebenen Zeitpunkt entweder ganz oder gar nicht verfügen. Um in der jeweiligen Hinsicht als autonom gelten zu können, müssen Personen unterschiedliche Fähigkeiten in einer Ausprägung aufweisen, die bestimmten Minimalkriterien entsprechen, wie etwa das Vermögen, relevante Zusammenhänge zu verstehen. Darüber hinausgehende individuelle Unterschiede in diesen Fähigkeiten spielen für die Zuschreibung der jeweiligen Selbstbestimmungsfähigkeit keine Rolle. Die Verwendung des Autonomiebegriffs folgt einer anderen logischen Struktur, wenn ihm ein ideales Verständnis von Selbstbestimmungsfähigkeit zugrunde liegt: Theorien idealer Autonomie ermöglichen es, Handlungsweisen, Persönlichkeitsmerkmale oder auch ganze Lebens- oder Selbstkonzepte als mehr oder weniger selbstbestimmt zu bewerten, je nachdem, wie gut mit ihnen ein bestimmtes Ideal der Selbstbestimmungsfähigkeit zur Geltung gebracht wird.
Enhancements kommen primär als Bedrohung ideal verstandener Selbstbestimmungsfähigkeit in Betracht. Der Verlust von Autonomie in einem grundlegenden Sinn darf allenfalls als schwere Nebenwirkung in verzweifelten Therapieentscheidungen in Kauf genommen werden, als Folge eines Enhancement-Verfahrens wäre er dagegen vollkommen inakzeptabel. Autonomiebezogene Bedenken gegenüber Enhancement sind in der Regel also nicht so zu verstehen, dass dessen Anwendende regelrecht ihren freien Willen einbüßen, weil sie bestimmte Mindestvoraussetzungen für Autonomie nicht mehr erfüllen. Vielmehr wird die graduelle Abnahme von einzelnen Fähigkeiten befürchtet, die für Selbstbestimmung in ihren unterschiedlichen Aspekten relevant sind. In diesem Sinn stellt etwa die Sorge, Enhancement-Verfahren könnten zu Abhängigkeit führen, die Autonomie der Nutzenden in Frage, weil Sucht und Abhängigkeit einen partiellen Verlust der Fähigkeit zur Selbstkontrolle bedeuten. Auch das aus der Debatte über ästhetisches Enhancement bekannte Argument, die Inanspruchnehmenden der Eingriffe ästhetischen Chirurg*innen seien nicht wirklich frei in ihren Entscheidungen, sondern fremdbestimmt durch soziale Erwartungen und unrealistische Schönheitsideale, bezieht sich auf ein ideales Verständnis von Autonomie. Schließlich lässt sich in Frage stellen, ob überhaupt je eine Entscheidung im hier unterstellten Sinn als autonom gelten kann, sofern jede unserer Konsumentscheidungen als zumindest teilweise durch Werbung und Medien beeinflusst erscheint.
Für die genauere Beurteilung von Bedenken bezüglich der Autonomie der Anwendenden von Enhancements muss das jeweils investierte Verständnis idealer Selbstbestimmung genauer analysiert werden. Eine gängige Bestimmung idealer Autonomie verbindet sich mit dem Authentizitätsbegriff. Authentizität meint dabei in erster Näherung die Abwesenheit von Selbstentfremdung. In positiver Wendung wird der Authentizitätsbegriff meist durch den Bezug auf ein „eigentliches“, „wahres“ oder „grundlegendes“ Selbstbild bestimmt: Mit diesem befindet sich eine Person demnach im Einklang, die sich als authentisch erlebt. Fraglich ist dabei unter anderem, ob Authentizität im subjektiven Authentizitätsempfinden aufgeht oder ob es Kriterien gibt, anhand derer die Authentizität einer Person aus einer von ihr unabhängigen Perspektive der Beobachtung beurteilt werden kann. Beträchtlicher theoretischer Spielraum ergibt sich auch hinsichtlich der näheren Bestimmung dessen, was das wahre Selbst einer Person ausmacht. Die Wortführenden der Enhancement-Debatte scheiden sich insbesondere an der Frage, ob das wahre Selbst – verstanden als die praktische Identität, die eine Person für sich als grundlegend erachtet – ein vorgegebenes ist, das in einem Akt der Selbstfindung erkannt und anschließend bewahrt werden muss, oder ob es vielmehr das in einem Akt der Selbstverwirklichung frei gewählte Selbst ist. Aus den jeweils resultierenden Auffassungen von Authentizität ergeben sich radikal unterschiedliche Bewertungen des Enhancements. Wer das Selbstfindungsmodell vertritt, betrachtet technische Methoden der Selbstoptimierung in aller Regel als Einflüsse, die ihre Nutzenden von ihrem vorgegebenen Selbst entfremden. Vertretende des Konzepts der Selbstverwirklichung neigen demgegenüber dazu, jede Unterstützung bei der Realisierung personaler Selbstentwürfe zu begrüßen, und stehen dem Enhancement folglich im Allgemeinen positiv gegenüber. Dass sich sowohl die Kritisierenden als auch die Befürwortenden des Enhancements des Authentizitätsbegriffs bedienen können, um ihre jeweiligen Positionen zu begründen, zeigt die normative Ambiguität dieses Begriffs an. Neben der Stoßrichtung ist auch die Schlagkraft von Authentizitätsargumenten umstritten. In erster Linie richten sie sich wohl an den einzelnen Menschen, der sie im wohlverstandenen Eigeninteresse berücksichtigen sollte. Das Bestehen einer interpersonal einforderbaren Pflicht zur Authentizität oder eines korrespondierenden Rechts auf Authentizität scheint dagegen sehr fragwürdig.